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GEW-Forderungen für Koalitionsvertrag

„Weiter so“ ist nicht gut genug

Die GEW fordert auch für die Bildung im Land ein gutes Klima. Für die Bildungsgewerkschaft sind die Bildungsgerechtigkeit, ein qualitativ hochwertiges Bildungssystem und gute Arbeitsbedingungen die zentralen Ziele der Bildungspolitik.

Foto: GEW / Shutterstock
Foto: GEW / Shutterstock

Für die GEW sind die Bildungsgerechtigkeit, ein qualitativ hochwertiges Bildungssystem und gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten die zentralen Ziele der Bildungspolitik. Welche Wege zu diesen Zielen führen können, zeigen uns wissenschaftliche Erkenntnisse und der Blick in die gute Praxis, innerhalb und außerhalb Deutschlands.

Das Bildungssystem muss dem gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Wandel Rechnung tragen. Auf eine globale Weltgesellschaft, eine sich immer schneller wandelnde Wirtschaft mit flexiblen Arbeitsorganisationen und auf die Ausdifferenzierung der Lebensstile kann man Kindern und Jugendlichen nicht mit den Bildungsparadigmen von gestern vorbereiten. Im Koalitionsvertrag von GRÜNEN und CDU müssen sich diese Prämissen widerspiegeln.

Frühkindliche Bildung

Die große Bedeutung der frühkindlichen Bildung wird seit Jahren immer wieder betont. Jetzt müssen Taten folgen: Es braucht eine Ausbildungsoffensive für Erzieher*innen, die Studienkapazitäten für Kindheitspädagog*innen müssen ausgebaut werden.

„Qualität ins Zentrum“, diese Überschrift des Sondierungspapiers teilen wir. Für den Bereich der frühkindlichen Bildung heißt das unter anderem: eine umgehende Rückkehr zu den Mindeststandards und Personalbemessungen, die vor den Zeiten der Pandemie gegolten haben. Zentral ist außerdem die verbindliche Umsetzung des Orientierungsplans. Grundlegend ist, das System der Fachberatung flächendeckend und trägerübergreifend auszubauen und sicherzustellen.

Zur Betreuung von Grundschulkindern muss der „Qualitätsrahmen Betreuung Baden-Württemberg“ qualitativ verbessert, gesetzlich verbindlich geregelt und finanziert werden, orientiert an den Rechten der Kinder.

(Bild: Death to the Stock Photos)

Allgemeinbildende Schulen

Die GEW begrüßt das Vorhaben einer sozialindexbasierten Ressourcenzuweisung. Hier braucht es zügig Konzepte für die Allgemeinbildenden Schulen mit dem klaren Ziel, sie noch in dieser Legislaturperiode flächendeckend umzusetzen. Die Zuweisung von zusätzlichen Poolstunden könnte künftig an die Verpflichtung zur individuellen Förderung geknüpft werden, für die die Schulen Konzepte vorlegen.

Grundschulen brauchen mehr Spielraum für pädagogische Weiterentwicklungen. Hierzu gehören zwingend Förderstunden in der Pflichtstundenzuweisung in analoger Höhe zu den Stunden in der Sekundarstufe I. Bei der Leistungsbewertung und der Methodenwahl (zum Beispiel Schreibschrift) brauchen die Grundschulen wesentlich mehr Flexibilität. Das Studium für das Lehramt Grundschule muss umgehend auf zehn Semester Studium verlängert werden.

Eine dringende Veränderung in der Sekundarstufe ist das Unterrichten und Bewerten des grundlegenden und des mittleren Niveaus in der Orientierungsstufe. Für zusätzliche Aufgaben brauchen die Schulen zusätzliche Stellen zum Beispiel für Inklusion, für verschiedene Abschlüsse, für individuelle Förderung, für Coaching. Die Umsetzung der Leitperspektiven im Bildungsplan, insbesondere „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ muss evaluiert, die Demokratiebildung gestärkt werden.

Das Instrument der regionalen Schulentwicklung muss stärker genutzt werden, um das Schulangebot zu steuern und Qualität von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II zu ermöglichen.

Der Lehrkräftemangel ist nach wie vor groß. Vor allem das strukturelle Defizit in der Sonderpädagogik muss entschlossen durch neue Stellen und eine Ausbildungsoffensive beseitigt werden. Die Verpflichtung zur Inklusion und die notwendige Förderung an den SBBZ lässt sich ansonsten nicht umsetzen. Das Zwei-Pädagog*innen-Prinzip ist für eine gelingende Inklusion unerlässlich. Die Bedeutung der Schulleitungen wird in der Corona-Krise überdeutlich. Das Konzept für die Stärkung der Schulleitungen gehört deshalb ganz nach oben auf der Prioritätenliste.

Ebenfalls überfällig ist die gesetzliche Verankerung der Ganztagsschule auch für die Sekundarstufe I. Für eine technisch solide und pädagogisch sinnvolle Digitalisierung der Schulen sollten die Kreismedienzentren in Abstimmung mit den Kommunen in eine Gesamtstrategie zur Digitalisierung schulischer Bildung einbezogen werden.

„Qualität ins Zentrum“ muss selbstverständlich das zentrale Projekt der letzten Legislaturperiode, das Qualitätskonzept, in den Blick nehmen: die bisherigen Strukturanpassungen, insbesondere am ZSL, müssen evaluiert und weiterentwickelt werden. Alle Fachberater*innen müssen eine Funktionsstelle (mindestens A 14) erhalten. Die GEW hält, mehr denn je, an ihrem Vorschlag fest, die Seminare zu pädagogisch-didaktischen Zentren umzugestalten.

Das Programm „Schutzkonzepte gegen sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ muss zügig und verbindlich umgesetzt werden.

Foto: Shutterstock / GEW

Personal

„Auf das Personal kommt es an“ – dies gilt unter Qualitätsaspekten gerade im Bildungsbereich. Mehr Leitungszeit, die Erhöhung des allgemeinen Entlastungskontingents, die Etablierung von Schulverwaltungsassistenz und Abteilungsleiter*innen beziehungsweise Konrektor*innen sind für die Qualität von Schule und Unterricht wichtig. Die Schwellenwerte für die Einrichtung dieser Stellen müssen gesenkt werden.

Die Bezahlung der angestellten Lehrkräfte muss so angehoben werden, dass sie ein vergleichbares Nettogehalt wie verbeamtete Lehrkräfte haben. Und das Befristungsunwesen und die Entlassung der befristet beschäftigten Lehrkräfte vor den Sommerferien muss beseitigt werden.

Um das derzeitige Niveau der Unterrichtsversorgung bei steigenden Schüler*innenzahlen zu sichern, um strukturelle Defizite zu beseitigen und um pädagogische Verbesserungen zu ermöglichen müssen in den kommenden Jahren neue Stellen an den Schulen geschaffen werden.

Die Erhöhung der Studienkapazitäten ist notwendig, wird jedoch den Lehrkräftemangel erst mittelfristig mildern. Die Einstellung von Gymnasiallehrkräften zur Förderung und zur Aufarbeitung der „Corona-Lücken“ kann an den Schulen schnell helfen. Für Quereinsteiger*innen und noch nicht voll qualifizierte Lehrkräfte brauchen wir Programme, die eine berufsbegleitende Qualifizierung ermöglichen. Für die Sonderpädagogik schlagen wir ein bezahltes Aufbaustudium für Lehrkräfte mit anderen Lehramtsausbildungen vor.

Schulsozialarbeit

Die GEW hält es für geboten, die Schulsozialarbeit im Koalitionsvertrag dauerhaft institutionell zu stärken und ihre Mitfinanzierung zu sichern. Eine Rückkehr zur Drittelfinanzierung der Stellen ist dafür eine wichtige Grundlage.

Die Schulsozialarbeit zeigt jeden Tag, wie wichtig sie für die Kinder und Jugendlichen ist. Jetzt ist es an der Zeit, die Kooperation mit den Schulen zu sichern und solide, nachhaltige Präventions- und
Interventionskonzepte zum Schutz der Kinder vor allen Formen von menschenfeindlicher Gewalt und zur Förderung von demokratischen Lebensgemeinschaften zu sichern.

Eine Lehrerin gibt Sprachförderunterricht an einer beruflichen Schule.
Foto: © imago

Berufliche Schulen

Das strukturelle Unterrichtsdefizit an den beruflichen Schulen muss in dieser Legislaturperiode endlich abgebaut werden. Dafür sind in den nächsten fünf Jahren jeweils 200 zusätzliche Stellen notwendig.

Bei wachsenden Anforderungen stehen immer weniger Anrechnungsstunden für Schul- und Qualitätsentwicklung zur Verfügung. Deshalb müssen die Kürzungen der Anrechnungsstunden zurückgenommen werden. Zur Qualitätsverbesserung schlagen wir die Einrichtung eines „Innovationspools“ vor, über den die Schulen verfügen können.

Die Koalitionspartner sollten sich zügig auf Sondermaßnahmen zur Gewinnung von Fachkräften für die Beruflichen Schulen verständigen. Dazu gehören unter anderem die Ausweitung des Direkteinstiegs sowie eine Ausweitung der Kapazitäten an Studienplätzen in den Mangelfächern.

Die Mittel für die Maßnahmen der Enquete „Fit für die Wissensgesellschaft, Berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ sollten auch in der kommenden Legislatur unverändert bereitgestellt werden.

Eines besonderen Augenmerks bedarf die Stabilisierung der Berufsausbildung. Die Option BQ-dual ist dafür ein gutes Instrument und sollte jetzt angewendet werden. Zur Sicherung der Qualität der Berufsausbildung ist außerdem die Ausweitung des Berufsschulunterrichts eine wirksame Maßnahme. Die beruflichen Schulen bilden in der Berufsausbildung die Realitäten der Arbeitswelt ab. Hierzu benötigen sie eine Ausstattung mit professioneller Hard- und Software, die den berufs- beziehungsweise berufsfeldspezifischen Anforderungen entspricht, um eine qualifizierte Ausbildung zu gewährleisten.

Foto: Pixabay.com / CC0
Foto: Pixabay.com / CC0

Hochschulpolitik

Für die GEW sind Verbesserungen in der Lehrer*innenbildung ein zentrales Projekt der kommenden fünf Jahre. Wir halten es für notwendig, den aktuellen Stand der Schools of Education zu reflektieren und durch Nachsteuerung, ein Qualitätsmanagement sowie einer strukturellen Absicherung im Landeshochschulgesetz zu verbessern.

Im Landeshochschulgesetz müssen die Rechte der Promovierenden gestärkt werden. Uns geht es hier vor allem darum, allen Promovierenden die gleichen Rechte zu geben, nicht nur den immatrikulierten.

Dauerstellen für Daueraufgaben einrichten! Die zukünftige Landesregierung muss jetzt endlich die Arbeitsbedingungen in den Blick nehmen und gemeinsam mit den Personalvertretungen und Gewerkschaften sowie den Hochschulleitungen gute und verbindliche Rahmenvorgaben abstimmen. Das Befristungsunwesen muss im Bereich der Daueraufgaben endlich beendet werden.

Weiterbildung und Erwachsenenbildung

Lernen und Arbeiten in der Erwachsenen- und Weiterbildung muss gesellschaftlich verantwortungsvoller geregelt werden. Das geht nicht ohne eine gute finanzielle Ausstattung über den Landeshaushalt bei der Bezuschussung der antragsberechtigten Träger. Dringend geboten ist ein Umdenken bei der Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse: Tarifbindung und die institutionelle Absicherung müssen auch in der Erwachsenenbildung Einzug halten.

Regel- und Projektförderung mit Landesmitteln darf nur noch erteilt werden, wenn die Bezahlung bei den geförderten Trägern mindestens den Anforderungen des Mindestlohnes in der Weiterbildung entspricht.

Wir erwarten von der zukünftigen Landesregierung den vollständigen Erhalt der Bildungszeit und eine Ausweitung des Anspruchs auf alle Beschäftigten.

Kontakt
Michael Hirn
Stellvertretender Landesvorsitzender und verantwortlicher Redakteur der b&w