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Vertrauensleute- und Personalrätekonferenz der GEW

Position beziehen gegen Ausgrenzung und für Vielfalt

Vertrauensleute und Personalräte haben bei der GEW-Konferenz in Freiburg darüber gesprochen, wie Lehrerinnen und Lehrer mit rechter Hetze und Diskriminierung im Klassenzimmer umgehen können.

Lena-Katharina Schmitt (links) und Phoebe Thiele (rechts) vom „Netzwerk für Demokratie und Courage Baden-Württemberg“ referieren über die Wirkung von Gruppenbildungen. (Foto: © Thomas Goebel)
Lena-Katharina Schmitt (links) und Phoebe Thiele (rechts) vom „Netzwerk für Demokratie und Courage Baden-Württemberg“ referieren über die Wirkung von Gruppenbildungen. (Foto: © Thomas Goebel)

Zwei Schüler streiten in der Klasse. „Du bist echt voll schwul“, ruft einer dem anderen zu – und meint das als Beschimpfung. Wie kann die Lehrerin, der Lehrer darauf reagieren? Eine Schülerin hetzt gegen Flüchtlinge. Oder ein Kollege reagiert auf die Schilderung eines rassistischen Vorfalls im Schulhof nur mit dem Satz: „Stell Dich nicht so an!“ Was soll, was darf man in solchen Situationen tun?

„Fächer zu unterrichten, ist nur ein Teil unserer beruflichen Tätigkeit“, sagte Doro Moritz: „Wir haben einen weiteren Auftrag. Als klare Demokratinnen und Demokraten müssen wir die Werte des Grundgesetzes hochhalten.“ Die GEW-Landesvorsitzende war am 1. Oktober nach Freiburg zur Konferenz für Vertrauensleute und Personalräte an Schulen in Südbaden gekommen. „Was tun bei rechter Hetze im Klassenzimmer?“ hieß der inhaltliche Schwerpunkt des Tages. „Mein Eindruck ist, dass fremdenfeindliche Aussagen salonfähiger werden“, erklärte die Bezirksvorsitzende Sandrina Vogt.

In den Schulen gegen Ausgrenzung und für Vielfalt Position zu beziehen, verletze nicht das Neutralitätsgebot, so Moritz, im Gegenteil: „Die Gesetze verpflichten uns als Lehrerinnen und Lehrer sogar dazu, Menschenrechte und demokratische Werte zu vermitteln.“ Wenn diese angegriffen würden, gehe es darum, „politische Bildung nicht nur in einem Fach zu vermitteln, sondern auch als Haltung zu leben.“

Vielfalt und Toleranz im Schulalltag leben

Was das konkret bedeuten könnte, erarbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz in einem Kurz-Workshop mit Lena-Katharina Schmitt und Phoebe Thiele vom „Netzwerk für Demokratie und Courage Baden-Württemberg“, die sonst selbst für Projekttage an Schulen gehen. „Ideologien der Ungleichwertigkeit“ funktionierten über Gruppenbildung, die Menschen aufgrund bestimmter Merkmale ausschließe und abwerte. So entstehe eine „Wir-Gruppe“, deren Angehörige als „normal“ und einzigartig definiert würden. Die Angehörigen der „Die-Gruppe“ werde aber als „anders“, weniger wert und gleichförmig eingestuft. Aus dieser Gruppenbildung und der pauschalen Zuschreibung von negativen Eigenschaften sowie gesellschaftlicher Macht entstünden diskriminierende Haltungen wie etwa: „Flüchtlinge sind kriminell und wollen sich nicht integrieren.“

Es sei wichtig, sich selbst und den Schülerinnen und Schülern diese Mechanismen immer wieder klar zu machen, erklärten die beiden Referentinnen. Sie im Schulalltag nicht zu verdrängen, sondern mit ihnen zu arbeiten und sie immer wieder in Frage zu stellen. Und wichtig sei, diejenigen zu stärken, die sich Diskriminierungen entgegenstellen oder von ihnen betroffen sind. Sie wünsche sich Schule als „Lebensraum, in dem Vielfalt und Toleranz erlebt und gelebt werden können“, sagte Doro Moritz. Dafür brauche es aber auch Zeit und entsprechende Kompetenzen der Lehrkräfte. Sie sehe nicht, dass die Landesregierung darauf hinwirke.

In ihren Informationen zur aktuellen Bildungspolitik kritisierte Moritz vor allem den Lehrermangel und auch die Arbeitsbedingungen an den Schulen. Kultusministerin Susanne Eisenmann erwecke mit einer langen Liste von Leitfäden, Handreichungen und Modellversuchen den Eindruck, alle möglichen Probleme anzupacken. „Aber es bleibt bei Ankündigungen.“ Das aktuelle GEW-Motto „Es ist Zeit für mehr Zeit“ bleibe auch für die kommende Landtagswahl 2021 aktuell, sagte Moritz – und schlug den Bogen zum inhaltlichen Tagesthema mit einem Zitat des Bildungsforschers und PISA-Koordinators Andreas Schleicher: „Bildungsinvestitionen bringen nicht nur volkswirtschaftlich eine höhere Rendite als Investitionen in Sach- und Produktionsmittel. Die Qualität des Bildungssystems ist letztlich auch ein Indiz für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft und ein Gradmesser der Demokratie.“