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Leitungszeit der SBBZ gestrichen

Vor neun Monaten wurde die Inklusion im Schulgesetz verankert. Untergesetzliche Regelungen fehlen weitgehend. Jetzt hat das Kultusministerium klargestellt, dass die Leitungen der Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) keine Leitungszeit mehr für die Begleitung der Inklusion bekommen. So werden die allgemeinen Schulen allein gelassen. Für die GEW ist das nicht akzeptabel.

Das Schulgesetz ist eindeutig formuliert. Schüler/innen mit einem festgestellten Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot (BA), die auf Wunsch der Eltern inklusiv an einer allgemeinen Schule unterrichtet werden, sind uneingeschränkt Schüler/innen dieser Schule. Sie zählen dort zum Klassenteiler, werden dort bei der Berechnung der Sachkostenzuschüsse berücksichtigt und die Schule bekommt die entsprechenden Anrechnungsstunden für die Schulleitung und das Kollegium. An der allgemeinen Schule arbeiten Sonderpädagog/innen, die für die Begleitung der Schüler/innen mit BA und die inklusiven Klassen zuständig sind. Bis das baden-württembergische Schulsystem so umgebaut ist, dass die allgemeinen Schulen die notwendigen sonderpädagogischen Ressourcen und Kompetenzen für die inklusive Beschulung haben, sind die SBBZ (früher Sonderschulen) in die Organisation und Begleitung der inklusiven Modelle eingebunden.

Die GEW hat sich seit der Novellierung des Schulgesetzes beim Kultusministerium intensiv dafür eingesetzt, dass die SBBZ für die Aufgaben im Zusammenhang mit der Inklusion die notwendigen Ressourcen bekommen. Es geht vor allem darum, dass die inklusiven Schüler/innen bei der Berechnung der Leitungszeit und bei der Ausstattung der Schulleitungsstellen („virtuelle Schülerzählung“) berücksichtigt werden. Doro Moritz hat das Problem mehrfach in direkten Gesprächen mit dem Kultusminister angesprochen. Im April hat der Hauptpersonalrat GHWRGS das KM erneut angeschrieben und um eine schnelle Klärung gebeten.
Diese Klärung liegt nun vor. Das KM hat dem HPR GHRWGS mitgeteilt, dass laut Schulgesetz die inklusiv beschulten Schüler/innen ausschließlich an der allgemeinen Schule gezählt werden. Sie stehen laut KM in keinem schulrechtlichen Verhältnis mehr mit einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum und können dort statistisch nicht abgebildet werden. Damit stellt das KM auch klar, dass die Expertise der SBBZ bei der Vorbereitung und Durchführung der inklusiven Modelle nicht mehr eingebracht werden kann.

Bisher sind die SBBZ mit vielfältigen Aufgaben in die Organisation und Begleitung der inklusiven Modelle eingebunden:
•    Die inklusiven Settings werden mit allen Schulen einer Region geplant. Dabei spielen die Bedingungen der beteiligten Schulen, die Wünsche der Eltern aber auch die Bedürfnisse der Schüler/innen eine Rolle. Die Verantwortung für die Planung liegt bei der Schulverwaltung. Die Expertise der SBBZ ist für die Planung aber unverzichtbar.
•    Die SBBZ wirken an der Auswahl der in der Inklusion eingesetzten sonderpädagogischen Lehrkräfte mit. Die Sonderpädagog/innen werden derzeit zum größten Teil für ihre Arbeit an den allgemeinen Schulen abgeordnet. Die Leitungen der SBBZ steuern die Diskussionen in den Kollegien und helfen dabei mit, Akzeptanz für den Einsatz in der Inklusion zu schaffen. Sie führen die Vorgespräche mit den Kolleg/innen, die für die Inklusion in Frage kommen und bereiten die Abordnung durch die Schulleitung vor. Sie führen in der Regel auch das vor einer Abordnung notwendige Anhörungsgespräch mit den Kolleg/innen. Schließlich tragen sie die Abordnung in ASD-BW, der elektronischen Personalverwaltung, ein.
•    Die SBBZ sind an der erstmaligen und erneuten Feststellung und der Aufhebung des sonderpädagogischen Bildungsanspruchs beteiligt. Dieser Anspruch muss durch die Schulverwaltung auf Grundlage eines sonderpädagogischen Gutachtens festgestellt werden. Dazu erteilt das SSA einen Auftrag, der über die Schulleitung des SBBZ an eine zuständige Lehrkraft weitergegeben wird, die z.B. im Sonderpädagogischen Dienst arbeitet.
•    Für die Begleitung der inklusiven Angebote beraten die SBBZ die Schulen und qualifizieren die Lehrkräfte. Sie werden bei Bedarf in Gespräche mit den Eltern der inklusiven Schüler/innen eingebunden.
•    Bei den Übergängen der Schüler/innen in andere allgemeine Schulen ist die Expertise der SBBZ erneut gefragt.
•    Nicht zuletzt achten die Leitungen der SBBZ darauf, dass der Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot nicht länger als erforderlich aufrecht-erhalten wird.
Für diese Aufgaben brauchen die Schulleitungen der SBBZ die notwendige Zeit. Deshalb sollten die an den allgemeinen Schulen inklusiv beschulten Schüler/innen bei der Ausstattung der Leitungen der SBBZ virtuell gezählt werden. Ein inklusiver Schüler, eine inklusive Schülerin löst für die Schulleiter/innen der SBBZ derzeit wesentlich mehr Aufgaben aus als ein Schüler im Stammhaus.
Durch die Schulgesetzänderung verändert sich die Rolle der SBBZ. Es ist aber für eine qualitativ hochwertige Förderung der Schüler/innen mit sonderpädagogischem Bildungsanspruch wichtig, dass es eine gemeinsame Verantwortung von allgemeiner Schule und SBBZ für die inklusiven Schüler/innen gibt. Solange die SBBZ mit in der Verantwortung für die inklusiven Schüler/innen stehen, müssen diese Schüler/innen auch bei der Berechnung der Schulleitungsstellen und der Funktionsstellenausstattung berücksichtigt werden. Das ist solange notwendig, bis in Baden-Württemberg ein inklusives Schulsystem etabliert ist, bei dem ausreichend sonderpädagogische Kompetenz in den allgemeinen Schulen verankert ist. Dafür sind noch erhebliche Anstrengungen notwendig. Nicht zuletzt muss die Landesregierung die dafür notwendigen Stellen schaffen. Derzeit hat der sonderpädagogische Bereich ein strukturelles Defizit von über 5 Prozent.

Ohne die Mitarbeit der SBBZ muss die dafür unzureichend ausgestattete Schulverwaltung die geschilderten Aufgaben übernehmen. Dies wird zu einer Verschlechterung der Qualität der inklusiven Arbeit und zu weniger Akzeptanz unter den Lehrkräften führen. Nicht zuletzt werden die allgemeinen Schulen mit dem schwierigen Prozess, sinnvolle inklusive Modelle zu etablieren, alleine gelassen.
Die Aufnahme der Inklusion in das Schulgesetz war nur der erste Schritt. Die neue grün-schwarze Landesregierung muss dafür sorgen, dass aus einem gesetzlichen Anspruch eine pädagogisch sinnvolle Praxis werden kann, bei der die Schüler/innen optimal gefördert werden. Die Lehrkräfte und Schulleitungen müssen für die neuen anspruchsvollen Aufgaben die notwendige Ausstattung und Unterstützung bekommen. Die GEW und der HPR GHWRGS werden sich dafür einsetzen, dass die Schulen die für die Inklusion erforderlichen Ressourcen erhalten.