Zum Inhalt springen

Guter Personalschlüssel in Kitas

Was die Zahlen wirklich aussagen

Baden-Württemberg führt auch in diesem Jahr die Statistik zum Personalschlüssel in Kitas an. Die Politik freut sich. Die Kita-Fachkräfte jedoch wundern und ärgern sich über die Ergebnisse, da die Zahlen die Realität nicht abbilden. Wie kann das sein?

Ende September 2019 wurde der neue „Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2019“ veröffentlicht. Baden-Württemberg führt auch in diesem Jahr die Statistik zum Personalschlüssel an. Die Zahlen suggerieren eine hervorragende Personalausstattung in Kitas. Dabei geht es lediglich um eine rechnerische Größe.

Jedes Jahr aktualisiert die Bertelsmann Stiftung auf Grundlage der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistiken den Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme. Seit mehreren Jahren führt Baden-Württemberg die Statistik zum Personalschlüssel an. Für Krippengruppen mit unter dreijährigen Kindern wird ein Personalschlüssel von 1 zu 3,0 errechnet, für Gruppen mit Kindern ab drei Jahren beträgt dieser 1 zu 7.

Dieser „Spitzenplatz“ wird von den politisch Verantwortlichen regelmäßig dazu genutzt, um in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, dass in den Kitas die Welt in Ordnung ist.

Die Kita-Fachkräfte jedoch wundern und ärgern sich über die Ergebnisse, da die Zahlen die Realität nicht abbilden und sie in ihrer täglichen Arbeit für mehr als die errechneten Kinder zuständig sind. Wie kann das sein? Um zu verstehen, warum der Länderreport und die tatsächliche Personalausstattung nicht zusammenpassen, muss man sich mit der Berechnungsmethode auseinandersetzen.

Das Kleingedruckte gibt Aufschluss

Laut Bertelsmann Stiftung handelt es sich beim Personalschlüssel „um eine Kennziffer, die jeweils zum 1. März eines jeden Jahres aus der amtlichen Statistik ‚Kinder und tätige Personen in Kindertageseinrichtungen‘ errechnet wird“. Der darzustellende Personalschlüssel ist dabei nur eine „rechnerische Größe“, um Grundsatzaussagen über regionale Unterschiede und im Zeitverlauf zu ermöglichen. „In der täglichen Betreuungssituation vor Ort können sich durchaus andere Bedingungen ergeben.“

Das Konstrukt des Personalschlüssels stellt laut Länderreport in erster Linie „eine entsprechende Vergleichbarkeit her, die allerdings auf einer Standardisierung einiger Rahmenbedingungen beruht – so wird insbesondere von einer täglichen Öffnungszeit der Kitas von acht Stunden ausgegangen.“

Berechnungsmethode

Zur Berechnung des Personalschlüssels wird eine von der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (AKJStat) entwickelte Methode angewandt. Um vergleichbare Werte zu erhalten, müssen mehrere Standardisierungen vorgenommen werden.

Konstruktion von Gruppentypen

Die Berechnung erfolgt auf der Basis von standardisierten Gruppen. Die Zuordnung zu einem Gruppentyp orientiert sich dabei nicht an den jeweiligen landesrechtlichen Vorgaben, sondern erfolgt primär anhand der Alterszusammensetzung der Kinder in der Gruppe zum Stichtag 1. März eines Jahres:

  • Krippengruppe: ausschließlich Kinder unter drei Jahren. (In Baden-Württemberg trifft dies auf circa 54 Prozent der Krippengruppen zu)
  • Kindergartengruppe: ausschließlich Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt. (In Baden-Württemberg: 48 Prozent)

Alle weiteren Kinder im Krippen- und Kita-Alter besuchen in Baden-Württemberg altersübergreifende Gruppen, für die ungünstigere Personalschlüssel errechnet wurden. Für Kita-Gruppen mit Zweijährigen beträgt dieser 1 zu 6,9 und für Gruppen mit allen Altersgruppen 1 zu 5,3.

Bildung von Äquivalenten

Zur Berechnung des Personalschlüssels werden sogenannte Äquivalente gebildet. Die Buchungszeiten der Kinder werden zu „Ganztagsbetreuungsäquivalenten“ sowie die Teilzeit-Arbeitszeiten der Fachkräfte zu „Vollzeitbeschäftigungsäquivalenten“ zusammengefasst und zueinander ins Verhältnis gesetzt. Die Grafik erläutert dieses Rechenkonstrukt an einem Beispiel.

Die Bertelsmann Stiftung betont ausdrücklich, dass das Betreuungsverhältnis im Alltag der Kita immer ungünstiger aussieht, da bei der Berechnung weder Vorbereitungszeiten, Teamsitzungen, Elterngespräche noch Ausfallzeiten berücksichtigt werden: „Die Verhältniszahl darf also nicht so interpretiert werden, dass zu jedem Zeitpunkt am Tag eine Fachkraft für die angegebene Anzahl an Kindern zur Verfügung steht.“ Dr. Matthias Schilling (Forschungsverbund DJI/TU) führte 2008 aus: „Eine Darstellung der realen Betreuungssituation in den Gruppen ist mit Hilfe der amtlichen Statistik nicht möglich.“ Das Konstrukt des Personalschlüssels kann somit auch keine Information über die Qualität der pädagogischen Arbeit geben.

Laut Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2019 ist für eine gute Kita-Qualität neben zahlenmäßig ausreichendem Personal auch das Qualifikationsniveau der Fachkräfte sowie die Ausstattung der Kitas mit Leitungszeit wesentlich. In beiden Kategorien landet Baden-Württemberg im Bundesvergleich auf einem der hinteren Plätze.

Kontakt
Heike Herrmann
Referentin für Jugendhilfe und Sozialarbeit
Telefon:  0711 21030-23