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Probleme werden sichtbar

Im Februar 2016 fand in Stuttgart eine Fachtagung des Kultusministeriums zum Thema „Multiprofessionelle Teams in Kitas: Chancen und Herausforderungen“ statt. Im Mittelpunkt standen die Ergebnisse der Studie „Team-Evaluation bezüglich der Arbeitsprozesse und Arbeitszufriedenheit multiprofessioneller Kindertageseinrichtungen in Baden-Württemberg.“ Die Studie bestätigt, Kitas brauchen fachlich qualifiziertes, gut ausgebildetes Personal.

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Die Studie über multiprofessionelle Teams wurde 2013 vom Kultusministerium in Auftrag gegebenen und am Zentrum für Kinder- und Jugendforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg unter der Leitung von Prof. Dr. Dörte Weltzien durchgeführt. Anlass war die Erweiterung des Fachkräftekatalogs in § 7 des Kindertagesbetreuungsgesetz (KiTaG). Seitdem dürfen in Kitas neben Erzieher/innen und Kinderpfleger/innen sowie akademisch ausgebildeten Kindheitspädagogen/innen und Sozialarbeiter/innen auch „nicht-einschlägig“ qualifizierte Berufsgruppen wie Ergo- und Physiotherapeut/innen, Heilpädagog/innen, Logopäd/innen, Kinderkrankenschwestern, Hebammen und Dorfhelfer/innen als „Fachkräfte“ eingesetzt werden.
Die Gesetzesänderung war in erster Linie dem Fachkräftemangel geschuldet. Erst im Laufe der öffentlichen Diskussion wurde als weiterer Grund die Notwendigkeit von multiprofessionellen Teams genannt, die für die Entwicklung von Kitas zu Familienzentren sowie für die Inklusion benötigen würden.

Ergebnisse der Studie

Die Studie unterscheidet zwischen „einschlägig-traditionell“ ausgebildeten Fachkräften (Erzieher/innen, Kinderpfleger/innen), „einschlägig-hoch“ qualifizierten Fachkräften (Kindheitspädagog/innen, Sozial-, Heil-, Sonderpädagog/innen etc.) und „nicht-einschlägig“ qualifizierten Fachkräften.
Bei den „einschlägig-hoch“ qualifizierten Fachkräfte kommt die Studie zum Ergebnis, dass diese – trotz fehlender Praxiserfahrung – schnell auf die im Studium erworbenen theoretischen Wissensbestände zurückgreifen, relativ zeitnah eine entsprechende Handlungssicherheit aufbauen und somit Anschluss an die pädagogische Praxis erlangen können. Festgestellt wird aber auch eine starke Abwanderungstendenz: Je weniger Möglichkeiten gesehen werden, das spezifische Fachwissen in die pädagogische Arbeit bzw. in Teamprozesse einzuspeisen, desto eher wird ein Stellenwechsel bereits nach kurzer Tätigkeitsdauer erwogen oder vollzogen.


Größere Probleme zeigen sich jedoch bei den „nicht-einschlägig“ qualifizierten Fachkräften, vor allem wenn sie im Rahmen des Stellenplanes als pädagogische Fachkraft eingesetzt werden, was in der Regel der Fall ist. Deutlich wird, dass fachfremde Personen die Aufgaben und Herausforderungen der alltäglichen pädagogischen Arbeit am Anfang falsch einschätzen und die Komplexität erst allmählich erkennen und bewältigen. Diesen Berufsgruppen fehlt in der Regel das in Kindertageseinrichtungen vertretene „Bild vom Kind“, ein handlungsfeldspezifisches und frühpädagogisches Theoriewissen sowie die Methodenkompetenz für die Arbeit in Gruppen, in Teams und mit Eltern bzw. Familien. Eine deutliche Überforderung zeigt sich im Umgang mit Konflikten in der Gruppe und mit herausfordernden Verhaltensweisen von Kindern sowie in der Zusammenarbeit mit den Eltern.


Durch die großen zeitlichen und fachlichen Herausforderungen des pädagogischen Alltags können diese Kräfte ihr Wissen und Können aus den medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder sozialen Bereichen kaum einbringen. Die Wissenschaftlerin Dörte Weltzien spricht in diesem Zusammenhang von einem Realisierungsdilemma: Da frühpädagogisches fachliches Wissen fehle, werde das Verhalten der Erzieher/innen kopiert und die eigenen Kompetenzen reduziert. Gelingt es ihnen nicht, die eigenen Kompetenzen in die Praxis vor Ort einzubringen, besteht die Gefahr der Frustration und des Abwanderns.


Dadurch wird deutlich, dass die im KiTaG vorgesehene Qualifizierung („25-Tage-Regelung“) nicht ausreicht, um die pädagogischen Grundlagen und pädagogischen Basiskompetenzen zu erlernen. Dies wird von der Gruppe der „nicht-einschlägig“ Qualifizierten auch selbst so gesehen.
Die „einschlägig-traditionell“ qualifizierten Fachkräfte zeigen sich weniger zufrieden mit der Team- und Arbeitssituation in multiprofessionellen Teams. Sie sehen sich einer höheren Arbeitsbelastung ausgesetzt, da sie Defizite auffangen und ausgleichen müssen. Ihre anfängliche Aufgeschlossenheit gegenüber multiprofessionellen Teams nimmt im Verlauf des Untersuchungszeitraums ab.
Die aus der Studie abgeleiteten Handlungsempfehlungen machen diese Problematik ebenfalls deutlich. So wird an die Trägerebene appelliert, „nicht-einschlägig“ qualifiziertes Personal nicht oder nur teilweise auf den allgemeinen Personalschlüssel anzurechnen, solange ihnen die erforderlichen pädagogischen und bildungsbezogenen Grundlagen fehlen.


In Richtung der politischen Entscheidungsebene zielt die Empfehlung darauf, besonders für die „nicht-einschlägig“ Qualifizierten spezifische praxisintegrierte, modularisierte Weiterbildungsangebote („PIA plus“-Modell) für Heil-/Pflegeberufe zu entwickeln, die zu staatlich anerkannten Abschlüssen führen. Real bedeutet dies, dass die betroffenen Personen eine Erzieher/innenausbildung nachholen sollen.

Spezialwissen kommt nicht zum Tragen

Die Studie zeigt, dass die mit der Aufweichung des Fachkräfteparagrafen verbundenen Ziele bestenfalls formal erreicht werden. Es konnten zwar freie Stellen besetzt werden und Baden-Württemberg damit im Ländervergleich eine gute Betreuungsquote erreichen, über die Qualifikation der Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen sowie die Qualität der pädagogischen Arbeit sagt diese allerdings wenig aus.


So liegt in einem Teil der untersuchten Einrichtungen der Anteil des „nicht einschlägig“ qualifizierten Personals bei bis zu 29 Prozent. Besonders in kleinen Teams wirkt sich dieses Verhältnis ungünstig auf die Prozessqualität aus, vor allem solange dieses Personal auf den Personalschlüssel angerechnet wird und Tätigkeit von klassischen Kita-Fachkräften ausübt, für die es nicht qualifiziert ist.
Auch die mit der Multiprofessionalität verbundene Zielsetzung wird nur in begrenztem Umfang erreicht, da das Spezialwissen der „nicht-einschlägig“ Qualifizierten im komplexen pädagogischen Alltag der Einrichtungen verwässert und nur zum Tragen kommen kann, wenn diese Fachkräfte zusätzlich eingestellt werden bzw. nicht die Aufgaben von Erzieher/innen übernehmen müssen.
Die GEW hat die Änderung des Fachkräftekataloges von Anfang an kritisch beurteilt. Dies wird letztlich durch die Studie bestätigt: Kindertageseinrichtungen brauchen fachlich qualifiziertes, gut ausgebildetes Personal. Die Öffnung des §7 KiTaG bis hin zu Dorfhelfer/innen kann dies nicht leisten. Selbstverständlich gibt es den Fachkräftemangel. Besser wäre es, Kindheitspädagog/innen zu gewinnen. In Interviews mit den Leiterinnen der untersuchten Einrichtungen wird deutlich, dass die Entwicklungspotentiale der Teams eher in den Qualifikationen der „einschlägig-hoch“ Qualifizierten gesehen werden. Auch wird festgehalten, dass Teams mit einem hohen Anteil an „einschlägig-hoch“ qualifizierten Fachkräften eher zu den Einrichtungen mit hohem Kompetenzniveau und hohem professionellen Selbstverständnis gehören. Allerdings sollten die Studiengänge um eine Praxisphase ergänzt werden. Und absolut notwendig ist es, diese Personen angemessen einzugruppieren.
Unbestritten ist auch, dass Kindertageseinrichtungen, die sich zu Kinder- und Familienzentren weiterentwickeln, für die zusätzlichen Aufgaben zusätzliches Personal und Professionen brauchen. Dazu müssen aber zusätzliche Stellen geschaffen werden. Nur so können sinnvolle multiprofessionelle Teams entstehen. Ansonsten führt die Erweiterung des Fachkräftekataloges zum Sparen an den Gehältern und geht zu Lasten der Prozessqualität in den Kitas

Studie:
Weltzien, D./Fröhlich-Gildhoff, K./Reutter, A./Tinius, C. (2016): Multiprofessionelle Teams in Kindertageseinrichtungen. Evaluation der Arbeitsprozesse und Arbeitszufriedenheit von multiprofessionell besetzten Teams in Baden-Württemberg. Weinheim und Basel: Beltz/Juventa