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Lernbrücken 2021

Neuauflage besser nutzen

Schon im September 2020 hatte das Kultusministerium gegenüber den Hauptpersonalräten von ­einer „Verstetigung der Lernbrücken“ gesprochen. Die Idee einer weiteren Förderung für benachteiligte Schüler*innen in den Sommerferien begrüßt die GEW.

Eigentlich brauchen die Kinder einen Ganztag. So eine Art Sommerschule in Groß, am liebsten mit Musik.
Eigentlich brauchen die Kinder einen Ganztag. So eine Art Sommerschule in Groß, am liebsten mit Musik.

Allerdings sollte es dabei nicht nur um verpassten Lernstoff gehen, sondern soll Schüler*innen motivieren und Spaß machen.Die Lernbrücken waren 2020 in den letzten zwei Wochen der Sommerferien nach dem Plan des Kultusministeriums an den Schulen eingerichtet worden. Schüler*innen sollte die Möglichkeit geboten werden, ihre Lücken aus der Zeit der Schulschließungen und des Fernlernunterrichts zu schließen. Kinder und Jugendliche, die schlecht oder nicht erreichbar waren oder Leistungsdefizite aufwiesen, bekamen das Angebot, Unterrichtsstoff in Deutsch und Mathematik nachzuholen und somit besser vorbereitet und motiviert in das nächste Schuljahr zu starten.

Nach Angaben des Kultusministeriums (KM) waren in 1.900 allgemeinbildenden Schulen rund 4.520 Lernbrücken angeboten worden, an denen rund 53.850 Schüler*innen teilnahmen. Mehr als 6.550 Lehrpersonen kamen zum Einsatz. Eine Evaluation des KM zeichnet die Rückmeldung der Schulen zu den Lernbrücken überaus positiv. Auch von vielen Eltern kamen positive Rückmeldungen, aber es gab auch genügend kritische Elternstimmen: „Besser Lernbrücken als gar nichts. Aber was Kinder in drei Monaten versäumt haben, können sie nicht in zwei Wochen aufholen.“

Und bei drei Monaten ist es nicht geblieben. Im letzten Sommer hat wohl kaum jemand ahnen können, wie tiefgreifend die Auswirkungen der weiteren Corona-Wellen auf den Schulbetrieb sein würden. Bereits im September hatte Doro Moritz, damalige GEW-Landesvorsitzende, gefordert, die Förderressourcen für das laufende Schuljahr auszubauen und Unterstützungsangebote zu schaffen, die nicht nur in zwei Wochen Sommerferien greifen. „Wir brauchen verpflichtende zusätzliche Förderangebote, zusätzliche Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen und Schul­psy­cholog*innen, auch um das Selbstwertgefühl und die Motivation der Schüler*innen wieder aufzubauen“, so Moritz. An den Grundschulen fehlen diese Förderstunden völlig, aber auch die weiterführenden Schulen spüren enormen Nachholbedarf und fordern zusätzliche Hilfen, sei es durch pädagogische Assisten*innen, Helfer*innen, Mentor*innen oder Studierende.

Was vom Kultusministerium gut gemeint war und vor Ort mit enormem zusätzlichem Einsatz umgesetzt wurde, zeigte aber auch erhebliche organisatorische Schwächen. Der Gesamtelternbeirat vergab dafür die Note „mangelhaft“. Den Schulen wurde vom ZSL Fördermaterial versprochen. In vielen Fällen kam nichts an, nur leere Ordner oder nur Registerblätter. Das darf bei einer Neuauflage nicht wieder passieren. Die versprochenen Fördermaterialien, die didaktischen Hinweise und die Download-Angebote müssen diesmal den Kolleg*innen frühzeitig zur Verfügung stehen und verschiedene Niveaus abdecken. Nur dann können die Lehrkräfte an den Schulen auch bei der Auswahl des passenden Fördermaterials mitwirken. Sie kennen ihre Schüler*innen und deren Förderbedarf am besten. Fremde Lehrpersonen verlieren wertvolle Zeit, wenn sie die Defizite der Kinder und Jugendlichen zunächst herausfinden müssen. Überhaupt bleibt die Frage, ob sich weiterhin genügend freiwillige Lehrpersonen für die Lernbrücken in den Sommerferien gewinnen lassen. Das war in manchen Schularten schon im letzten Jahr nicht einfach und wird sich angesichts der Arbeitsbelastung an den Schulen sicher nicht verbessern.

Ob die benachteiligten Schüler*innen wirksam erreicht werden, bleibt fraglich. Etliche Schüler*innen, die angemeldet waren, sind zu den Lernbrücken erst gar nicht aufgetaucht. „Es war dann die Aufgabe der Schule, sich um diese Gruppe der verloren gegangenen Kinder zu kümmern“, berichtet die Leiterin einer Grundschule. Auch kam die Unterstützung bei den Schüler*innen nicht immer gut an. Viele fühlten sich stigmatisiert oder sogar bestraft. Während die anderen ihre Ferien hatten, mussten sie die Schulbank drücken und mit Deutsch und Mathe kämpfen.

Eine Art Sommerschule

Eine Schulleitung formuliert es treffend: „Lernbrücken sind im Moment nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Eigentlich brauchen die Kinder einen Ganztag. So eine Art Sommerschule in Groß, am liebsten mit Musik. Schön wäre eine übergeordnete, abrufbare Struktur, auf die wir zurückgreifen können.“ Das würde auch die GEW begrüßen. Wenigstens sollte aber das zusätzliche Angebot in den Sommerferien den Charakter der Sommerschulen erhalten. Die Konzeption für Sommerschulen beschreibt das Kultusministerium auf seiner ­Homepage als Chance für Schüler*innen mit ­Förderbedarf, ihre Kompetenzen bestmöglich weiterzuentwickeln. Dabei geht es gerade nicht nur um das Aufholen schulischer und sprachlicher Unsicherheiten, sondern auch um die Vermittlung überfachlicher und sozialer Kompetenzen, um die Freude am Lernen. Deswegen gehören zur Sommerschule auch spielerische und praktische ­Angebote. Für die Schüler*innen muss die Zeit, die sie zusätzlich investieren, positiv besetzt sein: Lernen und Erleben in Förder- und Freizeitangeboten, die sich ergänzen. Sonst bleibt auch im September 2021 der Eindruck, dass die Lernbrücken eine weitere große Herausforderung mit viel Arbeit für die Schulen waren, mit zweifelhaftem Erfolg.

„Wir brauchen verpflichtende zusätzliche ­Förderangebote, ­zusätzliche Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen und Schul­psy­cholog*innen, auch um das Selbstwertgefühl
und die Motivation der Schüler*innen wieder aufzubauen.“
Doro Moritz,
ehemalige GEW-Landesvorsitzende