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Rückblick auf 2020

Schulen und Kitas in Corona-Zeiten

Ein außergewöhnliches Jahr geht zu Ende. Die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein lässt Revue passieren, was wir gelernt und geschafft haben, wo Lehrkräften, Kitabeschäftigten oder Schüler*innen die Unterstützung fehlte und wie gute Bildung gelingt.

Die Sicherheit in und die Ansteckungsgefahr durch Kitas und Schulen werden von der Landesregierung ohne erkennbare Grundlage wesentlich geringer bewertet als von Wissenschaftler*innen.
Die Sicherheit in und die Ansteckungsgefahr durch Kitas und Schulen werden von der Landesregierung ohne erkennbare Grundlage wesentlich geringer bewertet als von Wissenschaftler*innen. (Foto: © imago)

Ganz besonders große Herausforderungen brachte 2020 für die Menschen, die in Kitas und Schulen arbeiten und von ihren Arbeitgebern nur sehr unzureichend geschützt werden. Besonders viel verlangte 2020 aber auch denjenigen ab, die im Gesundheitswesen arbeiten, in dem in den vergangenen Jahren viel gespart wurde und das von Tag zu Tag in dieser Pandemie mehr überlastet ist. Auch alle, die unsere Infrastruktur aufrechterhalten, sind besonders gefordert. Existenzielle Nöte birgt diese Zeit für viele Menschen aus Kultur, Gastronomie, Hotellerie und Veranstaltungs­gewerbe – und für viele Selbstständige.

In den letzten Monaten haben wir alle viel über das Virus Covid-19 gelernt. Wie sich Aerosole verbreiten, dass es sicherer ist, sich im Freien als in geschlossenen Räumen zu treffen, dass und wovor eine Mund-Nasen-Bedeckung schützt und wovor nicht, wie viel 1,50 Meter sind, wie schnell 20 Minuten um sind. Viele kennen und befolgen die Nies- und Husten-Etikette und wissen, wie lang die Hände unter warmem Wasser mit Seife gewaschen werden sollen und warum Einmal-Handtücher oder Handtuchrollen in Gemeinschaftsräumen deutlich besser sind als gemeinsame Handtücher. Es ist klar, dass zur Eindämmung der Pandemie Sozialkontakte heruntergefahren werden und dass sich alle Menschen sehr einschränken müssen. Viele haben in den letzten Monaten mehr über Erkältungssymptome, Geschmacks- und Geruchssinn gelesen als lange Jahre vorher.

Doch leider ist die Lage immer noch sehr ernst. Deutschland und Baden-Württemberg haben die Pandemie keinesfalls im Griff. Wissenschaftler*innen fordern noch vor Weihnachten einen harten Lockdown, die Bundeskanzlerin appellierte in einem emotionalen Redebeitrag am 9. Dezember im Bundestag an die Entscheidungsträger*innen, die Schulen spätestens ab dem 17. Dezember zu schließen. Die Sicherheit in und die Ansteckungsgefahr durch Kitas und Schulen werden von der Landesregierung ohne erkennbare Grundlage wesentlich geringer bewertet als von Wissenschaftler*innen des Robert Koch-Instituts (RKI), des Helmholtz-Instituts und der ­Leopoldina. Das hat die GEW mehrfach öffentlich und deutlich kritisiert.

Bildungsgerechtigkeit bleibt auf der Strecke

Die GEW ist sich mit der Landesregierung einig, dass Kitas und Schulen offen gehalten werden müssen, so lange es verantwortbar ist. Viele Kinder und Jugendliche und ihre Familien haben im Frühjahr sehr gelitten, als sie einige Monate ohne Ausweichmöglichkeiten zu viel Zeit zu Hause verbringen mussten. Oft hat es innerhalb der Familien mehr als sonst gekracht, Nerven lagen blank. Wie viele Kinder Gewalt erlebten, weiß niemand genau. Den ­ungezwungenen Kontakt mit Gleichaltrigen und die Begegnungen mit anderen Menschen außerhalb der eigenen Familie haben viele Kinder sehr vermisst.

Der ­niederschwellige Zugang zu Er­­­zie­­her*­innen, zur Schulsozialarbeit oder zu Lehrkräften fehlte vor allem den Kindern und Jugendlichen, auf die Pädagog*innen sonst ein besonderes Augenmerk haben. Bildungsinhalte blieben auf der Strecke, viele Schüler*innen hatten Schwierigkeiten, sich eine Tagesstruktur zu geben, Aufgaben gut einzuteilen und rechtzeitig und gründlich zu erledigen, bei Problemen aktiv nachzufragen oder auch einfach nur einen Platz in der Wohnung zu finden, wo einigermaßen ­ungestörtes Arbeiten möglich gewesen wäre. Die soziale Schere ging weiter auseinander, Bildungsgerechtigkeit blieb noch mehr als sonst auf der Strecke.

Die soziale Schere macht auch Lehrkräften zu schaffen. Manche Schüler*innen erhalten viel inhaltliche und emotionale Unterstützung im Elternhaus, andere keine oder viel zu wenig. Auch die unterschiedliche Ausstattung mit digitalen Endgeräten und der oft nicht ausreichende Zugang zum Internet erschwert die Arbeit. Die digitalen Endgeräte, die mit Geld vom Bund und vom Land angeschafft werden konnten, sind noch längst nicht bei allen Schüler*innen angekommen, die sie brauchen. Baden-Württemberg ist noch lange nicht auf digitales Fernlernen eingestellt.

Keine Masken für Grundschulen

Seit Ende der Sommerferien ist in allen Kitas und Schulen „Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen“ angesagt. Maskenpflicht ab Klasse 5 galt zunächst nur außerhalb des Unterrichts, seit Ende Oktober muss die Maske auch im Unterricht, aber nicht mehr auf dem Schulhof getragen werden. Lehrkräfte an weiter­führenden und beruflichen ­Schulen haben vor Weihnachten FFP2- und OP-Masken vom Land zur Verfügung gestellt bekommen. Wer sich mit diesen Masken schützen will oder muss, kann das nun tun.

Allerdings gilt dies nicht für Beschäftigte in Grundschulen und Kitas. Dort, wo kaum Abstand eingehalten werden kann, gilt keine Maskenpflicht. Damit begründet die Landesregierung, warum den Lehrkräften an diesen Schulen keine ­FFP2-Masken zur Verfügung gestellt werden. Dass ausgerechnet diejenigen, die am wenigsten verdienen, zu ihrem Eigenschutz FFP2-Masken selbst bezahlen müssen, ist ungerecht und unverantwortlich. Die Fürsorge eines Arbeitgebers für seine Mitarbeiter*innen sieht anders aus. Logisch sind die Regelungen auch nicht immer: In Grundschulen ohne Maskenpflicht sind wegen Corona Lerngänge mit den Schüler*innen nicht erlaubt, in Kitas ohne Maskenpflicht sind sie das.

In den Mühlen des Landtagswahlkampfs

Der GEW ist klar, dass der Umgang mit der Pandemie für die Politiker*innen eine große Herausforderung ist. Es ist dabei unvermeidbar, dass Entscheidungen verändert werden. Aber es drängt sich der Eindruck auf, dass die Kitas und Schulen in die Mühlen des Landtagswahlkampfs gezogen werden. Das ist nicht in Ordnung. Vor allem ist es ärgerlich, wenn Ideen mit großem Getöse in den Medien verkündet werden, die konkrete Umsetzung den Schulen aber Wochen später und teilweise anders als verkündet mitgeteilt wird. ­Beispiele dafür sind das Coronabudget oder die vorgezogenen Weihnachtsferien.

Im Interesse der Kitas und Schulen sollten die Politiker*innen ihr Interesse nach Medienberichten zügeln. Besser wäre es, wenn sie erst die Konzepte durchdenken und dann die Schulen zeitgleich mit den Medien informieren.

Die GEW fordert außer den Masken Luftreinigungsgeräte, damit es in Kitas und Schulen in den Wintermonaten durch das ständige Lüften nicht zugig und kalt ist. Der Kauf und das Aufstellen dieser Geräte hätte schon vor Monaten in die Wege geleitet werden können und müssen. Es gibt zu den Luftfiltern eine Petition der GEW Lörrach, zu der auch die GEW Baden-Württemberg aufruft.

Vor Kurzem hat die Kultusministerin eine Prämie für Schulleiter*innen angekündigt. Sie haben sich eine materielle Anerkennung verdient. Schulleitungen haben in den vergangenen Monaten unglaublich viel gearbeitet, als sie immer andere, neue Verordnungen umsetzen mussten, die oft sehr kurzfristig, gern auch am Wochenende kamen. Aber die Schulleiter*innen wissen genau, dass sie diese Aufgaben nicht alleine, sondern im Team mit den Kolleg*innen, den Sekretär*innen und anderen Personen wie den Schulsozialarbeiter*innen stemmen. Die Beschäftigten an allen Schulen und Kitas mussten mehr und anders arbeiten als gewohnt. Sie alle verdienen mehr Anerkennung als einen handschriftlichen Zusatz unter den Briefen der Kultusministerin.

Die GEW fordert nicht nur die Umsetzung der Empfehlungen des RKI, um einen sicheren Kita- und Schulbetrieb zu gewährleisten. Sie fordert auch schon sehr lange bessere ­Arbeitsbedingungen und Entlastungen für alle, die in Kitas und Schulen arbeiten. Wir erwarten mehr Entlastung für die Einrichtungs- und Schulleitungen. Die GEW plädiert dafür, dass Schulen mehr Personal bekommen, das kurzfristig aus Pädagogischen Assis­­tent*­innen und Lehramtsstudierenden bestehen kann. Mittel- und langfristig brauchen wir genügend Ausbildungs- und Studienplätze, damit der Fachkräftemangel sich nicht ­weiter verschärft. Die GEW setzt sich auch für durchgehende Doppelbesetzung in Inklusionsklassen ein. Wir fordern schon lange A 13/E 13 für alle Lehrkräfte an Grund-, Haupt- und Werkrealschulen. Das sind langjährige, immer wieder vorgebrachte Forderungen der GEW. Leider fehlt es an der Bereitschaft der Landesregierung, diese Forderungen umzusetzen.

Im März sind Landtagswahlen, die GEW wird diese Forderungen immer wieder vorbringen und dafür sorgen, dass sie gehört werden. Der Wahlkampf muss zu einem „Bildung ist mehr wert!“-Wahlkampf werden.

Kontakt
Monika Stein
Landesvorsitzende
Telefon:  0711 21030-10