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Zwischen Innovation und Konkurrenz

310 öffentliche und private Gemeinschaftsschulen gibt es nach der diesjährigen, sechsten Antragsrunde in Baden-Württemberg. Nur fünf neue Gemeinschaftsschulen kommen zum Schuljahr 2017/18 hinzu. Ziel ist, dass die Schulen groß genug sind und bleiben, damit sie ihren Auftrag gut erfüllen können.

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Nach wie vor entstehen Gemeinschaftsschulen (GMS) vor allem aus Haupt- und Werkrealschulen (267). Weitere 38 GMS sind aus Realschulen hervorgegangen oder werden im Verbund mit einer Realschule geführt. Daneben gibt es noch Sonderfälle wie Neugründungen oder eine auf der Grundschule aufbauende GMS.
Im Zuge der aktuellen Debatte über Qualität gerät die Schulgröße zunehmend in den Blick. Zwar lässt sich für eine „gute Schule“ kein exakter Mindest-SchülerWert angeben, aber für die Tragfähigkeit und für die notwendigen Ressourcen zur Erfüllung des anspruchsvollen Konzepts einer Schulform mit Ganztag, Inklusion und einem breiten Bildungsangebot mit allen Niveaus ist unbestritten eine gewisse Größe unabdingbar.
Dies war auch bei der Einführung der GMS eine wichtige Frage. Deshalb wurde die Zahl 40 als notwendige Mindestschülerzahl bei der Prognose und damit auch bei der Genehmigung zugrunde gelegt. Man geht davon aus, dass mit 40 Schüler/innen eine Schule in der Sekundarstufe I tragfähig und auf Dauer stabil ist (vgl. Bargel/Bargel 2010: Aufbruch statt Abriss. Gutachten zur regionalen Schulentwicklung in Baden-Württemberg). Schaut man sich die Anmeldungen im Schuljahr 2016/17 an, zeigt sich eine immense Bandbreite bei den Anmeldezahlen: Die größte GMS in Baden-Württemberg, die Gebhardschule in Konstanz, ist sechszügig, die kleinsten GMS haben Anmeldezahlen zwischen 13 und 20 Schüler/innen. Nach dem Gesetz zur regionalen Schulentwicklung wird eine weiterführende Schule geschlossen, wenn sie zwei Schuljahre hintereinander weniger als 16 Anmeldungen in Klasse 5 hat. Dies traf auf keine GMS zu. Müssten die GMS jedoch die Mindestschülerzahl von 40 auch in den Folgejahren erfüllen, könnten dies nur 169 GMS leisten. Dies ist allerdings eine sehr grobe Berechnung, da nur die Anmeldungen eines Schuljahres und die scharfe Grenze von 40 zugrunde gelegt wird.

Um die Tragfähigkeit und die künftige Stabilität zu bewerten, muss man die Entwicklung der GMS über die Jahre anschauen und prüfen: Sind die Anmeldezahlen stabil, sinken sie oder nehmen sie zu? Und auf welchem Niveau findet diese Entwicklung statt? Kombiniert man diese Parameter, ergibt sich ein differenziertes Bild. Für die Berechnung des so definierten Stabilitätspotenzials wurde folgendes Bewertungsschema zugrunde gelegt:
Die Grafik 1 zeigt, dass unter diesen Annahmen – 40 und mehr Anmeldungen und eine Abnahme von 20 Prozent und mehr bei Anmeldungen zwischen dem ersten und letzten Schuljahr – 42 GMS eine sehr schwierige und weitere 58 eine eher schwierige Perspektive haben. Auf der anderen Seite sind es aber 49 GMS mit sehr guter und 83 GMS mit guter Perspektive. Bei knapp 40 GMS ist die Perspektive uneinheitlich.
Letztlich muss man jede Schule einzeln betrachten. Dazu ein Beispiel: Die große Gebhardschule in Konstanz wird in dieser Matrix nur mit „positiv“ bewertet, weil sie mit sechs Zügen ohnehin schon am Limit ist und keinesfalls weiter steigende Anmeldezahlen verkraften könnte. Andererseits gibt es Schulen, die mit sehr niedrigen Anmeldezahlen starten, diese jedoch langsam, aber stetig von Schuljahr zu Schuljahr steigern. Wir haben es insgesamt also mit einer großen Bandbreite an Entwicklungsverläufen zu tun, die unterschiedliche Auswirkungen auf die künftige Tragfähigkeit und auch auf die Akzeptanz der jeweiligen GMS haben. Nicht nur GMS, auch andere weiterführende Schulen sind sehr unterschiedlich groß, obgleich sich an Realschulen und Gymnasien das Problem der Einzügigkeit nur in Ausnahmefällen stellt (vgl. hierzu die Landtagsdrucksache 16 /1254.)

Die Debatte um die Oberstufe

Die Oberstufe für GMS ist trotz der eindeutigen gesetzlichen Lage in der Diskussion. Laut Schulgesetz kann eine GMS bzw. der Schulträger eine Oberstufe beantragen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Grundsätzlich gilt hier – wie für alle Gymnasien –, dass eine Mindestschülerzahl von 60 prognostiziert werden muss. Zur Errechnung dieser Prognose werden alle Schüler/innen der Schule, die auf E-Niveau lernen, und für die der Schulträger den Antrag stellt und Schüler/innen der umliegenden Schulen (andere GMS, RS) einbezogen. Außerdem wird der Bedarf bewertet. Hier spielt eine Rolle, wie sich das Schulangebot der Sekundarstufe II in der Raumschaft darstellt (zur Berechnungsbasis der Prognose gibt es eine Handreichung des KM). Für die meisten GMS kommt aufgrund der Größe keine eigene Oberstufe in Betracht. Allerdings können nah beieinander liegenden GMS gemeinsam eine Oberstufe bilden. Vermutlich wird der Übergang von Gemeinschaftsschüler/innen an ein berufliches Gymnasium häufig der Fall sein.

Immer wird gefordert, dass das berufliche Gymnasium als bestens etablierte Schulart der Sekundarstufe II eine Oberstufe an GMS unnötig mache. Die beruflichen Gymnasien bieten selbstverständlich eine hervorragend Anschlussmöglichkeit für Gemeinschaftsschüler/innen. Allerdings ist der Bildungsauftrag der GMS so angelegt, dass das Abitur als ein Bildungsabschluss vorgesehen ist. Warum sollte man Schüler/innen an großen GMS oder an mehreren nah beieinander liegenden GMS den bruchlosen Übergang verwehren? Man stelle sich vor, kleine, knapp zweizügige Gymnasien, würden ihre Oberstufe abgesprochen, weil ein berufliches Gymnasium in der Nähe ist und man sich deshalb die Oberstufe sparen könne. Niemand fände das akzeptabel, zu Recht. Aber dies muss auch für die GMS gelten. Wer GMS mittelfristig nicht zu Restschulen degradieren, sondern sie als starke Schulart der zweiten Säule etablieren will, muss die Oberstufe dort, wo sie nach den Prognosekriterien möglich ist, auch umsetzen.

Die GEW hält es für hochgradig fahrlässig, dass die Koalition aus Grünen und CDU das Ziel einer zweiten Säule nicht (mehr) offensiv verfolgt. Wissenschaft und GEW sind sich einig, dass das derzeit extrem fragmentierte Schulsystem der Bildungsgerechtigkeit schadet. Außerdem wird sich dann in nur wenigen Jahren die Frage des regionalen Schulangebots erneut und dann in aller Schärfe stellen.  schulen (GMS) vor allem aus Haupt- und Werkrealschulen (267). Weitere 38 GMS sind aus Realschulen hervorgegangen oder werden im Verbund mit einer Realschule geführt. Daneben gibt es noch Sonderfälle wie Neugründungen oder eine auf der Grundschule aufbauende GMS.Im Zuge der aktuellen Debatte über Qualität gerät die Schulgröße zunehmend in den Blick. Zwar lässt sich für eine „gute Schule“ kein exakter Mindest-SchülerWert angeben, aber für die Tragfähigkeit und für die notwendigen Ressourcen zur Erfüllung des anspruchsvollen Konzepts einer Schulform mit Ganztag, Inklusion und einem breiten Bildungsangebot mit allen Niveaus ist unbestritten eine gewisse Größe unabdingbar.

Dies war auch bei der Einführung der GMS eine wichtige Frage. Deshalb wurde die Zahl 40 als notwendige Mindestschülerzahl bei der Prognose und damit auch bei der Genehmigung zugrunde gelegt. Man geht davon aus, dass mit 40 Schüler/innen eine Schule in der Sekundarstufe I tragfähig und auf Dauer stabil ist (vgl. Bargel/Bargel 2010: Aufbruch statt Abriss. Gutachten zur regionalen Schulentwicklung in Baden-Württemberg). Schaut man sich die Anmeldungen im Schuljahr 2016/17 an, zeigt sich eine immense Bandbreite bei den Anmeldezahlen: Die größte GMS in Baden-Württemberg, die Gebhardschule in Konstanz, ist sechszügig, die kleinsten GMS haben Anmeldezahlen zwischen 13 und 20 Schüler/innen. Nach dem Gesetz zur regionalen Schulentwicklung wird eine weiterführende Schule geschlossen, wenn sie zwei Schuljahre hintereinander weniger als 16 Anmeldungen in Klasse 5 hat. Dies traf auf keine GMS zu. Müssten die GMS jedoch die Mindestschülerzahl von 40 auch in den Folgejahren erfüllen, könnten dies nur 169 GMS leisten. Dies ist allerdings eine sehr grobe Berechnung, da nur die Anmeldungen eines Schuljahres und die scharfe Grenze von 40 zugrunde gelegt wird.

Um die Tragfähigkeit und die künftige Stabilität zu bewerten, muss man die Entwicklung der GMS über die Jahre anschauen und prüfen: Sind die Anmeldezahlen stabil, sinken sie oder nehmen sie zu? Und auf welchem Niveau findet diese Entwicklung statt? Kombiniert man diese Parameter, ergibt sich ein differenziertes Bild. Für die Berechnung des so definierten Stabilitätspotenzials wurde folgendes Bewertungsschema zugrunde gelegt:
Die Grafik 1 zeigt, dass unter diesen Annahmen – 40 und mehr Anmeldungen und eine Abnahme von 20 Prozent und mehr bei Anmeldungen zwischen dem ersten und letzten Schuljahr – 42 GMS eine sehr schwierige und weitere 58 eine eher schwierige Perspektive haben. Auf der anderen Seite sind es aber 49 GMS mit sehr guter und 83 GMS mit guter Perspektive. Bei knapp 40 GMS ist die Perspektive uneinheitlich.
Letztlich muss man jede Schule einzeln betrachten. Dazu ein Beispiel: Die große Gebhardschule in Konstanz wird in dieser Matrix nur mit „positiv“ bewertet, weil sie mit sechs Zügen ohnehin schon am Limit ist und keinesfalls weiter steigende Anmeldezahlen verkraften könnte. Andererseits gibt es Schulen, die mit sehr niedrigen Anmeldezahlen starten, diese jedoch langsam, aber stetig von Schuljahr zu Schuljahr steigern. Wir haben es insgesamt also mit einer großen Bandbreite an Entwicklungsverläufen zu tun, die unterschiedliche Auswirkungen auf die künftige Tragfähigkeit und auch auf die Akzeptanz der jeweiligen GMS haben. Nicht nur GMS, auch andere weiterführende Schulen sind sehr unterschiedlich groß, obgleich sich an Realschulen und Gymnasien das Problem der Einzügigkeit nur in Ausnahmefällen stellt (vgl. hierzu die Landtagsdrucksache 16 /1254.)

Die Debatte um die Oberstufe

Die Oberstufe für GMS ist trotz der eindeutigen gesetzlichen Lage in der Diskussion. Laut Schulgesetz kann eine GMS bzw. der Schulträger eine Oberstufe beantragen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Grundsätzlich gilt hier – wie für alle Gymnasien –, dass eine Mindestschülerzahl von 60 prognostiziert werden muss. Zur Errechnung dieser Prognose werden alle Schüler/innen der Schule, die auf E-Niveau lernen, und für die der Schulträger den Antrag stellt und Schüler/innen der umliegenden Schulen (andere GMS, RS) einbezogen. Außerdem wird der Bedarf bewertet. Hier spielt eine Rolle, wie sich das Schulangebot der Sekundarstufe II in der Raumschaft darstellt (zur Berechnungsbasis der Prognose gibt es eine Handreichung des KM). Für die meisten GMS kommt aufgrund der Größe keine eigene Oberstufe in Betracht. Allerdings können nah beieinander liegenden GMS gemeinsam eine Oberstufe bilden. Vermutlich wird der Übergang von Gemeinschaftsschüler/innen an ein berufliches Gymnasium häufig der Fall sein.

Immer wird gefordert, dass das berufliche Gymnasium als bestens etablierte Schulart der Sekundarstufe II eine Oberstufe an GMS unnötig mache. Die beruflichen Gymnasien bieten selbstverständlich eine hervorragend Anschlussmöglichkeit für Gemeinschaftsschüler/innen. Allerdings ist der Bildungsauftrag der GMS so angelegt, dass das Abitur als ein Bildungsabschluss vorgesehen ist. Warum sollte man Schüler/innen an großen GMS oder an mehreren nah beieinander liegenden GMS den bruchlosen Übergang verwehren? Man stelle sich vor, kleine, knapp zweizügige Gymnasien, würden ihre Oberstufe abgesprochen, weil ein berufliches Gymnasium in der Nähe ist und man sich deshalb die Oberstufe sparen könne. Niemand fände das akzeptabel, zu Recht. Aber dies muss auch für die GMS gelten. Wer GMS mittelfristig nicht zu Restschulen degradieren, sondern sie als starke Schulart der zweiten Säule etablieren will, muss die Oberstufe dort, wo sie nach den Prognosekriterien möglich ist, auch umsetzen.

Die GEW hält es für hochgradig fahrlässig, dass die Koalition aus Grünen und CDU das Ziel einer zweiten Säule nicht (mehr) offensiv verfolgt. Wissenschaft und GEW sind sich einig, dass das derzeit extrem fragmentierte Schulsystem der Bildungsgerechtigkeit schadet. Außerdem wird sich dann in nur wenigen Jahren die Frage des regionalen Schulangebots erneut und dann in aller Schärfe stellen.