Die Wissenschaft hat sich schon oft mit den Belastungen des Lehrberufs, mit seinen Ursachen, Bedingungen und Folgen (z.B. Burnout) auseinandergesetzt. Schaarschmidt (2004) zufolge zeigt kein anderer Beruf vergleichbar kritische Belastungsverhältnisse auf. Vor allem die zweite Phase der Lehrerausbildung – das Referendariat – wird psychosozial als sehr belastend gesehen. Mit dem Beginn des Referendariats kommen vielfältige Anforderungen auf die Lehramtskandidaten/innen zu. Es müssen zahlreiche Kompetenzen der Bereiche Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren (Kultusministerkonferenz, 2004) erworben und erprobt werden, um die neuen Aufgaben zu bewältigen. Diese Übergangsphase von der Hochschule in die berufliche Praxis wird häufig mit dem sogenannten „Praxisschock“ beschrieben (Klusmann et al., 2012) und wird als sehr belastend beschrieben. Viele der Referendar/innen brechen den Vorbereitungsdienst ab und beenden ihre Berufslaufbahn (ebd.). Umso erstaunlicher ist es, dass sich mit dieser Thematik bislang nur sehr wenige Untersuchungen (Christ/van Dick/Wagner, 2004; Klusmann et al., 2012) befasst haben. Aus diesem Grund wurde an der Abteilung für Beratung, Klinische Psycho- logie und Gesundheitspsychologie der Pädagogischen Hochschule Freiburg eine Studie durchgeführt, welche die Merkmale und Ausprägungen psycho- sozialer Belastungen bei Lehramtsanwärtern/innen erhebt und Zusammenhänge zu deren Folgen aufzeigt (Drüge/ Schleider/Rosati, 2014). An der Studie aus 2013 nahmen 342 Referendar/innen aus den staatlichen Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung, der Lehrämter Grund- und Hauptschule, sowie des Lehramts für Realschule, in Baden-Württemberg teil. Die angehenden Lehrkräfte nahmen von Januar bis Mai 2013 an einer Onlinebefragung mit dem Messinstrument Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ, www.copsoq.de) teil und beantworteten spezifische Fragen zu ihrer Arbeit, dem Arbeitsumfeld und ihrem momentanen Gesundheitszustand. Mit dem gleichen Messinstrument wurden bereits über 54.000 Lehrkräfte in Baden-Württemberg sowie weitere Berufe untersucht (Nübling u. A., 2012). Diese Daten wurden mit denen der Referendar/innen verglichen, um Aussagen über das Maß der Belastung und der daraus resultierenden Folgen treffen zu können.
Wie bewerten die angehenden Lehrkräfte ihre beruflichen psychosozialen Belastungen?
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Referendar/innen insgesamt berufs- typische Belastungsaspekte aufweisen. So zeigen die angehenden Lehrkräf- te in der Gegenüberstellung mit den Vergleichsgruppen in den Bereiche „Anforderung“, „Soziale Beziehungen und Führung“ und „Unsicherheit des Arbeitsplatzes“ in vielen Skalen deutlich höhere Werte. Bei der Einschätzung der Anforderungen liegen die Werte aller vier Skalen in diesem Bereich bei den Referendar/ innen ausnahmslos über den Werten der Vergleichsgruppen. Höhere Werte sind dabei gleichzustellen mit erhöhten Anforderungen. Drei Skalen stechen dabei besonders hervor: die „quantitativen Anforderungen“, die „emotionalen Anforderungen“ und die „Unvereinbarkeit von Berufs- und Privatleben“. Alle drei Skalen haben einen großen Einfluss auf die psychische Gesundheit. Die starke gefühlsbezogene Belastung, die dem Lehrberuf und dem Referendariat zugeschrieben wird, kann somit durch die Ergebnisse bestätigt werden. Hingegen widerlegen die Befunde die Mutmaßung, dass sich im Lehrberuf Freizeit und Arbeitszeit besser miteinander vereinbaren lassen, als bei anderen Berufen. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei der„Unsicherheit des Arbeitsplatzes“. Die Referendar/innen sind deutlich unsicherer was ihren Arbeitsplatz anbelangt als die gleichaltrigen Vergleichsgruppen anderer Berufsbrachen. Dies ist ein deutlicher Nachteil, da eine große Sicherheit des Arbeitsplatzes Burnout-Symptomen entgegenwirkt (Nübling u.A. 2012). Bei den „soziale Beziehungen und Führung“erzielen die Anwärter/innen bei fünf der Skalen (Rollenkonflikte, Rollenklarheit, soziale Unterstützung, soziale Beziehungen und Gemeinschaftsgefühl) die schlechtesten Werte aller Vergleichsgruppen. Da sich das Ausmaß an sozialer Unterstützung positiv auf Beanspruchungsfolgen auswirkt, kann davon ausgegangen werden, dass diese positiven Einflüsse bei den angehenden Lehrkräften geringer ausfallen.
Im Bereich „sozialen Beziehungen und Führung“ weisen Referendar/innen auch auf einigen wenigen Skalen positive Werte auf: So zeigen sich bei den Skalen zu „Feedback“ und „Führungsqualität“ die besten Werte innerhalb der Gruppen und gerade die Führungsqualität zählt zu den Faktoren, die eine hohe positive Bedeutung für das psychische Wohlbefinden haben. Ebenfalls gute Werte weisen die Referendar/innen bei der Bewertung ihrer „Einfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten“ auf. Die hohen Werte dieser vier Skalen können positiv beurteilt werden. Besonders erwähnens- wert sind die Werte für die „Entwicklungsmöglichkeiten“ und die „Bedeutung der Arbeit“, die tatsächlich deutlich günstiger als bei den Vergleichsgruppen ausfallen. Diese Ergebnisse legen eine positive Einstellung zum Beruf nahe, was sich wiederum günstig auf die Gesundheit auswirkt und einen deutlichen strukturellen Vorteil gegenüber anderen Berufen darstellt. Zusammenfassend lassen sich in den meisten Berei- chen deutliche Nachteile, aber durchaus auch einige Vorteile feststellen.