Zum Inhalt springen

Corona-Pandemie

Was Kitas jetzt und nach der Krise brauchen

Die Arbeit in Kindertageseinrichtungen hat sich aufgrund der Pandemie sehr verändert. Die Rahmenbedingungen wurden schlechter, die Herausforderungen sind gewachsen. Es ist höchste Zeit, ihren Wert anzuerkennen und sie besser auszustatten.

Ein Kind spielt mit Seifenblasen.
Foto: © behrchen / Photocase

Kindertageseinrichtungen hatten zu keinem Zeitpunkt der Pandemie ganz geschlossen, sie haben immer Notbetreuung angeboten, auch wenn sie nicht in allen Kitas in Anspruch genommen wurde. Gerade während des ersten Lockdowns, als die Verunsicherung neu war und alle mit einem raschen Ende der Krise rechneten, haben Eltern ihre Kinder, besonders in ländlichen Regionen, eher zuhause gelassen.

Der Zugang zur Notbetreuung war zu diesem Zeitpunkt auch enger gefasst als heute. Bedingung war, dass Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten, beide mussten am Arbeitsplatz unerlässlich sein und eine Bescheinigung des Arbeitgebers vorlegen. Bereits beim zweiten Lockdown setzte das Land Baden-Württemberg die Hürde für die Notbetreuung deutlich niedriger an. Verbessert wurde zu Recht der Zugang für Kinder, deren Wohl gefährdet ist. Zu weit gefasst erachtet die GEW hingegen die Regelung, dass Eltern, die in Präsenz oder im Homeoffice als unabkömmlich gelten, ihr(e) Kind(er) ohne einen Nachweis des Arbeitgebers in die Kita bringen können. So wurden Mitte April 2021 in vielen Einrichtungen 70 bis 80 Prozent der Kinder betreut und das, obwohl die Infektionszahlen anstiegen und Kinder von 0 bis 5 Jahren mittlerweile deutlich mehr am Infektionsgeschehen beteiligt waren.

Notbetreuung nur für die Not

Notbetreuung sollte auf Kinder und Familien in Not beschränkt werden. Auch wenn die Personalnot groß ist, muss gruppenübergreifendes Arbeiten untersagt werden. Fehlen dafür die Fachkräfte, müssen notgedrungen die Öffnungszeiten gekürzt werden.

Corona hat uns gezeigt, wie wichtig Kitas sind, nicht nur für Kinder, auch für die Eltern. Familie und Beruf scheinen nur mit geöffneten Kitas vereinbar zu sein. Deshalb müssen Kitas als systemrelevant gelten und deutlich besser finanziert werden. Die Beschäftigten müssen mehr Wertschätzung und Aufwertung erhalten, auch monetär. Eine einmalige Prämie reicht da nicht aus.

Die nächsten Tarifauseinandersetzungen rücken näher. Dann wird sich zeigen, ob uns die Arbeit der Erzieherinnen tatsächlich mehr wert ist. Die neue Grün-Schwarze-Koalition muss auch noch zeigen, wie wichtig ihr das Wohl unserer Kinder und die Arbeit in den Kitas ist.

Seit Beginn der Pandemie fordert die GEW, dass in Kitas der Schutz der Mitarbeitenden, der Kinder und ihrer Familien ganz oben stehen muss. Hier darf nicht weiter gespart werden. Nur schleppend wurden in vielen Einrichtungen die Maßnahmen für den Gesundheitsschutz angeordnet und umgesetzt. Mit Hygieneartikeln scheinen die Kitas inzwischen ausgestattet. Doch erst jüngst gab es Engpässe bei der Lieferung von Masken und dem Angebot auf Schnelltests. Grund dafür war eine Landesregelung, deren Weiterfinanzierung zu spät geklärt wurde. Die GEW hält das für unverantwortlich. Beschäftigte, Kinder und Eltern müssen sich darauf verlassen können, dass der Gesundheitsschutz in Kitas durchgängig gewährleistet ist.

Alle, Mitarbeitende und Kinder müssen regelmäßig getestet werden. Derzeit finanziert das Land allen Beschäftigten zwei Test-Kits pro Woche, die Tests für die Kinder werden je zur Hälfte vom Land und von den Kommunen getragen. Weitere Regelungen müssen rechtzeitig bedacht und geplant werden.

Viel Testen hilft, bietet aber keinen vollständigen Schutz. Es war gut, dass die Gewerkschaften sich durchsetzten und eine Impf-Priorisierung für Mitarbeitende in Kitas erwirkten. Leider konnten bisher nicht alle, die wollen, einen Impftermin ergattern. Nach Ansicht der GEW sollten, wie es in manchen Kommunen schon gemacht wird, landesweit Zeitfenster für Erzieher*innen in Impfzentren oder bei Betriebsärzt*innen ermöglicht werden. Außerdem müssen endlich Luftreinigungsgeräte und Luftfilteranlagen für Kitas finanziert werden. Selbst wenn ein Großteil der Erzieher*innen geimpft ist, bleiben die Kinder ungeschützt. Sie müssen noch lange auf Impfungen warten und tragen keine Masken.

Erzieher*innen sind nicht nur in Sorge um die eigene Gesundheit, sie sorgen sich auch um die Kinder und ihre Familien und bringen viel Verständnis für deren Situation auf. Besonders Kinder aus Familien in belasteten Lebenslagen leiden darunter, wenn sie nicht in die Kita können.

Belastungen der Kinder

Die Kinderpsychotherapeutin, Prof. Silvia Schneider, untersuchte an der Ruhr-Universität Bochum die Situation bei Kleinkindern zwischen null und zwei Jahren und stellte fest, dass etwa ein Drittel der Kinder belastet ist und mit negativen Verhaltensänderungen reagiert. Andere Kinder wiederum seien erstaunlich gesund und managten die Belastungen zusammen mit den Eltern gut. Analysen des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigen, die psychische Befindlichkeit von Kindern müsse immer im Kontext der psychischen Situation der Eltern gesehen werden. Ein Kind bewältige die Krise besser, wenn es sozial gut eingebunden sei und in einer Familie aufwachse, in der ein positives familiäres Klima herrsche. Studien zeigen, laut RKI, dass Kinder ein höheres Risiko haben, psychische Störungen zu entwickeln, wenn sie sozial benachteiligt oder die Eltern psychisch stark belastet sind.

Für Kinder sind Kitas wichtige Orte, an denen sie soziale Kontakte außerhalb der Familie leben können. Für Kinder in belasteten Situationen sind Kitas um ein Vielfaches bedeutender, für manches Kind ein Ort der Sicherheit. Diese Kinder profitierten besonders, wenn in Kitas qualifizierte Fachkräfte arbeiten, die gute pädagogische Konzepte umsetzen und ausreichend Zeit für jedes Kind haben. Und Zeit ist das, was Kitas in der Pandemie noch mehr fehlt als zuvor schon.

Fachkräfte fehlen

Es gibt nicht genug Fachkräfte. Nur etwa Dreiviertel des Kitapersonals in Baden-Württemberg war Mitte März einsatzfähig. Vor Corona beklagte die GEW vehement die Folgen des Fachkräftemangels und fordert die Politik seit Jahren zu einer wirksamen und umfassenden Fachkräfteoffensive auf. Der über mehrere Jahre vielgelobte gute Personalschlüssel in baden-württembergischen Kitas konnte bei genauem Hinschauen eben nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch hierzulande die Rahmenbedingungen unzureichend und die Fachkräfte hoch belastet waren. Mit der Einführung des Regelbetriebs unter Pandemiebedingungen im Juni 2020 verschärfte sich die Lage in den Kitas nun nochmals deutlich. So können Kita-Träger:

  • den Mindestpersonalschlüssel um 20 Prozent absenken,
  • Personen ohne Ausbildung pädagogische Fachkräfte ersetzen
  • und es sind zehn Prozent mehr Kinder in den Gruppen erlaubt.

Das heißt, eine qualifizierte Kita-Fachkraft hat viel weniger Zeit für das einzelne Kind, weil weniger Personal da ist, mehr Kinder in der Gruppe sind und sie eventuell mit einer Zusatzkraft statt einer ausgebildeten Erzieher*in im Team arbeitet und diese Kolleg*in in der Regel Anleitung braucht. Es belastet Erzieher*innen enorm, wenn wertvolle Zeit fehlt, die sie brauchen würden, um dem einzelnen Kind gerecht zu werden.

Statt immer mehr Seiteneinsteiger*innen oder verkürzt ausgebildetes Personal in die Kitas zu holen, sollte die Ausbildungsoffensive für Erzieher*innen ausgebaut werden. Wir brauchen mehr Studienplätze für Kindheitspädagog*innen und bessere Arbeitsbedingungen in Kitas, damit die gut qualifizierten Fachkräfte auch bleiben. Quereinsteiger*innen muss Weiterbildung ermöglicht werden, damit die pädagogische Qualität und ein annehmbares Gehalt sichergestellt ist.

Zusätzliche Fachexpertise

Die GEW fordert deshalb, sofort zu den Mindeststandards und Personalbemessungen zurückzukehren, die vor der Pandemie gegolten haben. Nur so können pädagogische Fachkräfte Kinder gut unterstützen und nur so lässt sich die pädagogische Qualität der Kitas als Bildungseinrichtungen halbwegs aufrechterhalten und die Abwanderung in andere Berufe vermeiden. Jetzt und nach der Krise wird mehr psychologische, logopädische und weitere Fachexpertise in Kitas gebraucht. Das Land müsste finanzielle Anreize für Kita-Träger schaffen, damit höhere Personalkosten für diese Fachexpert*innen ausgeglichen werden. Und alle Kitas brauchen kontinuierliche Fach- und Praxisberatung. Gerade jetzt in der Krise dürfen die Kita-Leitungen und Teams nicht alleine gelassen werden.

Verschiedene wissenschaftliche Studien belegen, dass Kitas für die (Weiter)Entwicklung der Qualität ein zuverlässiges Unterstützungssystem benötigen. Das bietet die Fachberatung mit Praxisbegleitung. Zusammen mit den Trägern von Kindertageseinrichtungen fordern wir, das System der Fachberatung flächendeckend und trägerübergreifend auszubauen und sicherzustellen.

Gut bewährt hat sich das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“. Das Bundesfamilienministerium bezuschusst Träger mit einer 50-Prozent-Funktionsstelle je Kita und einer halben Stelle für die zusätzliche Fachberatung, die das Team qualifiziert und begleitet. Das Programm wirkt sich nachweislich positiv auf die Sprachbildung der Kinder aus, weitet die inklusive Pädagogik aus und verbessert die Zusammenarbeit mit den Familien. Wir machen uns stark dafür, dass „Sprach-Kitas“ vom Land langfristig ausgeweitet und finanziell absichert werden!

Kitas können auch durch die Einstellung von zusätzlichem hauswirtschaftlichem und Verwaltungspersonal dauerhaft entlastet werden. Gerade Kita-Leitungen, die große Verantwortung für die gesamte Einrichtung tragen, würde es helfen, wenn sie von fachfremden, aufwendigen Verwaltungsaufgaben befreit wären. So hätten Leitungen mehr Zeit für Team-, pädagogische und konzeptionelle Entwicklungen. Die Kompetenz und das Engagement einer Kita-Leitung wirken sich maßgeblich auf die Qualität der gesamten Einrichtung und auf die Entwicklungsbedingungen und -chancen der Kinder aus.

Entlastung für Kitaleitungen

Es heißt, „auf die Leitung der Kita kommt es an“, und entsprechend gut sollten Kitaleitungen vorbereitet, fachlich begleitet und mit Zeit für ihre vielfältigen Aufgaben ausgestattet sein. Corona hat Leitungen viel abverlangt. Jetzt sind politische Entscheidungen nötig, die Leitungen entlasten, damit sie die Kinder und ihre Familien gut unterstützen können.

Corona hat uns gezeigt, dass Digitalisierung und Medienausstattung in den Kitas bisher viel zu wenig beachtet wurden. In den meisten Einrichtungen fehlen digitale Endgeräte. Während der Lockdowns konnte teilweise nur mühsam der Kontakt zu den Familien aufrechterhalten werden. Kitas brauchen dringend Investitionen in die digitale Ausstattung, damit Teambesprechungen und Fortbildungen digital durchgeführt und die pädagogische Arbeit in den Kitas mit dem Thema „Medienbildung“ erweitert werden können. Die pädagogischen Fachkräfte müssen entsprechend qualifiziert werden. Kitas brauchen dringend einen Digital-Pakt, analog den Schulen.

Kontakt
Heike Herrmann
Referentin für Jugendhilfe und Sozialarbeit
Telefon:  0711 21030-23