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„Wir haben viel zusammen gelacht“

Die syrischen Asylbewerber Nabil Hayatleh und Rami Matar verbrachten einen fröhlichen Tag mit Gemeinschaftsschülern der Heinrich-Schickhardt Schule. Frühstück, Fußball und vor allem Reden standen auf dem Programm. Eine gute Gelegenheit, Vorurteile abzubauen.

„Die Frau am Athener Flughafenhafen hat den Kopf geschüttelt und gesagt, dass der Pass gefälscht ist“, erzählt Nabil Hayatleh. Fünf Sechstklässler sitzen um ihn herum. Mit gebannten Gesichtern folgen sie seiner Fluchtgeschichte. Sie haben gehört, wie er seine Heimatstadt Damaskus verlassen musste, weil er den Militärdienst verweigert hat. Sie haben mit ihm die türkische Grenze überwunden. Sie haben mit ihm im überfüllten Schlepperboot die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland erlebt. Sie haben gehört, wie er aus lauter Verzweiflung für viel Geld einen gefälschten italienischen Pass gekauft hat. Und jetzt sind sie dabei, wie er am Flughafen in Athen bei der Ausreise scheitert.
Die Frau habe die Polizei gerufen. Sie habe ihm nicht geglaubt, dass er Italiener sei. Er habe alle italienischen Wörter gesagt, die er kenne. „In dem Ausweis stand, dass ich in Napoli geboren bin“, erzählt Hayatleh. Der Polizist habe ihm eine Landkarte vorgelegt. „Italien habe ich gefunden“, lacht er, „aber als der Polizist gefragt hat, wo Napoli ist, da musste ich aufgeben.“ Und dann lachen sie alle zusammen. Ein Schüler holt einen Atlas und zeigt ihm, wo die Stadt Napoli liegt.


Dann beugen sie sich zusammen über den Atlas und Nabil zeigt, wie er nach Deutschland gekommen ist. Von der Türkei ist er über die Balkanstaaten und Ungarn nach Österreich gekommen. „Oft zu Fuß, manchmal per Anhalter mit dem Auto“, berichtet er. Die Schüler/innen staunen. Und so sei er über Karlsruhe nach Weilheim gekommen. Und er fühle sich wohl dort. Begleitet wurden die beiden jungen Männer von Silvia Stubbe vom Asylkreis Weilheim. „Dieser Austausch“, meint sie, „ist unglaublich wichtig, für beide Seiten.“


„Wir haben viel zusammen gelacht“, erzählt die Sechstklässlerin Susanna. Die Lerngruppe hatte in Klein-Gruppen verschiedene Gesprächsthemen vorbereitet. Es ging ihnen um das Herkunftsland der Flüchtlinge, um ihren Fluchtweg, um das Asylverfahren und ihre Situation in Deutschland. Schüler/innen und Asylbewerber/innen verständigten sich hauptsächlich in einer Mischung aus Deutsch und Englisch, sowie Händen und Füßen. „Ich hätte ja gedacht, dass die Verständigung schwieriger wird, aber es hat gut geklappt“, freut sich die Schülerin Shanice nachher. „Ich habe herausgefunden, dass die Flüchtlinge eigentlich genau so sind wie wir, dass es ihnen aber nicht so gut geht wie uns“, sagt sie ernst. „Genau“, ergänzt ihre Klassenkameradin Debora, „sie brauchen unsere Hilfe, in Deutschland geht es ihnen einfach besser.“ Gemeinsamkeiten entdeckten Flüchtlinge und Schüler/innen oft ganz unerwartet. „Ich fand es cool, dass Nabil auch FC-Barcelona-Fan ist, da konnten wir ein bisschen fachsimpeln“, lacht Tiziana.


Sehr betroffen reagierten die Kinder auf die Erzählungen aus den Kriegsgebieten. Rami Matar ist aus der schwer umkämpften Stadt Aleppo geflüchtet. Und sie sind erschüttert davon, wie gnadenlos  Schlepper die Situation der Flüchtlinge ausnutzten. Matar hatte ihnen berichtet, dass er über 9.000 Dollar habe ausgeben müssen für seine Flucht. Fast alles, was er besessen habe.
„Am Anfang dachte ich, dass die Flüchtlinge nur wegen des Geldes zu uns nach Deutschland kommen“, meint ein Sechstklässler, „aber jetzt weiß ich, sie kommen wegen der Bomben.“
„Es ist wesentlich besser, miteinander zu reden als übereinander“, findet Schulleiter Thomas Schnell. Mit den Besuchen der Flüchtlinge an der Schule hätten die Kinder ein sehr authentisches Erfahrungsfeld gehabt. „So werden Haltungen auf- und Vorurteile abgebaut, das konnte ich im Nachgespräch mit einzelnen Schülerinnen und Schülern deutlich spüren“, berichtet Schnell. Er sei dankbar, Kollegen zu haben, die solche Begegnungen möglich machten.


Er möge das Leben in Deutschland, meint Nabil Hayatleh. Auch das Essen. Nur eines verstehe er nicht. „Manchmal“, sagt er nachdenklich, „habe ich das Gefühl, dass die Leute Angst vor uns haben.“ Da schütteln die Sechser ungläubig den Kopf. Das können sie sich gar nicht vorstellen. Sie frühstückten erstmal ausgiebig mit den beiden Gästen. Und später wurde noch Fußball gespielt.