Partizipation an Hochschulen
Schmückendes Beiwerk oder Basis für die Hochschulentwicklung?
Auf einer Konferenz im Herbst 2024 an der PH Weingarten befassten sich Hochschulangehörige und gewerkschaftliche Vertreter*innen damit, wie Partizipation an Hochschulen verstanden werden und wie demokratische Teilhabe gelingen kann.
Je nach Definition kann politische Partizipation an Hochschulen eng oder weit definiert werden. In einem engen Verständnis meint Partizipation nur das hochschulpolitische Engagement in offiziellen Gremien. In einem weiten Verständnis umfasst der Begriff auch Prozesse der Hochschulentwicklung sowie den allgemeinen Einsatz auf dem Campus und geht damit weit über formale Prozesse hinaus: Hierzu gehört auch die Mitsprache bei Entscheidungsprozessen (zum Beispiel Entwicklung von Studiengängen und Lernformaten, Gestaltung von Campusflächen). Schließlich ist die Hochschule nicht nur ein Ort des Lernens und der Bildung, sondern auch ein Ort des alltäglichen Lebens. Politik heißt in diesem Sinne dann, die Orte mitzugestalten, an denen die Menschen ihre Zeit verbringen.
Diese Vielfalt, politische Partizipation zu verstehen, zeigte sich auch auf der Konferenz deutlich. Betont wurde, dass der politische Einsatz der Studierenden eng mit sozialen Kontaktmöglichkeiten verknüpft ist. Verstehen sich die Engagierten untereinander gut, bleiben sie eher langfristig aktiv. Das zeigt, dass Politik nicht isoliert von anderen Lebensbereichen betrachtet werden sollte und ein weites Verständnis von politischer Partizipation sinnvoll sein kann. Diskutiert wurde auch, wie politische Partizipation an Hochschulen auf gesamtgesellschaftliche Prozesse wirken kann. Schließlich sind Bildungsstätten nicht unabhängig und isoliert vom Rest der Gesellschaft.
In diesem Verständnis ist politische Partizipation an Hochschulen nicht von gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen und allgemeiner Politik zu trennen. Die Klimaproteste oder die Demonstrationen gegen den Nahostkonflikt sind aktuelle Beispiele, wie Studierende versuchen, die Hochschule zu nutzen, um öffentliche Debatten zu prägen.
Welche Herausforderungen gibt es?
Dass es nicht immer einfach ist, politische Partizipation an Hochschulen umzusetzen, ist keine Überraschung. Die geschilderte Vielfältigkeit, den Begriff selbst zu verstehen, trägt ihren Teil dazu bei. So zeigte die Konferenz beispielsweise auf, dass die hochschulinternen Entscheidungsträger*innen und das Qualitätsmanagement (QM) oft ein sehr diffuses Bild von politischer Partizipation haben.
Die unklare Zielsetzung erschwert eine wirksame Förderung demokratischer Teilhabe. Mit Blick auf die geringe Wahlbeteiligung an Hochschulwahlen stellt sich allerdings auch die Frage, warum bereits bestehende Möglichkeiten zur direkten Mitgestaltung nicht wahrgenommen werden. Erhellend waren hier Vorträge, die sich speziell mit den Lebenslagen Studierender befassen. So befinden sich viele Studierende in einer finanziell prekären Situation und müssen neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit nachgehen. So bleibt kaum Zeit für ein Engagement. Auch Vereinzelung ist eine Herausforderung: Gerade studentisch Beschäftige haben kaum Berührungspunkte mit Kolleg*innen, was den gemeinsamen Austausch über Problemlagen – und damit den ersten Schritt hin zu einer Politisierung – verhindert. Dieser Aspekt ist speziell für die gewerkschaftliche Organisierung von Studierenden von Interesse. Oft scheitert hochschulpolitisches Engagement aber auch am Wissen über Beteiligungsmöglichkeiten. Insbesondere Studienanfänger*innen sind häufig zu beschäftigt, sich in ihrem neuen Umfeld zurechtzufinden, sodass sie Studierendenvertretung, Fachschaft und so weiter kaum kennen.
Eine weitere zentrale Herausforderung ist die nach wie vor dominante Stellung der Professor*innen an Hochschulen. Das soll die akademische Freiheit der Hochschullehrer*innen bewahren, wie das (bis dato nicht revidierte) Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973 festhielt. Es führt allerdings auch dazu, dass alle anderen Hochschulmitglieder über wenig Entscheidungsmacht verfügen und somit oft das Gefühl haben, nicht wirklich etwas verändern zu können. Das kann schnell zu Frustration und im schlimmsten Fall zum Ende des politischen Engagements führen.
Welche Rahmenbedingungen braucht es?
An der sogenannten Professor*innen-Mehrheit setzt die GEW an. Die Gewerkschaft fordert, dass akademische Freiheit nicht nur für die Elite der Professor*innen gelten solle, sondern auch für alle anderen Hochschulmitglieder. Hochschulgremien sollten dementsprechend mit einer Viertelparität besetzt werden. Professor*innen, der akademische Mittelbau, wissenschaftsstützendes Personal sowie die Studierenden wären so mit gleichem Stimmrecht vertreten, was eine demokratische Debatte über die zukünftige Entwicklung der Hochschule fördern kann.
Intensiv diskutiert wurde auf der Konferenz außerdem der Vorschlag, Studierende für ihr Engagement zu entlohnen. Dies könnte durch Bezahlung oder die Anrechenbarkeit des hochschulpolitischen Engagements, zum Beispiel mit ECTS-Punkten für das Studium, funktionieren. Schließlich ist die akademische Selbstverwaltung auch ein vertraglich festgelegter Teil der Arbeitszeit wissenschaftlicher Mitarbeiter*innen. Warum also nicht ein ähnliches Modell für Studierende einführen?
Zu guter Letzt müssen sich die hochschulinternen Entscheidungsträger*innen und das QM aber auch einen klaren Begriff des Bildungsauftrags für Hochschulen machen. Schließlich ist laut Hochschulrahmengesetz die Befähigung zu demokratischem Handeln zu fördern ein Ziel der Bildungsstätten. Eine sinnvolle Definition, zielführende Vorgaben zur Umsetzung sowie nachhaltige Mechanismen, die die Einhaltung dieser Vorgaben kontrollieren, erscheinen hierbei zentral. Denn damit könnten Hochschulen befähigt werden, ihren umfassenden Bildungsauftrag gerecht zu werden. Damit einher geht auch ein verändertes Verständnis von Hochschule nicht nur als Ort formaler Bildung, sondern als Gestaltungsraum, der aktiv an gesellschaftlichen Debatten teilnimmt. Nur so kann politische Partizipation von einem schmückenden Beiwerk, das sich Hochschulen in ihr Leitbild schreiben, zu gelebter Realität und zentralem Element der Hochschulentwicklung werden.