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Dienstanfang an einer Gemeinschaftsschule

Teamarbeit erleichtert den Einstieg

Das Referendariat ist sehr anstrengend. Mit dem Dienstanfang nimmt die Unterrichtsverpflichtung noch einmal deutlich zu. Um bei der Umstellung zu unterstützen, hat eine Gemeinschaftsschule in Weil der Stadt ein eigenes System entwickelt.

von links: Sascha Sauter (Schulleiterin), Marie-Claire Kaletta (Teamleiterin), Uschi Wilde (GEW-Vertrauensfrau), Dori Vaidya (Dienstanfängerin) und Jasmin Christ (Lehrerin)
von links: Sascha Sauter (Schulleiterin), Marie-Claire Kaletta (Teamleiterin), Uschi Wilde (GEW-Vertrauensfrau), Dori Vaidya (Dienstanfängerin) und Jasmin Christ (Lehrerin)

Dori Vaidya hat Gymnasiallehramt studiert. An der Gemeinschaftsschule ist Vaidya gelandet, weil sie von der Schulart überzeugt ist. In ihrem ersten Jahr unterrichtet sie zwei fünfte Klassen – auf mehreren Niveaustufen, wie es für alle Lehrkräfte an einer Gemeinschaftsschule üblich ist. „Beim Einstieg unterrichten die neuen Kolleginnen und Kollegen in der Sekundarstufe immer zwei Lerngruppen parallel. Das hat bei uns Methode und schafft fachliche Synergieeffekte“, erklärt Schulleiterin Sascha Sauter. Zusätzlich entlaste das die Neuen und vermeide Vergleichsdiskussionen innerhalb der Klassenstufe, weil in der Parallel-Gruppe keine andere Lehrkraft unterrichte. „Das erleichtert den Unterricht tatsächlich“, bestätigt Dori Vaidya das Vorgehen der Schule. „Besonders hilfreich sind die direkten Erfahrungswerte, von denen dann die jeweils andere Lerngruppe unmittelbar profitiert.“

Eine weitere Stütze für die junge Lehrerin ist das Kollegium. „Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die die Schule mit aufgebaut haben, und das Unterrichtsmaterial ist für alle da“, freut sich die Dienstanfängerin. Es gebe eine echte Gemeinschaft. Auch das hat Methode. Dori Vaidya ist gemeinsam mit einem erfahrenen Lehrer für die fünfte Klassenstufe zuständig. Außerdem muss sie als Dienstanfängerin nicht die Lerngruppe mit dem Schüler mit Erziehungsproblemen übernehmen, der auf Probezeit an der Schule ist. Diese ging an den erfahrenen Kollegen. „Schüler, die in ihrem Verhalten eher schwierig sind, sind bei Anfängerinnen und Anfängern nicht so gut aufgehoben“, findet Sauter.

Die Heinrich-Steinhöwel-Gemeinschaftsschule hat sich das Motto gegeben: „Für alle da“. Das bezieht sich nicht nur auf die Schulart und die Inklusion, sondern auch auf die Menschen, die dort arbeiten. Hier hilft man sich gegenseitig. Inklusion spielt für den Berufseinstieg an der Schule eine wichtige Rolle. Die inklusive Arbeit wird von allen gelebt und ist für das Schulprofil identitätsstiftend. Belastungen, die damit einhergehen, bleiben durch die Zusammenarbeit mit dem benachbarten Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) auf einem annehmbaren Niveau. Einmal pro Woche lädt der Schulleiter des SBBZ die Lehrerinnen und Lehrer der Gemeinschaftsschule zu einer Sprechstunde ein. „Für mich ist die Inklusion eine große Herausforderung, und das Angebot der Beratung hilft mir sehr“, sagt Jasmin Christ, die seit dem aktuellen Schuljahr von der Grundschule an die Gemeinschaftsschule abgeordnet ist.

Die Grundlage für die gegenseitige Unterstützung im Kollegium bilden Teambesprechungen. Insgesamt gibt es vier Teams, die immer mindestens zwei Klassenstufen umfassen: zwei Teams in der Grundschule für die Stufen 1/2 und 3/4 sowie zwei weitere Teams in der Sekundarstufe für die Klassenstufen 5/6 und 7/8/9. Nächstes Schuljahr kommen die ersten zehnten Klassen dazu. Insgesamt umfasst das mehrheitlich junge Kollegium rund 50 Lehrerinnen und Lehrer, die 520 Schülerinnen und Schüler von Klasse 1 bis 10 auf allen Niveaustufen unterrichten.

Vier Lehrkräfte sind Teamleiter*innen. Sie verstehen sich als Gleiche unter Gleichen und haben für ihre Aufgaben eine Anrechnungsstunde zur Verfügung. „Wir übernehmen eine Vermittlungsposition zwischen Schulleitung und Kollegium. Der große Vorteil ist, dass nicht jede oder jeder mit kleinen Anliegen zur Schulleitung rennen muss. Das entlastet die Kolleginnen und Kollegen“, beschreibt Marie-Claire Kaletta ihre Funktion als Teamleiterin. Kaletta lädt zu wöchentlichen Treffen ein, die meistens in der Mittagspause zwischen 12 und 14 Uhr stattfinden, und sie legt die Tagesordnung fest. Sie tauscht sich ständig mit ihrem Team und der Schulleitung aus. „Als die Konrektorenstelle ein Jahr lang nicht besetzt war, half das Modell mit den Teams ungemein. Alle haben das als sehr entlastend empfunden“, sagt Sauter.

Verbindlichkeit und Freiräume

Die Teambesprechungen sind Teil des schuleigenen Konzepts, das sowohl Verbindlichkeit einfordert als auch Freiräume bietet. Darin sind Schulstandards – wie beispielsweise die Teamstruktur – festgeschrieben, die aus gemeinschaftlichen Überlegungen entstanden sind. Den Jungen dient das als Orientierungshilfe und erleichtert den Einstieg. Trotzdem können sie im Rahmen der Regeln die Freiräume nutzen und sich ausprobieren. Bei der Leistungsmessung beispielsweise gibt es an der Schule Zertifikate für die Schülerinnen und Schüler. Das gilt für alle Lerngruppen gleichermaßen. Der Weg dorthin kann jedoch von jeder Lehrkraft individuell festgelegt werden. Ob die Kinder und Jugendlichen das Zertifikat auf Basis einer Präsentation, eines Tests oder eines Themenhefts erlangen, ist völlig offen.

Für die Älteren im Kollegium haben die verbindlichen Einigungen im Team zunächst eine Umstellung bedeutet. „Früher gab es viel mehr Einzelkämpfertum und das Zusammenführen der unterschiedlichen Meinungen zu einer gemeinsamen Position kann manchmal sehr anstrengend sein“, findet Uschi Wilde, GEW-Vertrauensperson und eine der älteren Lehrerinnen an der Schule. „Meine pädagogische Freiheit wird manchmal hinten angestellt.“ Trotzdem will sie nicht mehr auf die Teamarbeit verzichten. Vor allem der gemeinsam entwickelte Schulstandard für Lernentwicklungsgespräche hat sie überzeugt. Diese müssen an der Gemeinschaftsschule zu zweit stattfinden, wobei die zweite Person die Protokollführung übernimmt. „Ich war am Anfang skeptisch. Nach dem ersten Gespräch wollte ich es dann nie mehr anders machen“, lobt Wilde die Teamarbeit.

Verbindlich wird die Schulkonzeption vor allem dadurch, dass sie schriftlich vorliegt und vom Kollegium im Rahmen der Gesamtlehrerkonferenz abgesegnet ist. Die Lehrerinnen und Lehrer entwickeln das Regelwerk beständig weiter. „Wir müssen den Leitfaden immer wieder erklären, verteidigen und durchsetzen. Das ist wichtig für erfolgreiches Arbeiten“, sagt Schulleiterin Sascha Sauter. Sie betont, dass Verbesserungsvorschläge jederzeit erwünscht seien und auch schon Dienstanfänger/innen eigene Ideen eingebracht hätten, die mittlerweile festgeschrieben seien. Zwei junge Lehrerinnen haben im vergangenen Schuljahr eine Idee entwickelt, wie der neue Rechtschreibrahmen im Unterricht umgesetzt werden kann. Mittlerweile ist das schuleigene Rechtschreibkonzept fester Bestandteil des sogenannten Glossars. Für die Lerngruppen 1/2 gibt es die Wörter der Woche, für 3/4 den Satz der Woche und für 5/6 den Text der Woche.

Paket mit allen Informationen der Schule

Das Glossar umfasst viele relevante Begriffe von A bis Z wie zum Beispiel Kennenlerntage, eine dreitägige Klassenfahrt ins Monbachtal in Jahrgangsstufe 5, die die Gemeinschaft fördern soll. So können sich die neuen Lehrerinnen und Lehrer bereits vor Schuljahresbeginn einen guten Überblick verschaffen, was sie an der Gemeinschaftsschule in Weil der Stadt erwartet. Das umfangreiche Paket mit allen notwendigen Informationen der Schule für den Dienstanfang bekommen sie vor den Sommerferien auf einem USB-Stick zugeschickt.

Wie sich das Schulkonzept weiterentwickelt, folgt einer demokratischen Logik. Zuerst können eigene Ideen der Lehrerinnen und Lehrer in Teamsitzungen für alle geöffnet werden. Danach entwickeln sich daraus gemeinsame Standards. Und zum Schluss kommen sie als neue Begriffe ins Glossar und sind somit für alle verbindlich. Die Schule hat auf ihrer Internetseite die Konzeption und das Glossar zur freien Einsicht eingestellt.

Obwohl der Zusammenhalt im Kollegium für alle sehr gut ist, schwingt in der täglichen Arbeit an der Gemeinschaftsschule ein Politikum latent mit. Dori Vaidya ist als studierte Gymnasiallehrerin in der Besoldungsstufe A 13. Viele ihrer älteren Kolleginnen und Kollegen verdienen aufgrund ihrer Ausbildung für eine andere Schulart nur A 12. Die Ungerechtigkeit ist zwar nicht jeden Tag Gesprächsthema im Lehrerzimmer, schwappt jedoch mit so mancher Neueinstellung wieder zu hoch.

Kontakt
Johanna Schreiber
Referentin MitgliederEntwicklung
Telefon:  0711 21030-22