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Raus aus der Tabuzone

Auf den Jahrestagungen der Schulsozialarbeit ging es im November 2017 in einem Workshop darum, wie Pädagog/innen Jugendliche, die lesbisch, schwul, bisexuell, trans- oder intersexuell (LSBTI) sind, unterstützen können.

In Baden-Württembergs Schulen stellen 5 bis 10 Prozent der Jugendlichen im Laufe ihrer Schulzeit fest, dass sie lesbisch, schwul, bisexuell, trans- oder intersexuell (LSBTI) sind. „Das sind ungefähr so viele wie wir Linkshänder haben, also durchschnittlich in jeder Klasse mindesten eine Person“, erklärte die Lehrerin und GEW-Aktive Ruth Schwabe in einem Workshop auf der Tagung der Schulsozialarbeit. Diese Jugendlichen hätten eine dreimal höhere Suizidgefahr als Cis-Jugendliche (cisgender werden Personen bezeichnet, deren Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt) und bräuchten dringend Ansprechpersonen in den Schulen. Pädagog/innen könnten LSBTI-Jugendliche unterstützen, indem sie Offenheit für das Thema sexuelle Identität und Gesprächsbereitschaft zeigten, vor allem in der verunsichernden Phase des Coming Out. Nach einer Berliner Studie (Matteo-Studie 2004-2008) fühlten sich nur 10 Prozent der Jugendlichen in der Schule unterstützt. LSBTI-Jugendliche müssten in allen Schulen Beachtung erfahren und bei Bedarf konsequent gestärkt werden. „Das gehört zum Auftrag der Schulen. Die Lebenswelten von diesen Jugendlichen sind in Schulen noch immer nicht sichtbar“, referierte Schwabe. Eine Untersuchung, die die GEW in Auftrag gab, bestätige, dass diese Themen nur in Biologiebüchern auftauchen.

Ruth Schwabe leitete den Workshop „Auf die Haltung kommt es an. Wie wir LSBTI-Jugendliche im Schulalltag stärken können“ zusammen mit Gerrit Bopp vom Referat Gleichstellung des Sozialministeriums und der Schulsozialarbeiterin Bastienne Pletat. Die Teilnehmenden konnten aus ihrem beruflichen Alltag berichten, Fragen einbringen und an Übungen teilnehmen. „Mir ist jetzt noch klarer, wie wichtig meine eigene Haltung als Pädagogin ist. Ich kann mich als Ansprechpartnerin anbieten und den Jugendlichen Sicherheit geben“, bilanzierte eine Schulsozialarbeiterin aus Ettlingen. Christin Grothmann berichtete: „ Eine Schülerin hat einen transsexuellen Vater, was sie ängstigt, sorgt und unsicher macht. Sie kam in ihrer Not zu mir in die Beratung. Der Workshop gab mir mehr Sicherheit und ich profitierte sehr von der Fachlichkeit der Referentinnen und den Informationen, auch was die Statistik anbelangt. Gerade in ländlichen Gegenden haben Themen wie Sexualität und Gender zu wenig Platz im Schulalltag. Nun fühle ich mich sensibilisiert und aufgerufen, zukünftig wachsamer zu sein.“

Bei einer bundesweiten Befragung des DJI (Deutsches Jugendinstitut) von 25.000 Jugendlichen kam heraus, dass LSBTI kaum ein Thema in Schulen sei, Jugendliche aber sehr wohl gerne Informationen dazu hätten. Ein weiteres Ergebnis dieser Studie: 43 Prozent der Befragten haben nie gezeigt, dass sie „schwul“ und „Schwuchtel“ als Schimpfwort empfänden, 47 Prozent haben nie zum Ausdruck gebracht, dass sie es nicht in Ordnung finden, wenn LSBTI-Jugendliche geärgert werden. Hier sind Pädagog/innen aufgefordert zu reagieren, sich zu positionieren und sich klar gegen Diskriminierung auszusprechen.
Bopp informierte über den  Aktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte, mit dem Baden-Württemberg ein Zeichen setzt gegen jede Art von Diskriminierung gegenüber LSBTI-Menschen. Der Aktionsplan soll dazu beitragen, dass Vielfalt in allen Bereichen der Gesellschaft und vor allem auch im Bildungsbereich als selbstverständlich und bereichernd erlebt wird. Das Lexikon der kleinen Unterschiede schafft Verständnis für Begriffe rund um die Lebenswelt von LSBTI-Menschen und enthält Kontaktadressen und Anlaufstellen eines landesweiten Beratungsnetzwerks.