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Referenzrahmen Schulqualität

Qualitätsdebatte ohne ausreichende personelle Ressourcen

Das Land hat mit dem neuen Referenzrahmen hohe Qualitätsstandards aufgestellt. In einer Zeit, in der Unterricht nicht überall verlässlich stattfinden kann. Wie die Umsetzung in den Schulen ohne zusätzliche Ressourcen gelingen soll, bleibt unklar.

In der GEW-Landesfachgruppe Berufliche Schulen entbrannte eine lebhafte Diskussion um den neuen „Referenzrahmen Schulqualität“ des Kultusministeriums (KM). Nach dem Motto „Es sind schon viele Konzepte gekommen und gegangen“ rieten altgediente Mitglieder zur Gelassenheit.

Wer jedoch den vorgelegten Referenzrahmen ernst nimmt, reibt sich an vielen Stellen verwundert die Augen: Knapp 50 Seiten Qualitätsstandards, gegliedert in vier Qualitätsbereiche – allein der Umfang der Anforderungen ist beeindruckend oder kann, negativ ausgedrückt, belastend wirken. Eine Frage drängt sich gleich auf: Wer ist überhaupt 
angesprochen und welche Verbindlichkeiten ergeben sich? „Die Schulen“ und „die Lehrkräfte“ werden oft genannt, im Nebel bleiben die „sonstigen Akteure“.

Ein Beispiel aus dem Qualitätsbereich 1 „Lehren und Lernen": Hier werden vielfältige Qualitätsanforderungen an die Lern- und Bildungsangebote der Schulen dargestellt, die den Eindruck einer großen Freiheit der staatlichen Schulen in diesem Bereich erweckt, nur abhängig von den Personen beziehungsweise der Schule selbst.

Tatsächlich sind die Schulen, wie wir alle wissen, in ihrer Autonomie einerseits stark abhängig vom Schulträger, etwa in der Ausstattung mit Schulsozialarbeit, den räumlichen Gegebenheiten sowie der technischen Ausstattung und andererseits der Ausbildungskapazität und Personalgewinnung des Landes unterworfen.

Qualitätsdebatte macht nur Sinn, wenn Unterricht verlässlich stattfindet

Die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung als grundlegendes Merkmal für Unterrichtsqualität zu erwähnen, wird im ganzen Referenzrahmen weitgehend vermieden. Gleichzeitig enthält das Schuldatenblatt, das vom Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) als Grundlage für das Statusgespräch Schulleitung-Regierungspräsidium dient, sehr wohl Daten zum Unterrichtsausfall. Das ist scheinheilig.

Personalgewinnung wird in den nächsten Jahren zum drängendsten Problem. Ihre Personalsituation und damit den Unterrichtsausfall können Schulen selbst nicht beeinflussen. Eine Qualitätsdebatte zu Unterricht macht nur Sinn, wenn dieser verlässlich stattfindet.

Hohe Ansprüche zeigen sich beispielsweise im Qualitätsbereich „Umgang mit Heterogenität und Vielfalt". Unter 1.5.1.2 steht: „An der Schule werden Daten zur Heterogenität in den Lerngruppen und der Schule insgesamt analysiert“ und „Bei Bedarf wird eine sonderpädagogische Diagnostik“ durchgeführt. Wer soll das leisten? Wohl kaum die Lehrkräfte neben ihrer normalen hohen Deputats-Verpflichtung oder die übermäßig belasteten Schulleitungen.

Ebenso hoch sind die Qualitätsstandards bei 1.5.2.2 „Die Bildungsangebote berücksichtigen sprachliche und kulturelle Unterschiede der Schülerinnen und Schüler“. Gleichzeitig ist es gerade im beruflichen Bereich in der Regel so, dass auf zentrale Prüfungen vorbereitet werden soll.

Schulen haben keine Ressourcen für Selbstevaluation

Die größten Probleme bestehen im Qualitätsbereich „Datengestützte Qualitätsentwicklung“. Erfahrungen mit der Evaluation im Rahmen des OES-Konzeptes haben deutlich gezeigt, dass die Schulen erhebliche Schwierigkeiten damit haben, solange das mit den vorhandenen personellen und zeitlichen Ressourcen gestemmt werden soll. Meine, womöglich naive, Vorstellung dazu war, dass wir deswegen zwei neue Institute bekommen haben. Gerade die Aufgabe des IBBW soll doch sein, dass dort neue Konzepte erarbeitet, an einzelnen Schulen erprobt, das Ganze wissenschaftlich begleitet und schließlich je nach Ergebnis auf die Schulen übertragen wird.

In den Schulen sind keine Ressourcen für „systematische Selbstevaluation“ vorhanden. Die im Qualitätsmerkmal 4.4 genannte regelmäßige Datenanalyse überfordert die Schulen in gleicher Weise. Eine logische Folge solch hoher Erwartungen müsste demzufolge die Bereitstellung entsprechender personeller und zeitlicher Ressourcen oder mindestens ein Anspruch an das IBBW sein, einfach zu bedienende Instrumente und Auswertungstools für die Schulen zu liefern. Es gilt aber nach wie vor: „Die Sau wird vom vielen Wiegen nicht fetter.“

Selbstevaluation macht nur Sinn, wenn sie leistbar ist und konkrete Projekte dahinter stehen.

Alles in allem entsteht der Eindruck, dass Zielsetzung und Zuständigkeiten nicht geklärt wurden, die Absprache zwischen KM und dem IBBW verbesserungswürdig ist. Es drängt sich der Verdacht auf, der Qualitätsrahmen dient in erster Linie als Nachweis für die Existenzberechtigung des IBBW und alle drei Institutionen, IBBW, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) und KM arbeiten ohne ausreichende Führung nebeneinanderher.

Die wichtigsten Forderungen der Landesfachgruppe Berufliche Schulen in der GEW sind:

  1. Zunächst die tatsächlich Verantwortlichen für einzelne Qualitätsmerkmale ehrlich klären.
  2. Die Zielsetzung klarzustellen.
  3. Vorher die personellen und zeitlichen Ressourcen der Schulen den hohen Anforderungen anpassen.
  4. Solange dies alles unklar ist, sollte die Implementierung ausgesetzt werden.
Kontakt
Magdalena Wille
Referentin für Berufliche Bildung und Weiterbildung
Telefon:  0711 21030-21
Mobil:  0160 90565239