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Pakt für gute Bildung und Betreuung

Mehr Geld für Kitas

Ende Juli hat Kultusministerin Susanne Eisenmann den Pakt für gute Bildung und Betreuung vorgestellt. Enthalten ist auch die Finanzierung langjähriger Forderungen der GEW. Allerdings lässt die geplante Umsetzung zu wünschen übrig.

Die GEW fürchtet, dass sich die pädagogische Arbeit in den Kitas wieder mehr nach den Anforderungen der Schulen richten soll.
Die GEW fürchtet, dass sich die pädagogische Arbeit in den Kitas wieder mehr nach den Anforderungen der Schulen richten soll. (Foto: © imago)

Nachdem der im grün-schwarzen Koalitionsvertrag angedachte „Kinderbildungspass“ (KiBiPa) vor einem Jahr auch mit Hilfe der GEW verhindert werden konnte, ist inzwischen klar, wofür die dafür vorgesehenen 84 Millionen Euro pro Jahr eingesetzt werden sollen. Ab 2019 sollen jährlich 80 Millionen Euro (im Endausbau) in den sogenannten „Pakt für gute Bildung und Betreuung“ fließen, der die Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität der frühkindlichen Bildung zum Ziel hat. Die Mittel verbleiben also – wie von der GEW gefordert – im Bereich der Kindertageseinrichtungen.

Dieser mit den kommunalen Landesverbänden, den freien Trägern und der Kindertagespflege geschmiedete Pakt regelt: Fachkräfte-Offensive, Neueinrichtung eines Instituts beziehungsweise „Forums frühkindliche Bildung“, Inklusion, Sprachförderung, Kooperation mit der Grundschule, Evaluation des Orientierungsplans und Kindertagespflege. Vereinbart wurde zudem, dass das vom Bund über das „Gute-Kita-Gesetz“ zur Verfügung gestellte Geld (circa 718 Millionen Euro bis 2022) zur Finanzierung von „Kita-Leitungszeit“ eingesetzt wird.

Fachkräfte-Offensive

Wie im Koalitionsvertrag angekündigt, soll die Zahl der Ausbildungs- beziehungsweise Schulplätze in der Praxisintegrierten Ausbildung (PIA) zum/zur staatlich anerkannten Erzieher/in um 25 Prozent ausgebaut werden. Damit dies gelingt, ist es notwendig, dass noch mehr Kita-Träger PIA-Ausbildungsplätze anbieten. Zum Anreiz sollen sie für einen befristeten Zeitraum 100 Euro Ausbildungspauschale pro Platz und Monat bekommen. Bis die Maßnahme greift, wird erwogen, die Gruppengrößen in den Kitas um zwei bis drei Kinder zu erhöhen.

Die GEW befürwortet den Ausbau der Praxisintegrierten Ausbildung, weist jedoch darauf hin, dass diese Maßnahme alleine nicht ausreicht, um den Fachkräftemangel zu beheben. Sie schlägt auch die Erhöhung der früh- und sozialpädagogischen Studienplätze vor.

Der Bildungsauftrag der Kitas leitet sich aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetz ab. Dort steht in § 22 SGB VIII :

  • (2) Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen
    1. die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern,
    2. die Familie und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen.
  • (3) Der Förderauftrag umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Er schließt die Vermittlung orientierter Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und Entwicklungsstand und den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethische Herkunft berücksichtigen.

Eine Erhöhung der Gruppengröße, wie sie viele Kita-Träger aufgrund des Fachkräftemangels derzeit fordern, lehnen wir vehement ab. Dies steht im krassen Widerspruch zum Ziel des „Pakts für gute Bildung und Betreuung“: der Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität in der frühkindlichen Bildung.

Forum frühkindliche Bildung

Da der Bereich der frühkindlichen Bildung weiter wächst und einen immer größeren Stellenwert auch im Kultusministerium einnimmt, soll ein „Forum frühkindliche Bildung“ eingerichtet werden. Das soll unter anderem für die Beratung und Begleitung der Kita-Träger sowie die Weiterentwicklung und Sicherung der Qualitätsentwicklung der Kitas nach landeseinheitlichen Standards zuständig sein. Für diese Aufgaben ist zusätzliches Personal geplant.

Die GEW setzt sich schon seit vielen Jahren für die Einrichtung eines eigenen Referats im Kultusministerium für die frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung ein. Die Einrichtung des neuen Forums ist insoweit ein Erfolg für die GEW. Unserer Auffassung nach, müssen dort Sozialpädagog/innen mit Erfahrung in Kindertageseinrichtungen eingestellt werden. Nur so ist gewährleistet, dass wissenschaftliche Erkenntnisse der Früh- und Kindheitspädagogik einfließen und der eigenständige Bildungsauftrag der Kitas gewahrt bleibt.

Unterstützung bei inklusiver Betreuung

An das neue Forum angedockt werden sollen mobile Fachdienste und Qualitätsbegleiter/innen. Deren Aufgabe ist es, die Kitas bei der Erarbeitung einer inklusiven Konzeption zu beraten und zu unterstützen sowie das Kita-Personal zu qualifizieren. Nach einer Modellphase mit anschließender Evaluation soll dieses Unterstützungssystem in allen Stadt- und Landkreisen eingerichtet werden.

Seit vielen Jahren setzt sich die GEW für mehr Zeit für Kita-Leitungen ein. Im Rahmen des Pakts für gute Bildung und Betreuung gab die Kultusministerin nun bekannt, dass sich das Land Baden-Württemberg für eine Finanzierung der Leitungszeit über das „Gute-Kita-Gesetz“ des Bundesfamilienministeriums einsetzt.

Zur Verbesserung der Kita-Qualität sollen allen Bundesländern von 2019 bis einschließlich 2022 rund 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Derzeit sind für Baden-Württemberg insgesamt 718 Millionen Euro vorgesehen. Dem aktuellen Bertelsmann-Ländermonitor zufolge steht in Baden-Württemberg noch zwölf Prozent der Kitas keine Leitungszeit zur Verfügung. Über Ausstattung nach Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung verfügen nur elf Prozent der Kitas.

Die GEW begrüßt, dass das Land in die Finanzierung der Leitungszeit einsteigen will. Diese muss jedoch auch über die Laufzeit des „Gute-Kita-Gesetzes“ hinaus sichergestellt werden.

Nach Ansicht der GEW helfen diese Maßnahmen nur oberflächlich. Um die Kitas bei der inklusiven Bildungsarbeit wirklich zu unterstützen, wäre es notwendig, zusätzliche Heilpädagogen/innen in den Kitas anzustellen, die Kindern, Kita-Fachkräften und Eltern mit ihrer Expertise vor Ort zur Seite stehen.

Kooperation Kita – Grundschule

Erfreulich ist, dass eine weitere Forderung der GEW auf den Weg gebracht wird. Für die Kooperation mit der Grundschule soll den Kitas – analog zu den Schulen – ebenfalls eine Stunde zur Verfügung gestellt werden.

Orientierungsplan ist Grundlage und Kompass

Im Koalitionsvertrag wurde ausgeführt, dass die Verbindlichkeit des Orientierungsplans in Kindertageseinrichtungen „schrittweise angestrebt“ wird. Im Pakt für gute Bildung und Betreuung wurde nun die Evaluation des Orientierungsplans vereinbart. Es „soll überprüft werden, inwieweit die Ziele und die einzelnen Handlungsfelder umgesetzt werden und inwieweit der Orientierungsplan an die aktuellen Herausforderungen angepasst werden muss.“ In die Evaluation einbezogen werden sollen auch die geplanten Maßnahmen in den Bereichen Inklusion, Sprachförderung und Kooperation zwischen Kita und Grundschule.

Die GEW fordert seit mittlerweile zehn Jahren, den Orientierungsplan für verbindlich zu erklären und die finanziellen Ressourcen dafür bereitzustellen. Inwieweit die angekündigte Evaluation dazu beitragen soll, erschließt sich derzeit nicht. Eher ist zu befürchten, dass die pädagogische Arbeit in den Kitas den Anforderungen der Schulen angepasst werden soll.

Verschulung der Kita?

Im Pakt für gute Bildung und Betreuung finden sich einige der Forderungen der GEW wieder. Jedoch wird in der Zielsetzung und Ausgestaltung der einzelnen Themenbereiche ein schulischer Blick auf die Kitas sichtbar. Darauf deutet unter anderem die Aussage der Kultusministerin hin: „Wenn wir die Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler verbessern wollen, müssen wir bereits in den Kitas ansetzen. Hier können wir Defizite ausgleichen und die Grundlage für passgenaue Bildungsbiografien legen.“ Dahinter verbirgt sich die Gefahr, dass die Kitas zu einer Art Vorschule zurückentwickelt werden, wie dies Anfang der siebziger Jahre der Fall war. Doch „Druck von oben auf die Kindertageseinrichtungen, Inhalte und Methoden der Grundschule zu übernehmen, wirken sich“ – dem OECD-Bericht „Starting Strong“ (2001) zufolge – nachteilig auf den Lernprozess kleiner Kinder aus.“ Deshalb warnt die GEW – wie auch die 4-Kirchen-Konferenz – vor einer Verschulung der Kitas.

Kontakt
Heike Herrmann
Referentin für Jugendhilfe und Sozialarbeit
Telefon:  0711 21030-23