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Corona-Maßnahme des Kultusministeriums

Kitas schließen ab 16. Dezember – wirklich?

Das Land hat die Kitas so lange wie möglich offen gelassen – und spricht jetzt von Kitaschließungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie. Realistisch betrachtet herrscht jedoch eingeschränkter Regelbetrieb.

Foto: GEW / Shutterstock
Foto: GEW / Shutterstock

Der politische Wille, die Kitas während der zweiten Corona-Infektionswelle offen zu halten, war groß, trotz der wachsenden Kritik hinsichtlich des Gesundheitsschutzes. Laut Deutschem Jugendinstitut (DJI) und Robert Koch-Institut (RKI) stiegen in der letzten Zeit auch die Infektionszahlen in den Kitas. „Teilweise hat sich der Wert versechsfacht. Das bedeutet auch ein höheres Infektionsrisiko für das Kitapersonal, das meist ohne Masken und Mindestabstände arbeiten muss“, kommentiert Björn Köhler, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, die Entwicklungen.

Die steigenden Infektionszahlen veranlassten die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsident*innen der Länder, Ende letzter Woche schärfere Maßnahmen für Kindertageseinrichtungen und Einrichtungen der Kindertagespflege vorzusehen. Von 16. Dezember bis 10. Januar sollen die Einrichtungen schließen, besser gesagt „grundsätzlich schließen“.

Konkret umgesetzt wird die „grundsätzliche Schließung“ in den Ländern und das bedeutet Gestaltungsspielraum. In Baden-Württemberg hat das Kultusministerium die Träger angehalten an den regulären Öffnungstagen eine Notbetreuung einzurichten.

Anspruch auf Notbetreuung haben laut einem Schreiben von Kultusministerin Susanne Eisenmann:

  • „Kinder, bei denen beide Erziehungsberechtigte beziehungsweise die oder der Alleinerziehende von ihrem Arbeitgeber am Arbeitsplatz als unabkömmlich gelten. Dies gilt für Präsenzarbeitsplätze ebenso wie für Home-Office-Arbeitsplätze.
  • Auch Kinder, für deren Kindeswohl eine Betreuung notwendig ist, haben einen Anspruch auf Notbetreuung.“

Real betrachtet sind ab heute nur wenige Kitas im Land tatsächlich geschlossen, in vielen Kitas herrscht sozusagen „eingeschränkter Regelbetrieb“.

„Wenn alle Eltern, die nach dieser Anordnung ein Recht auf einen Platz für ihr Kind in der Notbetreuung haben, dies auch in Anspruch nehmen, dann sind in unserer Kita noch 90 Prozent der Kinder da“, so die Reaktion einer Kitaleitung aus Stuttgart. Die Anordnung ginge gerade in größeren Kitas einher mit einem organisatorischen Aufwand, der jetzt kurz vor Weihnachten zusätzlich belaste. Insbesondere Kitaleitungen stünden vor der Herausforderung, neu regeln zu müssen und allen Beteiligten Rede und Antwort zu stehen. Nicht nur Eltern hätten Erklärungsbedarf, auch Kindern wollten wissen, weshalb der*die eine in die Kita darf, der*die andere nicht.

Nun kann man der Ansicht sein, dass ein solches Krisenmanagement eben Aufgabe von Kita-Leitungen ist – und auch Kitabeschäftigte die Herausforderungen aufgrund der Pandemie als selbstverständliche Aufgabe ihrer Arbeit annehmen sollten, wie das in vielen anderen Berufen auch der Fall ist.

Kita-Leitungen und Kita-Beschäftigte tun genau das – und zwar seit Beginn der Pandemie! Sie hatten sich während des ersten Lockdowns nicht nur um die eigene Gesundheit, sondern auch um das Wohl der Kinder gesorgt und die belastende Situation der Eltern im Blick gehabt. In vielen Kitas waren kreative Ideen entwickelt worden, um in Kontakt mit den Familien zu bleiben. Es waren Notbetreuungen organisiert worden, damit Eltern aus systemrelevanten Berufen ihrer Arbeit nachgehen konnten. Und das ungeachtet der kaum geklärten Infektionsrisiken und der Tatsache, dass die Erzieher*innen selbst nicht als systemrelevant anerkannt waren. Es dauerte geraume Zeit bis sie ihre eigenen Kinder in die Notbetreuung geben konnten.

Herausforderungen für Kitas klar benennen

Kita-Leitungen und Beschäftigte nehmen aufgrund der Ausnahmesituation in Kauf, das gesamte Kita-Jahr im Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen zu arbeiten und arrangieren sich vielerorts mit schlechteren Rahmenbedingungen. Ist es dann nicht auch geboten, Missstände anzusprechen zu dürfen? Und können Erzieher*innen nicht erwarten, dass die Dinge beim Namen genannt werden? Warum wird von Kitaschließung gesprochen, wenn über eine Notbetreuung Tür und Tor geöffnet bleiben? Das sorgt für Verwirrung. Die Kitafachkräfte fühlen sich so weder ernstgenommen noch anerkannt.

Und wenn alle davon ausgehen, dass die Arbeit in den Kitas unerlässlich und systemrelevant ist, müssten dann nicht auch die Strukturen dafür geschaffen werden? Der Schutz der Kinder und der Beschäftigten müsste oberste Priorität haben und erfordert Investitionen. Alle Kitas brauchen Voraussetzungen, um die Hygiene- und Arbeitsschutzvorschriften, wie die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) sie vorsieht, einhalten zu können. Zusätzliche Reinigung während der Öffnungszeiten und Luftfilteranlagen wären hilfreich.

Systemrelevanz muss auch durch mehr Wertschätzung zum Ausdruck gebracht werden. Für eine grundsätzlich bessere Bezahlung kämpfen die Gewerkschaften schon lange, aber auch eine Corona-Prämie müsste dann für alle Beschäftige im Arbeitsbereich vorgesehen werden.

Und schließlich ist es angebracht, Kita-Leitungen zu entlasten und ihnen endlich ausreichend Zeit zu gewähren, damit sie ihre Aufgaben gut erfüllen können.

Die Pandemie fordert heraus, schafft aber auch Chancen, Missstände in den Blick zu nehmen und Situationen zu verbessern. Dazu müssen Veränderungsbedarfe angesprochen und klar und transparent kommuniziert werden.

Kontakt
Heike Herrmann
Referentin für Jugendhilfe und Sozialarbeit
Telefon:  0711 21030-23