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Corona-Pandemie

Schulen und Kitas sollen offen bleiben

Trotz Infektionszahlen in nie gekanntem Ausmaß sind bisher die allermeisten Bildungseinrichtungen offen geblieben. Damit das so bleiben kann und trotzdem alle möglichst gut geschützt sind, müsste und könnte die Landesregierung mehr Engagement zeigen.

Ein Mädchen sitzt auf dem Boden und malt mit Kreide.
„Anstatt auf einen besseren Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Kita-Räumlichkeiten und Klassenzimmern zu setzen, hat das Land vor Omikron kapituliert und die Quarantänepflicht aufgeweicht, um den Präsenzbetrieb aufrechtzuerhalten.“ – Monika Stein, GEW-Landesvorsitzende (Foto: © Zabavna / iStock)

Es hagelte Kritik, als Kultusministerin Theresa Schopper die Präsenzpflicht an den letzten Tagen vor den Weihnachtsferien aufgehoben hatte. Die kurzfristige Mitteilung kam im Endspurt des Schulhalbjahres zu einem heiklen Zeitpunkt. An vielen Schulen waren Leistungsnachweise und Schulfeiern geplant. Wenn einzelne Schüler*innen zu Hause bleiben würden, bedeutete das für die meisten Lehrkräfte Mehrarbeit. Die einen hätten sich ein komplettes Schließen der Schulen gewünscht, die anderen wollten, dass alle Schüler*innen in die Schule kommen. Mit dem Aussetzen der Präsenzpflicht wollte das Kultusministerium besorgten Eltern entgegenkommen.

Kaum auszumalen, wie die Stimmung in den Schulen momentan wäre, wenn, wie in Berlin, die Präsenzpflicht bis Ende Februar ausgesetzt würde. Zum Glück sind sich in Baden-Württemberg alle einig: Der Präsenzunterricht soll so lange wie möglich aufrechterhalten bleiben. Auch die Kitas sollen offen bleiben. Politik und Wissenschaft sind unisono zu der Erkenntnis gekommen, dass ein Präsenzbetrieb das Beste für Kinder und Jugendliche ist. Sowohl die GEW als Interessenvertretung der Beschäftigten, als auch der Landesschülerbeirat und der Landeselternbeirat stehen hinter diesem Ziel. Wie das gehen soll, darüber gehen die Meinungen dann doch auseinander.

Die Omikron-Variante des Coronavirus lässt die Infektionszahlen in ungeahnte Höhen schnellen. Bei der 7-Tage-Inzidenz ist die Marke von 1.400 Anfang Februar längst geknackt, bei Kindern und Jugendlichen in manchen Regionen sogar die Marken von 2.000 und 5.000. Deshalb spricht die Öffentlichkeit auch nicht mehr von einer Omikron-Welle, sondern von einer Omikron-Wand. Die Labore stoßen bei der Auswertung von PCR-Tests an ihre Kapazitätsgrenze.

Unklare PCR-Testkapazitäten

Die GEW erwartet von der Landesregierung Transparenz über die vorhandenen PCR-Testkapazitäten in Baden-Württemberg, eine Priorisierung auch für Bildungseinrichtungen und einen schnellen Ausbau der Labor- und Testkapazitäten. In Deutschland konnten in der zweiten Januarwoche 2.164 PCR-Tests pro 100.000 Einwohner*innen ausgewertet werden, in Österreich im gleichen Zeitraum 89.543. In Bremen hat sich Ende Januar die Senatorin für Kinder und Bildung Laborkapazitäten gesichert. „Wenn Ministerpräsident Winfried Kretschmann davon ausgeht, dass es keine Lockerung vor Ostern geben kann, dann gehen wir davon aus, dass seine Regierung zumindest für den Schutz seiner Beschäftigten sorgt. Und warum gelingt es Bremen, weiter PCR-Tests für Schulen anzubieten, und dem reichen Baden-Württemberg nicht?“, fragt die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein.

Auch den jüngsten Schritt von Kultus- und Sozialministerium, dass bei größeren Ausbruchsgeschehen nicht mehr komplette Schulklassen und Kitagruppen in Quarantäne müssen, kritisiert die GEW. Vor allem wegen der unklaren Kommunikation: Die einen Schulen wurden direkt informiert, die anderen über die Staatlichen Schulämter, die dritten über die Medien und bei vielen kam die Änderung der Pflicht zur Meldung der Kontaktpersonen und die weniger strenge Regel für Quarantäne ganzer Klassen und Gruppen gar nicht an. Der aktualisierte Handlungsleitfaden für die Gesundheitsämter sieht vor, dass sich von nun an nur noch positiv getestete Kitakinder und Schüler*innen absondern müssen. Bisher hat das Gesundheitsamt bei einem „relevanten Ausbruchsgeschehen“ (fünf und mehr Kinder und Jugendliche oder 20 Prozent einer Klasse positiv) geprüft, ob die ganze Klasse oder Gruppe in Quarantäne gehen muss.

Ein Mädchen bemalt eine Tafel mit Kreide.
„Es ist jetzt an der Zeit, dass das Kultusministerium die Notlage anerkennt und an die Inhalte und an die Stundentafel geht.“ – Monika Stein, GEW-Landesvorsitzende (Foto: © hfng / iStock)

„Anstatt auf einen besseren Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Kita-Räumlichkeiten und Klassenzimmern zu setzen, hat das Land vor Omikron kapituliert und die Quarantänepflicht aufgeweicht, um den Präsenzbetrieb aufrechtzuerhalten“, kritisiert die GEW-Landeschefin Monika Stein. Die Aufhebung der Meldepflichten aus den Kitas und Schulen nennt sie einen logischen Schritt, denn „die Kolleg*innen in den Gesundheitsämtern sind genauso überlastet wie unsere Beschäftigten in den Bildungseinrichtungen“. Zugleich sei es jedoch eine Bankrotterklärung des Corona-Krisenmanagements der baden-württembergischen Landesregierung. Dass Sozialminister Manfred Lucha das Testkonzept des Landes an den Schulen (drei Schnelltests beziehungsweise zwei PCR-Tests pro Woche) als Sicherheitsgarant für die Präsenz ausweist, grenze fast schon an Hohn.

Spielraum der Schulleitungen

Die aktuelle Situation an den Schulen ist für die Schulleitungen sehr belastend: Sie müssen ständig kurzfristige Vorgaben umsetzen, den Mangel verwalten, Personalnotstände managen und die wachsenden Herausforderungen der Pandemie bewältigen. Seit Beginn des Jahres haben Schulleitungen einen größeren Entscheidungsspielraum und können mit Zustimmung der Schulverwaltung in den Fernunterricht wechseln, wenn das Infektionsgeschehen absehbar zu vielen Ausfällen bei Lehrkräften und Schüler*innen führt, um Präsenz- und Fernunterricht parallel zu leisten. Eine genaue Zahl, ab wann das der Fall ist, gibt es nicht.

Die GEW hält es für sinnvoll, wenn Schulleitungen flexibel entscheiden können. Auch dass sie durch die Rücksprache mit der Schulverwaltung nicht zu stark in die Schusslinie der Kritiker*innen geraten, ist hilfreich. Aber fehlende einheitliche Orientierungspunkte erschweren diese Entscheidungen.

An vielen Schulen ist ein geregelter Unterricht schwierig. Schüler*innen und Lehrkräfte fehlen häufig. Viele Lehrer*innen und Erzieher*innen, die sich bei der GEW melden, sind frustriert und überlastet. Lehrkräfte machen die Erfahrung, dass sie beim Wechsel zwischen Präsenz- und Fernunterricht nicht mehr allen Schüler*innen gerecht werden könnten. Der Leistungsdruck sei für viele Kinder und Jugendliche zu hoch, der Stoff zu viel.

Viele Beschäftigte an Schulen und Kitas fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Die GEW nimmt auch die Träger in die Verantwortung. Sie könnten beispielsweise Bildungseinrichtungen bei der Organisation und Durchführung von Tests unterstützen. Das Kultusministerium sollte die Mehrbelastung und vielerorts auch Überlastung anerkennen und entsprechend reagieren. „Es ist jetzt an der Zeit, dass das Kultusministerium die Notlage anerkennt und an die Inhalte und an die Stundentafel geht“, findet Stein.

Das Land behauptet seit langem, dass Schulen und Kitas sicher und keine Infektionstreiber seien. Die Inzidenz unter Kindern und Jugendlichen ist vielerorts allerdings mehr als doppelt so hoch als in der Gesamtbevölkerung. Der Virologe Christian Drosten bestätigte im NDR, dass der Großteil der Infektionen in den Schulen stattfinde. Deshalb ist es umso wichtiger, dass diejenigen, die tagtäglich versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, auch geschützt werden. Hier hätte die Landesregierung aus Sicht der GEW in den letzten zwei Jahren mehr tun können.

Zum einen haben es Land sowie Kita- und Schulträger nicht geschafft, die Bildungsstätten flächendeckend mit Luftreinigungssystemen auszustatten. Der schleppenden Anschaffung von Luftfiltern gingen zahllose Diskussionen um Zuständigkeiten und Finanzierungsfragen voraus. Die komplizierte Förderrichtlinie des Kultusministeriums hat dann das Übrige dazu beigetragen, dass noch immer nicht genug Geräte im Einsatz sind.

Zum anderen knausert das Land seit Beginn der Pandemie mit FFP2-Masken. Die Charge, die nach den Weihnachtsferien an den Schulen ankam, reicht nach Kenntnisstand der GEW wahrscheinlich nur bis Ende Februar. Pläne für weitere Maskenlieferungen gibt es noch keine. Dass das Land auf eine FFP2-Maskenpflicht in Bildungseinrichtungen verzichtet, hat neben dem finanziellen Aspekt auch arbeitsrechtliche Gründe. Mit einer Pflicht würden vorgeschriebene Pausenzeiten für die Lehrkräfte einhergehen, die sich das Land bei der sowieso schon viel zu knapp bemessenen Unterrichtsversorgung nicht erlauben kann. Die GEW fordert, dass die Landesregierung FFP2-Masken für alle Beschäftigten sowie alle Kinder und Jugendlichen, die sich damit schützen möchten, kostenfrei bereitstellt.

Es bleibt der Eindruck, dass die Politik seit nun knapp zwei Jahren lediglich versucht, die Pandemie mit medizinischen Masken, Tests und offenen Fenstern in Schach zu halten, in der Hoffnung, dass die Impfung durchschlägt und damit das Virus wieder verschwindet. „Jetzt steigen die Corona-Zahlen und wir können nur hoffen, dass möglichst niemand in der Kita- und Schulgemeinschaft schwer erkrankt“, konstatiert Stein.

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Marco Stritzinger
Online-Redakteur
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