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Macht’s die Mischung?

In den letzten Jahren wurden in Deutschland über 500.000 neue Plätze für Krippenkinder geschaffen. Jetzt ist es dringend nötig, mehr auf Qualität zu achten. Eine neue Studie zeigt, dass dabei die Altersmischung bisher zu wenig beachtet wurde.

„Kinder erfahren in altersgemischten Gruppen eine geringere Prozessqualität.“ So lautete ein Ergebnis der sogenannten NUBBEK-Studie (Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit) von 2012. Für Fachkräfte der frühkindlichen Bildung war das ein überraschendes Ergebnis. Die bisher unangefochtene Erkenntnis aus verschiedenen Studien lautet vereinfacht gesagt: Kinder lernen von Kindern unterschiedlichen Alters. Eine Altersmischung fördert die Entwicklung der Kinder. Warum sollte das jetzt nicht mehr richtig sein? Die Frage wollte auch die GEW geklärt haben und beauftragte eine vertiefende Studie, die Daten auswertete, die in der bestehenden NUBBEK-Studie nicht ausgewertet wurden. Die Befunde der Analyse liegen nun vor.

Die beiden Wissenschaftler/innen, Gabriele Haug-Schnabel und Joachim Bensel von der Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen aus Kandern stellten ihre Vertiefungsstudie bei einem GEW-Fachgespräch Mitte November vor. Sie klärten zunächst, wie altersgemischte Gruppen in der Studie definiert werden: Das klassische Kindergartenalter geht von 3 bis 6 Jahren. Zu Krippenkindern werden die Kleinsten von 0 bis 3 Jahre gezählt. Diese beiden Gruppen gelten jeweils als altershomogen. Von altersgemischten Gruppen wird hier gesprochen, wenn Kinder unter und über drei Jahren gemeinsam betreut werden. Innerhalb der altersgemischten Gruppen wird unterschieden zwischen 2- bis 6-Jährigen, der sogenannten erweiterten Altersmischung, wenn also zu den Kindergartenkindern jüngere dazukommen, die meist noch Windeln tragen, mehr Schlaf brauchen, weniger gut sprechen können, mehr Bindung benötigen usw. Eine zweite gemischte Gruppe nennt sich große Altersmischung und dazu gehören Kinder von 0 bis 6 Jahren. Geklärt werden muss vorab auch, was die erwartete „Prozessqualität“ ausmacht. Grob gesagt ist das die pädagogische Qualität, die bei den Kindern ankommt. Wie Erzieher/innen aufgrund ihrer Haltung und ihren Konzepten handeln.

Um herauszufinden, warum in der NUBBEK-Studie altershomogene Gruppen besser als altersgemischte Gruppen abschnitten, wurde in der neuen Studie drei Fragen nachgegangen: Liegt es an schlechteren Strukturen, an der Gruppenstruktur (offene oder feste Gruppen) oder muss man die Altersmischung genauer untersuchen, weil unterschiedliche Altersmischungen auch unterschiedliche Ergebnisse zeigen könnten?

„Allein die Struktur zu verbessern, reicht nicht. Der negative Einfluss der Altersmischung bleibt, auch wenn die Rahmenbedingungen berücksichtigt werden“, schilderte Bensel einen Befund. Das treffe vor allem für Kinder zu, die älter als 3 Jahre sind. Zu den untersuchten Strukturen zählten: Gruppengröße, Personalschlüssel, Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund und Berufserfahrung der Erzieher/innen. Bei Krippenkindern erklären allerdings ein unzureichender Personalschlüssel und ein höherer Anteil an Migrationskindern einen Großteil der Qualitätsunterschiede.

Eine offene Arbeitsweise in Kitas verbessert die Qualität. Am besten schneidet eine offene Arbeitsweise mit altershomogenen Gruppen ab. Wenn man die verschiedenen Formen der Altersmischungen betrachtet, entdeckt man neue Erkenntnisse: Für Krippenkinder spielt die Zusammensetzung eine besonders große Rolle. Das Kernergebnis der Vertiefungsstudie lautet: Besonders die erweiterte Altersmischung mit Kindern zwischen 2 und 6 Jahren weist vielfältige Qualitätslücken auf.

Die Forschungsgruppe hat auch geprüft, ob die Alterszusammensetzung der Kinder in der Konzeption von Kitas eine Rolle spielt und kam zu dem Schluss, dass Kitas auf die Altersmischung zu wenig Rücksicht nehmen. „Kitas müssen das Alter als Diversitätsmerkmal begreifen“ folgerte Bensel. Altersmischung müsse man als Lernumgebung begreifen und nicht als notwendiges Übel. Auch Haug-Schnabel betonte, dass es in der Praxis nicht passieren dürfe, dass Kinder, die jünger als drei Jahre alt sind, ohne konzeptionelle Änderungen in Kindergartengruppen aufgenommen werden. In ihren Beobachtungen stellte die Expertin fest, dass in altersgemischten Gruppen auf die Bedürfnisse der Krippenkinder oft zu unflexibel reagiert werde. Eine Erzieherin müsse für eine gute Entwicklung der Kinder auch in der Lage sein, unterschiedliche Bedarfe von Kindern zu erkennen und zu beantworten. Berücksichtigt werden sollten auch passende Zeiteinteilungen oder vorgezogene Mittagessen für die Jüngsten. Sie plädierte dafür, Fachkräfte entsprechend aus- und fortzubilden. Fachberatungen sollten sie bei ihrer Arbeit kontinuierlich begleiten. Aber auch Fachberater/innen müssen für Fragen rund um die Altersmischung sensibilisiert und qualifiziert werden.

Kontakt
Heike Herrmann
Referentin für Jugendhilfe und Sozialarbeit
Telefon:  0711 21030-23