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Grundschule

Neue Chancen in den nächsten Jahren?

Zum ersten Mal gestaltet eine grüne Kultusministerin die Bildungspolitik in Baden-Württemberg. Die Grundschullehrkräfte verbinden mit der neuen Wahlperiode die Hoffnung, dass es in ihrer Schulart endlich zu Verbesserungen kommt.

Die Grundschullehrkräfte verbinden mit der neuen Wahlperiode die Hoffnung, dass es in ihrer Schulart endlich zu Verbesserungen kommt. (Foto: © imago)
Die Grundschullehrkräfte verbinden mit der neuen Wahlperiode die Hoffnung, dass es in ihrer Schulart endlich zu Verbesserungen kommt. (Foto: © imago)

Im Koalitionsvertrag findet man unter „Neue Impulse für mehr Bildungserfolg“ konkrete Ziele wie die sozialindexbasierte Ressourcenzuweisung, die Etablierung von multiprofessionellen Teams, die Weiterentwicklung des Ganztages, die Möglichkeit der Wiedereinführung von Grundschulen mit differenzierter Leistungsmessung (ohne Ziffernnoten) und die schrittweise Einführung des Ethikunterrichtes. Das übergeordnete Ziel der grün-schwarzen Koalition ist die Entkopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg.

Aber im Landeshaushaltsplan gibt es keine Stellen und kein Geld für diese Vorhaben, von Investitionen für Ziele, die darüber hinausgehen und eine bessere Ausstattung des Primarbereichs ermöglichen würden, ganz zu schweigen. Auch im Nachtragshaushalt und in den Vorbereitungen für den Landeshaushalt, der im Herbst verabschiedet werden soll, setzt die Landesregierung keine Schwerpunkte für die Grundschule.

Die GEW hat in zahlreichen Aktionen gefordert, die Grundschulen zu stärken und allen Schüler*innen einen gelingenden Start in die Schullaufbahn zu ermöglichen.

Es ist lange bekannt: Die Grundschule ist die Schulart mit der größten Heterogenität. Die GEW fordert deshalb seit Jahren, dass die Grundschule endlich verbindliche Förderstunden in der Pflichtstundenzuweisung bekommt. Die Schulen in der Sekundarstufe haben bis zu 3,5 Stunden pro Klasse. An den Grundschulen sind es null Stunden. Sie ist die Schulart mit der geringsten Besoldung und dem höchsten Deputat der Lehrkräfte. Weil es zu wenig Studienplätze gibt, fehlen Lehrkräfte. So können die Herausforderungen des Schulalltags wie der Ganztag, die verlässliche Grundschule, die Schul- und Unterrichtsentwicklung und die Kompensation der in der Pandemie entstandenen Defizite nicht bewältigt werden.

Jahrestagung Grundschule

Im Mai fand unter Verantwortung des ZSL (Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung) und mit Beteiligung des Kultusministeriums (KM) und des IBBW (Institut für Bildungsanalysen BW) die digitale Jahrestagung Grundschule statt. Das Thema war: „Aktuelle Herausforderungen der Grundschule – Unterstützung der Schulen durch unterschiedliche Akteure“. Knapp 500 Teilnehmer*innen bekamen einen Überblick, welche Erwartungen und Unterstützungsangebote das ZSL, das KM und das IBBW für die Grundschulen haben. Alle Beteiligten betonten die besondere Bedeutung der Grundschule in der Bildungsbiografie von Schüler*innen und beteuerten, dass die Stärkung dieser Schulart in Zukunft ein zentrales Ziel sei. Hier liege der Schlüssel zum Abbau sozialer Benachteiligungen und zu mehr Bildungsgerechtigkeit.

Das ZSL hat aktuell zahlreiche Projekte im Fortbildungsbereich der Grundschule gestartet. Kernaufgabe und zentrales Ziel an den Grundschulen sind laut Thomas Riecke-Baulecke, dem Präsidenten des ZSL, der Aufbau der Basiskompetenzen der Schüler*innen in den Fächern Deutsch und Mathematik. Durch Fortbildungsangebote zur Stärkung der Fachlichkeit, für das digitale Lehren und Lernen und zum Umgang mit heterogenen Gruppen im Unterricht will das ZSL die Lehrkräfte unterstützen.

Hier einige Angebote des ZSL:

  • Grundwortschatz Deutsch für die Grundschule und Grundstufen der SBBZ
  • Lehren und Lernen mit digitalen Medien in der Grundschule
  • Demokratiebildung Grundschule
  • SINUS Profil Mathematik Grundschule
  • BISS Transfer
  • Starke Basis
  • PRIMA! Baden-Württemberg – Entdeckendes und forschendes Lernen im Sachunterricht am Beispiel Energiebildung

Zur Umsetzung dieser Angebote sucht das ZSL Fachberater*innen, die die Schulen durch regionale Lehrkräftefortbildungen unterstützen. Viele Stellen sind allerdings nicht besetzt. Ohne qualifiziertes Personal für Fortbildungen können die Ziele des ZSL nicht umgesetzt werden. Dass sich zu wenig Kolleg*innen bewerben, liegt auch daran, dass das von der GEW immer wieder angemahnte Berufsbild für die Fortbildner*innen mit entsprechender Bezahlung noch nicht umgesetzt ist.

Vier Bausteine zur Unterstützung

Das IBBW bietet vier Bausteine:

  1. Zum einen werden Instrumente zur Datenerhebung entwickelt, mit denen die Schulen Daten leichter verwalten können. Sie reichen von ASD-BW (Amtliche Schulstatistik Baden-Württemberg) als zentraler Datenbank bis zum schulbezogenen Datenblatt, Bildungsberichterstattungen und Themenheften zum Bildungsmonitoring.
  2. Der zweite Baustein umfasst die Optimierung der Digitalisierung in der Schulverwaltung und in pädagogischen Prozessen.
  3. Drittens geht es um die Erfassung und Dokumentation von Lernentwicklung. Den Lehrkräften werden dafür pädagogisch-diagnostische Verfahren zur Verfügung gestellt.
  4. Der letzte Baustein bietet auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zahlreiche Veranstaltungen an, von denen Lehrkräfte profitieren können, da hier an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis konkretes Wissen vermittelt werden soll.

Nutzen der Maßnahmen muss deutlich werden

Die Bedeutung der Kohärenz zwischen den wissenschaftlichen Instrumenten, die das IBBW mit dem Ziel der Qualitätssteigerung entwickelt, und den Konzepten, die das ZSL als Unterstützung für die geplanten Maßnahmen an den Schulen umsetzen muss, wurde an vielen Punkten deutlich. Die Arbeit an den Grundschulen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verändert. Die Aufgaben, die über die Kernaufgabe „Unterricht“ hinausgehen, wachsen stetig und viele Lehrkräfte klagen über Überlastung. Wenn Schulleitungen und Lehrkräfte nicht verstehen, welchen Nutzen sie von neuen Angeboten haben, dann werden sie diese ablehnen und nicht mittragen. Neue Ideen der Institute oder des Kultusministeriums wie Unterrichtsfeedbackbogen, schulbezogenes Datenblatt, Statusgespräche und Lernstandserhebungen werden oft eher als Last statt als nützlich empfunden. Die besten Angebote nützen nichts, wenn sie an den Schulen nicht aufgegriffen werden, weil die Zeit und damit die Bereitschaft fehlt, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

In Gesprächen mit Grundschullehrkräften wird deutlich, dass für die meisten von ihnen die Strukturen und Angebote des Qualitätskonzeptes für die Bewältigung des Schulalltages kaum eine Rolle spielen. Sie wissen nicht, was die Arbeit der Institute mit ihrer Arbeit zu tun hat. Viele Lehrkräfte kennen nicht einmal die Namen, die sich hinter ZSL und IBBW verbergen.

Die GEW hat daher in Gesprächen mit Günther Klein, dem Leiter des IBBW und Riecke-Baulecke immer wieder darauf hingewiesen, dass eine Transparenz über Organisation und inhaltliche Arbeit in den Instituten und die verständliche Kommunikation darüber mit Lehrkräften und Schulleitungen eine Grundvoraussetzung für die Akzeptanz der Maßnahmen und damit für das Gelingen des Qualitätskonzeptes sind.

Das Kultusministerium ist schließlich für die Umsetzung der Ideen verantwortlich und muss sie steuern. Die Referatsleiterin für Grundschulen und ­frühkindliche Bildung, Ilse Petilliot-Becker, betonte bei der Tagung die Bedeutung der Stärkung der Basiskompetenzen, die Chancen bei der Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschulen sowie die nötigen Unterstützungen zum Abbau der durch die Pandemie deutlich gewordenen Probleme einzelner Schüler*innen.

Verbesserungen nötig

Die GEW fordert für den Grundschulbereich, dass abseits von Sonntagsreden und Lippenbekenntnissen politische Entscheidungen für strukturelle Verbesserungen getroffen werden. Die Diagnose und Auswertung von Schüler*innenleistungen durch standardisierte Lernstandserhebungen müssen Unterstützungsmaßnahmen und Ressourcenzuweisungen auslösen. Eine sozialindexbasierte Ressourcenzuweisung würde dies ermöglichen. Wenn sie aber nur zu einer Umsteuerung führt, bei der bestehende Ressourcen verschoben werden und die einen etwas abgeben müssen, damit andere etwas bekommen, wird dies den Grundschulen nicht helfen.

Zahlreiche Maßnahmen der vergangenen Jahre müssen rückgängig gemacht werden. Die Beendigung des Schulversuchs Grundschulen ohne Noten, das Verbot der Grundschrift und die Reduktion des Fremdsprachenunterrichtes zugunsten von Förderstunden haben zu hoher Frustration bei den betroffenen Kolleg*innen geführt.

Für die Herausforderungen bei Inklusion und Heterogenität, Kooperation mit außerschulischen Institutionen, Ganztag und Integration arbeiten an den Grundschulen nicht genug Lehrkräfte und andere Fachkräfte. Die Lehrkräfte an den Grundschulen müssen zu viele Aufgaben in zu wenig Zeit bewältigen. Das zeigen auch Studien zur Arbeitsbelastung.

Die Grundschulen brauchen eine angemessene Ausstattung, um ihre Kernauftrag erfüllen zu können! Die Landesregierung und das Kultusministerium müssen für Abhilfe sorgen. Die GEW setzt sich dafür weiter ein!

Kontakt
Ricarda Kaiser
Stellvertretende Landesvorsitzende