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Kinder und Jugendliche

Psychische Gesundheit – besser, aber nicht gut

Wie Kinder und Jugendliche unter der Pandemie gelitten haben, zeigt die COPSY-Studie. In der letzten der drei Befragungen wird deutlich, dass es den Schüler*innen wieder besser geht. Allerdings bleibt noch viel zu tun.

Ein Kind springt in die Luft und versucht, einen roten Herzluftballon zu fangen.
Foto: © Mr. Nico / photocase.de

Welche Auswirkungen und Folgen hat die Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen? Welche Einflussfaktoren fördern ihre psychische Gesundheit in der Krisensituation? Aufschluss darüber gibt die COPSY-Studie, die die Forschungsabteilung Child Public Health am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf unter Leitung von Professorin Ulrike Ravens-Sieberer von Mai bis Juni 2020 durchführte. Von Dezember 2020 bis Januar 2021 fand die zweite Befragung statt. Die dritte folgte im September und Oktober 2021. Bundesweit wurden mehr als 1.000 11- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche sowie 1.500 Eltern von 7- bis 17-Jährigen befragt. Die Wissenschaftler*innen wollten beispielsweise wissen, wie die Kinder mit der Krisensituation umgehen, ob sie psychische Probleme wie Ängste und Depressionen oder psychosomatische Beschwerden haben. Zudem wurden das Familienumfeld, der Medienkonsum und Ernährungsgewohnheiten beleuchtet.

„Die seelischen Belastungen halten sich weiterhin auf einem hohen Niveau und liegen deutlich über den Werten vor Corona.“ (Ein Ergebnis der COPSY-Studie)

Als wichtigstes Ergebnis zeigt die Studie, dass die psychische Belastung der Kinder und Jugendlichen über den gesamten Zeitraum deutlich höher ist als vor der Pandemie. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien. In der dritten Befragung wird deutlich, dass es den Kindern und Jugendlichen wieder etwas besser geht. Sie machen mehr Sport und sind weniger online. Auch die Schule erleben sie als weniger anstrengend. Die Befragten zeigen weniger Auffälligkeiten wie Ängstlichkeit und Depressivität und haben insgesamt eine höhere Lebensqualität. Psychosomatische Probleme, zum Beispiel Einschlafschwierigkeiten, haben abgenommen. Andere Stresssymptome wie Gereiztheit sind ähnlich häufig wie bei den ersten beiden Befragungen. Kopf- und Bauchschmerzen haben noch einmal etwas zugenommen. Das heißt, sehr viele Kinder und Jugendliche fühlen sich auch nach 18 Monaten der Pandemie noch belastet. „Grundsätzlich können wir sagen, dass die seelischen Belastungen während der Pandemie etwas zurückgegangen sind. Sie halten sich aber weiterhin auf hohem Niveau und liegen deutlich über den Werten vor Corona“, erklärt Ravens-Sieberer in ihrer Vorstellung der Ergebnisse.

Mehr Entspannung im Alltag

Die leichte Verbesserung und Stabilisierung der psychischen Befindlichkeit der Kinder erklärt sie mit dem entspannteren Alltag und der teilweise wiedergewonnenen Kontrolle im Spätsommer 2021. Die Pandemie-Maßnahmen sind in dieser Zeit reduziert worden, die Kinder und Jugendlichen konnten wieder in die Schule gehen, Freunde treffen, ihren Hobbys nachgehen und Sport machen.

„Wir brauchen für diese ­Kinder ­dringend ­zielgerichtete und ­niedrigschwellige ­Angebote ­der Prävention und Gesundheits­förderung, um die ­sozialen und ­gesundheitlichen ­Ungleich­heiten zu verringern.“ (Professorin Ulrike Ravens-Sieberer)

„Vermutlich waren die Pandemie und die damit einhergehenden Veränderungen nicht mehr so beängstigend wie bei den ersten beiden Befragungen. Zudem gab es nur wenige Neuinfektionen und eine Strategie“, erklärt die Professorin. Sie hatten gelernt, wie sie sich und andere schützen können und sie wurden regelmäßig getestet. Corona hatte so ein wenig von seinen Schrecken verloren.

Welche Maßnahmen dringend nötig sind

Trotzdem wird durch die Befragung klar, dass die Pandemie für die Kinder und Jugendlichen weiterhin überaus anstrengend ist – vor allem für Kinder und Jugendliche, die schon vor der Pandemie belastet waren. Das sind zum einen Kinder aus Familien, die weniger finanzielle Mittel oder einen Migrationshintergrund haben sowie auf beengtem Raum leben. Zum anderen sind Kinder mehr als andere betroffen, deren Eltern unter einer psychischen Erkrankung oder Belastung leiden. Kinder aus diesen Risikogruppen haben eine deutlich geringere Lebensqualität und weisen etwa doppelt so häufig psychische Auffälligkeiten, Ängste und depressive Symptome auf.

„Deswegen brauchen wir für diese Kinder dringend zielgerichtete und niedrigschwellige Angebote der Prävention und Gesundheitsförderung, um die sozialen und gesundheitlichen Ungleichheiten zu verringern“, fordert Ravens-Sieberer. Staatliche Förderprogramme wie psychosoziale, psychotherapeutische und psychiatrische Angebote seien vonnöten. Darüber hinaus solle es erweiterte Jugendhilfe-Maßnahmen sowie Fortbildungen für Lehrer*innen und Pädagog*innen geben, damit diese die seelischen Belastungen der Kinder und Jugendlichen so früh wie möglich erkennen. Weiterhin wäre ein leicht erreichbares Beratungsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern von Vorteil.

Was ist zu tun, wenn bei den eigenen Kindern und Jugendlichen die Ängste und Sorgen nicht von selbst verschwinden und stattdessen immer weiter zunehmen? Vor allem jüngere Kinder neigen dazu, psychosomatische Beschwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen zu entwickeln. Die Professorin rät den Eltern, diese Anzeichen ernst zu nehmen und die Beschwerden mit einer Fachperson abzuklären. Ansprechpartner*innen können zum Beispiel Vertrauens­lehrer*innen, Kinderärzt*innen oder Familienberater*innen sein.

Auch die Eltern selbst haben Möglichkeiten zu reagieren. „In erster Linie können Eltern ihre Kinder stärken, indem sie für sie da sind, ihnen zuhören und ihnen das Gefühl geben, geliebt und gebraucht zu werden“, führt Ravens-Sieberer aus. Wichtig sei ebenfalls, den Alltag zu strukturieren, da Routinen und Rituale zur gesundheitlichen Entwicklung von Kindern beitragen.

Kontakt
Martin Morgen
Vorsitzender Fachgruppe Schulaufsicht, Schulverwaltung, Seminare