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Verzicht sollte nicht infrage kommen

Vielen Schulen reicht das Geld nicht, das ihnen für die Reisekosten der Lehrkräfte bei außerunterrichtlichen Veranstaltungen zur Verfügung steht. Den Lehrkräften wird deshalb nahegelegt, auf die Reisekosten zu verzichten. Aus Sicht der GEW ist das inakzeptabel.

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Landesbeschäftigte haben laut Landesreisekostengesetz Anspruch auf Reisekostenerstattung. Das gilt für Beamt/innen und Angestellte. Wenn z.B. Schulrät/innen oder Mitarbeiter/innen des Kultusministeriums (KM) zu einer Dienstbesprechung fahren, bekommen sie ihre Reisekosten, Übernachtungskosten und Tagegeld erstattet. Niemand käme auf den Gedanken, die Teilnehmenden könnten zugunsten der notleidenden Staatskasse auf diesen Reisekostenersatz verzichten. Erst recht würde niemand wagen, sie zu einer entsprechenden Erklärung aufzufordern.


Wenn Lehrkräfte mit ihren Klassen ins Schullandheim fahren, gelten andere Regeln. Auf dem Antragsformular zur Genehmigung einer außerunterrichtlichen Veranstaltung und der damit verbundenen Dienstreise muss die Lehrkraft angeben, ob sie ganz oder teilweise auf die Reisekosten verzichten oder die volle Reisekostenerstattung in Anspruch nehmen will. Die GEW betrachtet es als eine geradezu unanständige Nötigung und Diskriminierung, dass die Lehrkräfte eine solche Erklärung unterschreiben müssen. Das wird dadurch verstärkt, dass die Lehrkräfte für außerunterrichtliche Veranstaltungen kein normales Tages- und Übernachtungsgeld erhalten, sondern nur eine niedrigere Aufwandsentschädigung.
Im Staatshaushaltsplan stehen für die Kosten der außerunterrichtlichen Veranstaltungen knapp 3 Millionen Euro zur Verfügung. Die Schulverwaltung teilt jeder Schule jährlich für das Kalenderjahr die Höhe eines „Verfügungsbetrags“ zur Abgeltung der reisekostenrechtlichen Ansprüche mit. Im Rahmen dieses „Verfügungsbetrags“ darf die Schulleitung außerunterrichtliche Veranstaltungen genehmigen. Über die grundsätzliche Prioritätensetzung an der einzelnen Schule (z.B. welche Klassen, welche Veranstaltungen zu welchen Zielen und mit welcher Dauer Vorrang erhalten) entscheidet die Gesamtlehrerkonferenz mit Zustimmung der Schulkonferenz. Dabei kann übrigens auch festgelegt werden, welche Höchstkosten für die Schüler/innen entstehen dürfen.

Sollen Lehrkräfte auf Reisekosten verzichten?
Die Mittel, die der einzelnen Schule vom Land zur Verfügung gestellt werden, reichen in der Regel nicht aus, um die Reisekosten für alle außerunterrichtlichen Veranstaltungen zu erstatten. Außerdem darf die Schule zunächst nur über 75 Prozent der Mittel verfügen und muss die Freigabe des Restbetrags abwarten. Die Schulleitung darf außerunterrichtliche Veranstaltungen jedoch auch über den Verfügungsbetrag hinaus genehmigen, sofern die Lehrkräfte ganz oder teilweise auf die Reisekosten verzichten. Deshalb müssen die Lehrkräfte erklären, ob sie die Reisekostenerstattung beantragen oder ganz oder teilweise darauf verzichten werden. Zwar müssen die Lehrkräfte auf dem Formular ausdrücklich angeben, ihnen sei bekannt, „dass ein solcher Verzicht von mir nicht erwartet wird“. Ferner betont das Kultusministerium: „Selbstverständlich wird von keiner Lehrkraft verlangt, einen solchen Verzicht zu erklären. … Es darf auf die Lehrkräfte … kein sozialer Druck ausgeübt werden, auf die ihnen nach Gesetz zustehenden Ansprüche zu verzichten. Dies gilt auch für Beschlüsse schulischer Gremien“. Der letzte Satz bezieht sich darauf, dass Lehrerkollegien teilweise Konferenzbeschlüsse mit dem Tenor fassen: „Wir verzichten alle auf einen Teil des Geldes, damit es für alle reicht“. Derartige Beschlüsse sind unzulässig und nicht bindend. Dennoch übt das KM mit den Optionen auf dem Formular einen erheblichen Druck aus: Es nötigt die Lehrkräfte zum Verzicht, weil die Veranstaltung sonst nicht stattfinden kann.

Auch tarifbeschäftigte (angestellte) Lehrkräfte müssen auf dem Formular erklären, ob sie auf ihre Reisekosten verzichten wollen. Allerdings können sie laut Bundesarbeitsgericht nicht wirksam auf zustehende Reisekosten verzichten. Sie haben Anspruch auf die volle Erstattung ihrer Reisekosten und können diese selbst dann nachträglich einfordern, wenn sie vorher eine Verzicht-erklärung abgegeben hatten.
Das KM hält als teilweise Lösung des Problems die Inanspruchnahme von Freiplätzen durch Lehrkräfte für zulässig. Die GEW sieht es hingegen als höchst problematisch an, wenn Lehrkräfte Freiplätze der Veranstalter in Anspruch nehmen, da dies als Vorteilsnahme gewertet werden kann. Die Freiplätze werden vom Veranstalter nicht aus Freundschaft vergeben, sondern sie dienen dessen Kundenpflege. Ebenso fragwürdig ist es für die GEW, wenn sich Lehrkräfte Reisekosten durch Dritte (z.B. einen Schulförderverein oder sonstige Sponsoren) ersetzen lassen. Die Unabhängigkeit der öffentlichen Verwaltung, zu der auch die Schulen gehören, wird dadurch gesichert, dass Spenden und sonstige Zuwendungen nur im engsten, genau definierten Rahmen zulässig sind. Die GEW empfiehlt, Freiplätze bedürftigen Schüler/innen zugutekommen zu lassen.

Die GEW schlägt den Schulen folgendes Vorgehen vor:
1.) Die Gesamtlehrerkonferenz beschließt, welche Veranstaltungen Priorität haben. Dieser Beschluss bedarf der Zustimmung der Schulkonferenz und kann für mehrere Jahre gelten. Das gibt Planungssicherheit und hat zugleich Aufforderungscharakter (wer eine Klasse als Klassenlehrkraft übernimmt, weiß, dass die Durchführung bestimmter Veranstaltungen die Regel ist).
2.) Jährlich reichen alle Lehrkräfte zu einem festgelegten Stichtag ihre Vorhaben mit Angabe der Kosten bei der Schulleitung ein. In einem ersten Schritt entscheidet die GLK der Schule darüber, welchen dieser Veranstaltungen im laufenden Jahr Priorität zukommt („Ranking“).
3.) Danach genehmigt die Schulleitung alle im Rahmen der Verfügungsmittel finanzierbaren Veranstaltungen.
4.) Die Schulleitung genehmigt zugleich unter Vorbehalt der Mittelzuweisung auch alle übrigen mit Reisekosten verbundenen Veranstaltungen und beantragt sofort bei der Schulverwaltung die Nachbewilligung von Mitteln. Da erfahrungsgemäß ein Teil der Schulen ihren Verfügungsrahmen nicht ausschöpft, bestehen durchaus Chancen auf Erfolg.

Was das Land nicht finanziert, findet nicht statt
Wenn außerunterrichtliche Veranstaltungen nicht finanzierbar sind und deshalb nicht genehmigt werden können, kann es aus Sicht der GEW nur eine Konsequenz geben: Was das Land nicht finanziert, findet nicht statt. Lehrkräfte und Schulleitungen sollten sich nicht zum Verzicht auf berechtigte Ansprüche nötigen und sich nicht zu Schmarotzern auf Kosten der Schüler/innen machen lassen.
In keinem Bereich der Landesverwaltung werden die Beschäftigten so schamlos genötigt, auf ihre Rechte zu verzichten, wie dies das Kultusministerium praktiziert. Die GEW verlangt nicht mehr und nicht weniger als eine anständige Behandlung der Lehrkräfte.
Die Lehrkräfte und Schulleitungen sollten den Eltern auch erklären, dass es nicht am guten Willen der Lehrkräfte liegt, wenn die eine oder andere wünschenswerte Veranstaltung nicht stattfinden kann, sondern am fehlenden Geld des Landes. Nur dies erzeugt politischen Druck und signalisiert dem Landtag, dass er die Reisekostenmittel aufstocken muss.