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Qualitätskonzept setzt auf Kontrolle und Zentralisierung

Ende Juni hat das Kultusministerium ein Qualitätskonzept vorgelegt, das vor allem auf die schlechten Ergebnisse baden-württembergischer Schüler/innen bei den Vergleichsarbeiten reagiert. Ab 2019 sollen zwei neue Institutionen geschaffen werden.

Mit einem Paukenschlag stellte Kultusministerin Eisenmann bei einer Landespressekonferenz Ende Juni ihr Qualitätskonzept für das Bildungssystem Baden-Württemberg vor. Ein Paukenschlag, weil die bisherigen Strukturen zerschlagen und zwei neue Institute aufgebaut werden. Ein Paukenschlag, weil die vorgestellten Planungen nicht mit den Beteiligten und Betroffenen diskutiert waren.  So gelingt es nicht, die Betroffenen auf dem Veränderungsprozess zur Steigerung der Schulqualität mitzunehmen und ihre Kompetenz dabei zu nutzen. Diese Weichenstellung verstärkt den Eindruck, dass Kultusministerin Eisenmann ihre Maßnahmen in einem sehr kleinen Kreis ausarbeitet und umsetzt. Ob die beiden neuen Institute effektiver sind als die bisherige Struktur, ist offen.

Das Qualitätskonzept soll kostenneutral umgesetzt werden. Das erinnert stark an die Verwaltungsstrukturreform des damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel, der die Schulämter in die Landratsämter  und die Oberschulämter in die Regierungspräsidien eingliederte, um Stellen abzubauen. Damals war die Verwaltung lange Zeit durch die Umstrukturierung gelähmt und vor allem demotiviert.

Der Umbau schafft eine große institutionelle Unruhe. Im Januar 2019 soll die neue Struktur stehen und nach einer Phase der Konsolidierung Wirkung entfalten. Damit schafft Kultusministerin Eisenmann die Rechtfertigung dafür, dass in dieser Wahlperiode keine qualitativen Verbesserungen und Unterstützung der Schulen zu erwarten sind. Das darf nicht sein.

Mehr Kontrolle und Zentralisierung ziehen sich wie ein roter Faden durch die Pressemitteilung. Zentrale Klassenarbeiten in der Grundschule und in der Sekundarstufe 1 sollen zusätzlich zu den Vergleichsarbeiten eingeführt werden. Dabei gilt der alte Satz noch immer: Vom Wiegen wird die Sau nicht fetter!

Die Ministerin will das erfolgreiche Vorgehen anderer Länder aufgreifen. Dort erhalten Schulen unter anderem aufgrund ihrer sozioökonomischen Daten gezielte zusätzliche Unterstützung. So einfach ist das nicht. Schule und Schulverwaltung verfügen derzeit nicht über sozioökonomische Daten. Vor allem fehlen die Ressourcen für eine zusätzliche Unterstützung. Deshalb überrascht es nicht, wenn die Ressourcen der Schulen umverteilt werden sollen. Es wird zum Beispiel als Erfolg dargestellt, dass in den Klassen 1 und 2 der Grundschulen die Fremdsprache gestrichen und sie dann als Poolstunden nach Bedarf durch die Schulverwaltung verteilt werden. In keiner anderen Schulart würde der Pflichtunterricht gekürzt, um Förderressourcen bereitstellen zu können. Dies lehnt die GEW entschieden ab.

Fremdevaluation wird ausgesetzt
Selbstverständlich braucht eine erfolgreiche Qualitätsentwicklung mehr Steuerungswissen. Vieles ist bereits vorhanden, wird allerdings nicht genutzt. Der Bildungsbericht Baden-Württemberg des Landesinstituts für Schulentwicklung zeigt seit Jahren die Entwicklungs- und Unterstützungsbedarfe auf, gewonnen unter anderem aus den Fremdevaluationen. Die Fremdevaluation wird ausgesetzt. Weniger als vier Wochen vor Schuljahresende erfahren die Fremdevaluator/innen, dass sie im nächsten Schuljahr an einer Schule unterrichten werden. Diese Maßnahme wurde ohne Weitblick und Perspektive getroffen. Die Expertise dieser sehr gut qualifizierten Personen könnte weiterhin für schulinterne Qualitätsentwicklungsmaßnahmen genutzt werden, bis die neuen Strukturen entwickelt sind. Der Eindruck drängt sich auf, dass die Kultusministerin damit Deputate für die Unterrichtsversorgung gewinnen will.

Schulen sind nach der Fremdevaluation häufig alleingelassen. Genau hier ist die Sollbruchstelle. Einerseits sind Ressourcen für die Schulen, Zeit und Unterstützungsangebote, nicht vorhanden. Andererseits haben alle Landesregierungen in den vergangenen Jahren versäumt, die Schulverwaltung für diese Aufgabe auszustatten. Stattdessen wird so getan als würden die Schulen keinen Wert auf Qualität und Leistung legen. Das ist eine Ohrfeige für alle Engagierten im Bildungsbereich. Sie brauchen externe Expert/innen, die die Einzelschule über einen längeren Zeitraum begleiten. Dafür müssen die Fortbildner/innen professionalisiert werden. Und deren Aufgabe muss attraktiver werden. 38,81 Euro brutto monatlich bei Vollbeschäftigung – das ist die Vergütung für die Fachberater/innen aus dem GHWRGS-Bereich – sind angesichts der Aufgabe lächerlich.

Gar nicht nachvollziehbar ist die Absicht, die Regierungspräsidien und die Staatlichen Schulämter von Fortbildungsaufgaben und damit von allen Maßnahmen der Qualitätsentwicklung auszuschließen. Sie sollen auf originär schulaufsichtliche Aufgaben und die Steuerung der Unterrichtsversorgung beschränkt werden. Damit entzieht Kultusministerin Eisenmann der Schulverwaltung den Einblick in die Pädagogik und Personalentwicklung der Schule, was für die Personalentscheidungen, die die Schulverwaltung zu treffen hat, hochproblematisch ist.

Was wird aus den Standorten der Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung, wenn den Staatlichen Seminaren die Fortbildung übertragen wird? Es muss weiterhin gut ausgestattete zentrale Einrichtungen geben. Selbstverständlich stimmt die GEW der Forderung der Kultusministerin zu, dass die Fortbildungen besser verzahnt werden. Das wäre auch in der derzeitigen Struktur möglich. Es sind aber auch noch andere Missstände, die der Qualitätsentwicklung in erheblichem Maße im Wege stehen. Dazu gehören unter anderem:

  • Fortbildungen zu aktuellen bildungspolitischen Themen im GHWRGS-Bereich sind um ein Vielfaches überbucht.
  • Schulleitungen verfügen Fortbildungssperre wegen Lehrermangel oder Lehrkräfte verzichten von vornherein, weil sie ihre Kolleg/innen nicht zusätzlich belasten wollen.
  • Zeit und Konzepte für Teamentwicklung, für die gemeinsame Schulentwicklung, fehlen.
  • Schulleitungen, insbesondere an kleineren Schulen, fehlt die Ausstattung um ihrer Führungsaufgabe gerecht werden zu können.

Verbesserungen in diesen Bereichen kosten Geld und müssen parallel zum institutionellen Umbau angegangen werden. Klar ist auch: Es kann nur die Qualität des Unterrichts verbessert werden, der tatsächlich stattfindet. Zum Nulltarif ist die Qualitätsentwicklung nicht zu haben.