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Realschulen: Äußere Differenzierung ist kein guter Weg

Das Schulgesetz wird für die Realschulen angepasst. Nach dem Gesetzentwurf können Realschulen in Zukunft Gruppen und Klassen nach Leistung trennen. Ob das ein guter und umsetzbarer Weg ist, bezweifelt die GEW.

Laut Koalitionsvertrag von CDU und Grünen soll das pädagogische Konzept der Realschule so weiterentwickelt werden, „dass Schülerinnen und Schüler möglichst passgenau gefördert werden können“. Mit den neuen gesetzlichen Regelungen ist es möglich, dass neben der binnendifferenzierenden individuellen Förderung auch nach Leistung differenzierte  Gruppen oder Klassen gebildet werden können. Für die Bildung von leistungsdifferenzierten Gruppen sollen die Poolstunden verwendet werden, die den Realschulen bislang vor allem für die individuelle Förderung der Schüler/innen zur Verfügung stehen.

Zu Recht wird im Begleitschreiben des Ministeriums auf die wachsende Heterogenität der Schülerschaft an Realschulen hingewiesen. Es widerspricht jedoch jeglicher erziehungswissenschaftlicher und didaktischer Expertise, dass die angemahnte flexible Reaktion auf die Heterogenität ausgerechnet in der organisatorischen Separierung vermeintlich leistungshomogener Guppen oder Klassen gesucht wird. Die Öffnung hin zu einer leistungsdifferenzierenden Gruppen- bzw. Klassenbildung schließt unverkennbar an die überkommene schulartbezogene Differenzierung an und ist geeignet, innerhalb der Realschule einen Bildungsgang „Realschule“ und einen Bildungsgang „Hauptschule“ zu etablieren. Damit werden die Potentiale für Individualisierung, Differenzierung und passgenaue Förderung lahmgelegt. Durch die Bildung von leistungshomogen(er)en Gruppen wird die pädagogische und didaktische Sensibilität für Differenz und differente Erwartungen eingeschränkt und die Bereitschaft, die Bahnen gleichschrittigen Unterrichts zu verlassen, enorm geschwächt. Nicht die organisatorische Differenzierung, sondern die pädagogische Individualisierung ist die angemessene Antwort auf Verschiedenheit.

Die Realschule zu „stärken“, indem man ihr neben ihren Kernauftrag einen Bildungsgang der Hauptschule implantiert, konnte offensichtlich auch nicht durch die desillusionierenden Erfahrungen mit exkludierten Bildungsgängen im herkömmlichen Sekundarschulwesen verhindert werden. Die Folgen von Exklusion, Abschulung, Stigmatisierung und der Ausbildung unguter Lernmilieus werden sich allerdings künftig zunehmend innerhalb der Realschule in Form des organisierten G-Niveaus zeigen und auswirken.

In der Orientierungsstufe in Klasse 5 und 6 soll die Leistungsbewertung ausschließlich auf dem mittleren Niveau erfolgen. Das lehnt die GEW ab. Es wäre ein Rückschritt zu einer selektiven Praxis, die vor allem Eltern davon abhalten soll, die Realschule für ihr Kind zu wählen.

Auch die Vorgabe, dass die Schüler/innen in Klasse 7 ins G-Niveau eingestuft werden, die auf M-Niveau nicht in Klasse 7 versetzt wurden, stigmatisiert und beschämt diese Kinder. Die pädagogische Funktion einer „Orientierungsstufe“ wird so geradezu konterkariert: Ein Unterrichten auf unterschiedlichen Niveaus in unterschiedlichen Fächern im Wege binnendifferenzierten Settings wird so unmöglich.
Den Realschulen ist freigestellt, ob sie mehr oder weniger an eingespielten Routinen und Praxen eines eher selektiven Blicks und der äußeren Leistungsdifferenzierung festhalten oder ob sie den zunächst zweifellos beschwerlicheren Weg inklusiver und stärker individualisierender Unterrichtsarrangements gehen wollen. Von der Entscheidung jeder Schule hängt ab, wie sie sich selbst entwickelt, und sie trägt auch die vorläufige Verantwortung dafür, wie die weitere Entwicklung des Sekundarschulwesens in Baden-Württemberg verläuft: in den überkommenen Strukturen des Sekundarschulwesen oder in der Orientierung an unseres Erachtens zukunftsfähigen Strukturen gemeinsamen und inklusiven Lernens.

Praktische Umsetzung

Die Intention der Gesetzsänderung ist eine Sache, die praktische Umsetzung eine ganz andere. Das ist der GEW bei aller Kritik durchaus bewusst. Voraussichtlich können nur große Realschulen die äußere Differenzierung umsetzen, während die anderen Realschulen binnendifferenziert arbeiten werden bzw. müssen. Da es keine zusätzlichen Teilungsstunden gibt und die äußere Differenzierung mit Poolstunden umgesetzt werden muss, werden die Erwartungen vieler Realschulen, nach Leistung getrennte Gruppen bilden zu können, nicht umsetzbar sein. Unabhängig davon, welche Lösung die Realschulen letztlich wählen: Die Lehrkräfte brauchen Unterstützung und umfassende Fortbildung im konstruktiven Umgang mit Heterogenität und in der Gestaltung von Binnendifferenzierung.

Die Bildung von homogeneren Lerngruppen ist mit dem Auftrag eines zieldifferenten Unterrichts im Rahmen der Inklusion, den die Realschule wie alle allgemeinbildenden Schulen hat, nicht zu vereinbaren.

Kontakt
Ute Kratzmeier
Referentin für allgemeinbildende Schulen
Telefon:  0711 21030-25