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Hochschule

Land spricht von Öffnungsperspektive – leider ohne Weitblick

Aufgrund der Corona-Krise sind die Hochschulen nun bereits in ihrem dritten Online-Semester. Mit der neuen Corona-Verordnung hat das Wissenschaftsministerium eine Öffnungsperspektive beschrieben. Doch viele Fragen sind noch ungeklärt.

Universitätsbibliothek Tübingen
Universitätsbibliothek Tübingen (Foto: © Friedhelm Albrecht / Universität Tübingen)

Seit Beginn des Monats steht fest: Die Hochschulen des Landes haben eine Öffnungsperspektive. Denn mit der seit 8. März gültigen Corona-Verordnung verspricht Wissenschaftsministerin Theresia Bauer „mehr Normalität“. Die GEW fragt sich, wie normal ein präsenter Hochschulalltag mit steigenden Fallzahlen, Mutationsverbreitung und ungeklärten Fragen für Onlineprüfungen eigentlich aussehen kann.

Für eine innovative und zukunftsweisende  Hochschulentwicklung in Baden-Württemberg ist es dringend notwendig, die Digitalisierung der Hochschulen sowie die Öffnungsperspektive flankierend zu begleiten. Die Verantwortung hierfür liegt aber wie so oft – Stichwort Hochschulautonomie – bei den Hochschulen selbst. Und ist damit, je nach personellen, ideellen und finanziellen Ressourcen, ganz unterschiedlich gelagert.

Online Prüfungen: Noch viele offene Fragen

Aufgrund der Corona-Krise sind die Hochschulen nun bereits in ihrem dritten Online-Semester. Im April 2020 eilig aus dem Boden gestampfte Onlinesemester und -prüfungen wurden erst Ende 2020 auf rechtliche Beine gestellt. Denn im Dezember 2020 verabschiedeten Landeshochschulgesetz  wurde mit §32a Absatz 1 auch die Grundlage für Onlineprüfungen geschaffen, die unter Einsatz elektronischer Informations- und Kommunikationssysteme erbracht werden können.

Bereits Anfang 2021 hat die GEW in einem Brief an die Ministerin festgehalten, dass diese jüngsten Regelungen zu Onlineprüfungen an Hochschulen sehr deutlich zeigen, vor welchen Herausforderungen Hochschulen unter der Bedingung von Digitalisierung stehen: Durch die Möglichkeit, auch Dritte mit der Videoaufsicht zu beauftragen, kommen Probleme hinsichtlich der Datenweitergabe, der Datenverarbeitung und der Privatsphäre auf.

Prüfungen unter dem Vorzeichen von Überwachungs- und Überprüfungstendenzen aufzustellen, widerspricht dabei der Vorstellung von Bildung als Selbstbildung und Selbstbestimmung. Die GEW nimmt diese Vorstellungen aber als Grundlage für gute Hochschulbildung und hat entsprechende Vorschläge gemacht, wie digitale Prüfungen aussehen können: Neben finanzieller und personeller Aufstockung an Hochschulen, die in die Ausgestaltung alternativer Prüfungsformate und der Weiterentwicklung der Prüfungskultur an Hochschulen fließen sollten, hat die GEW sich vor allem dafür ausgesprochen, eine Prüfungsaufsicht sicherzustellen, die die DSGO und die Persönlichkeitsrechte der Studierenden nicht verletzt, den Prüflingen beispielsweise Prüfungsräume und Endgeräte bereitzustellen.

Leider behielt die GEW mit diesen Forderungen mehr als Recht: Denn es häuften sich die Hinweise auf datenschutzrechtlich problematische Software an einigen Hochschulen. Die Rektorinnen und Rektoren der Hochschulen des Landes mussten deshalb dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Auskunft über die datenschutzrechtlichen Grundlagen in ihren Online-Prüfungen geben. Hier warten wir gespannt auf die Auswertung durch das Ministerium.

Wie sicher kann Lehre und Lernen an Hochschulen gestaltet sein?

Mit der neuen Corona-Verordnung hat das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Öffnungsperspektive für Hochschulen so beschrieben:  Die Hochschulen können „schrittweise und verantwortungsvoll mehr Präsenz-Lehrveranstaltungen anbieten“. Das betrifft vor allem Erstsemesterveranstaltungen, praktische Übungen oder auch den Hochschulsport.

Grundsätzlich ist dieser Schritt zu begrüßen – leider werden die Hochschulen aber mit der Umsetzung einmal mehr allein gelassen und stehen oft mit dem Rücken zur Wand: Wie sind Präsenzveranstaltungen vor dem Hintergrund erhöhter Fallzahlen und Mutationsverbreitung sicher umzusetzen? Welche weiteren und langfristigen finanziellen Unterstützungen benötigen die Hochschulen, um sichere Präsenz anbieten zu können? Welche Personengruppen an Hochschulen müssen dringend in die Liste der Impfberechtigten aufgenommen werden?

Alle diese Fragen sind leider noch ungeklärt – und warten auf Antworten. Die GEW fordert hier eine Aufstockung der Landesmittel für die Digitalisierung der Hochschulen des Landes sowie flächendeckend Fortbildungsangebote für Lehrende und Lernende. Zudem erwarten wir, dass das Land die Liste der Impfberechtigten erweitert und unter anderem Lehrbeauftragten, Studierenden in praktisch-musischen Fächern sowie Mitarbeiter*innen in International Offices mit Studierendenkontakt ein entsprechendes Angebot macht.

Auch nach über einem Jahr Corona zeigt sich an den Hochschulen: Von sicheren Öffnungsstrategien kann leider noch keine Rede sein!