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SERVICE: Behinderte Kolleg*innen im Kollegium - meine Aufgaben als Schulleiter*in

Nachteilsausgleiche im Schulbereich sind eine wichtige Aufgabe für Schulleitungen. Denn: „Niemand darf aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden“, so steht es im Grundgesetz Art 3. Abs.3.

Nachteilsausgleiche im Schulbereich
Niemand darf aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden“, so steht es im Grundgesetz Art 3. Abs.3. Auch in der UN-Behindertenrechtkonvention ist das Recht auf Inklusion festgeschrieben. 
Eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, ist die Aufgabe von uns allen. Die Verantwortung für die Umsetzung der Rechte behinderter Lehrkräfte und pädagogischer Assistent*innen in den Schulen liegt bei den Schulleitungen. Grundlagen hierfür sind das Sozialgesetzbuch (SGB IX), die Schwerbehindertenverwaltungsvorschrift (SchwbVwV) und die Inklusionsvereinbarung (IKV). Dabei unterscheidet man zwischen pauschalen und individuellen Nachteilsausgleichen.

a) Deputatsermäßigungen

Schwerbehinderte Lehrkräfte ab einem GdB 50 erhalten auf Antrag eine pauschale Deputatsermäßigung, gestaffelt nach dem GdB (Grad der Behinderung). (§ 6 Lehrkräfte-ArbeitszeitVO). 
Mit einem GdB 50 und 60 sind das 2 Deputatsstunden Ermäßigung, mit einem GdB 70 und 80 3 Ermäßigungsstunden.Liegt ein GdB 90 oder 100 vor, erhält die Lehrkraft eine Ermäßigung von 4 Deputatsstunden. Diese Angaben beziehen sich auf das volle Deputat und die Schulwoche. Bei Arbeit in Teilzeit ist auch die pauschale Ermäßigung anteilig zu gewähren. (Ermäßigungsstunden nach GdB bei
Vollzeit und Teilzeit siehe Tabelle).

Die Lehrkraft beantragt die pauschale Deputatsermäßigung aufgrund des Schwerbehindertenstatus bei der Schulleitung. Sie legt den Schwerbehindertenausweis im Original vor und beantragt formlos die Deputatsermäßigung. Eine weitere individuelle Ermäßigung ist die befristete zusätzliche Deputatsermäßigung in Höhe von bis zu zwei Wochenstunden. (§ 6 (4) Lehrkräfte- ArbeitszeitVO), Der Antrag ist auf dem Dienstweg zu stellen und eine fachärztliche Stellungnahme ist beizufügen, aus dem hervorgeht, dass die als Schwerbehinderung anerkannte Erkrankung sich im Lehrerberuf besonders gravierend auswirkt. Dies kann insbesondere dann zutreffen, wenn als Schwerbehinderung anerkannte Beeinträchtigungen im Bereich  des Sprechens, Hörens, Schreibens, Sehens, Gehens oder Stehens oder der
Psyche vorliegen. Fachärztliche Stellungnahmen in geschlossenen Briefumschlägen sollen nur vom zuständigen Sachbearbeiter*in der Schulverwaltung geöffnet werden.
Im Bereich GHWRGS wird der Antrag der betroffenen Lehrkraft zum zuständigen Schulamt weitergeleitet, im Bereich Gym und BS sowie an Schulen besonderer Art und SBBZ mit Internat ist das RP für die Bearbeitung zuständig.

b) Inklusionsvereinbarung und Teilhabegespräch

Die Inklusionsvereinbarung beinhaltet Regelungen im Zusammenhang mit der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, insbesondere zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfeldes, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit sowie Regelungen über die Umsetzung der getroffenen Zielvereinbarungen. Die Teilhabe am Arbeitsleben soll so erhalten, verbessert und auf Dauer gesichert werden. In den schulischen Inklusionsvereinbarungen sind Menschen mit GdB 30 und 40 eingeschlossen, soweit gesetzliche Regelungen nicht entgegenstehen. Dem Teilhabegespräch (Teil der Inklusionsvereinbarung, die am jeweiligen staatlichen Schulamt oder der Schule abgeschlossen wurde) kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Die Schulleitung hat die Pflicht, der Lehrkraft ein Gesprächsangebot zu machen, ein Protokoll ist anzufertigen. Auch die behinderte/ schwerbehinderte Lehrkraft bzw. der/ die pädagogische Assistent*in kann bei Bedarf ein Teilhabegespräch initiieren. Idealerweise findet dieses Gespräch vor der Planung eines neuen Schuljahres statt, um die Bedarfe der betroffenen Lehrkräfte bzw. des/der pädagogischen Assistent*in berücksichtigen zu können. Auch unmittelbar nach dem Bekanntwerden einer Behinderung muss die Schulleitung ein Teilhabegespräch anbieten. Die betroffene Person entscheidet selbst, ob sie das Gesprächsangebot annimmt und auf ihren Wunsch ist die Schwerbehindertenvertretung beim Teilhabegespräch zu beteiligen.

Folgende Punkte sind Teil der IKV und werden beim Teilhabegespräch angesprochen: 

Erleichterungen bei der Arbeitszeit

(SchwbVwV-P. 4.4.) Für schwerbehinderte / gleichgestellte Beschäftigte können unter Berücksichtigung ihrer besonderen Situation und etwaiger Leistungseinschränkungen abweichende Regelungen für die Arbeitszeit und Arbeitspausen (Aufsicht) gewährt werden. 

Deputat und Stundenplan (§164 Abs.4 Nr. 1 SGB IX)

Der schwerbehinderte / gleichgestellte Mensch ist so einzusetzen, dass er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst umfassend einbringen und weiterentwickeln kann. Mehrarbeit (§207 SGB IX / SchwbVwV-P.4.4) Auf Verlangen sind schwerbehinderte / gleichgestellte Beschäftigte von Mehrarbeit freizustellen. Dazu zählen auch zusätzliche Vertretungs- und Aufsichtsstunden. Darüber hinaus sollen auch Themen angesprochen und berücksichtigt werden, die für die individuelle Situation der Lehrkraft oder des / der pädagogischen Assistent*in von Belang sind. Das zu erstellende Protokoll wird allen Teilnehmer*innen am Gespräch zur Verfügung gestellt, die angesprochenen und vereinbarten Punkte sind von der Schulleitung umzusetzen. Des Weiteren sind die individuellen Nachteilsausgleiche, die sich aus der besonderen gesundheitlichen Situation der einzelnen Person ergeben, zu beachten.

c) Dienstliche Beurteilung

Bei der Erstellung von dienstlichen Beurteilungen (SchwbVwV-P.5.7.) gelten besondere Regelungen. Vor der Beurteilung hat sich die beurteilende Person über die behinderungsbedingten Auswirkungen auf Leistung, Befähigung und Einsatzmöglichkeit kundig zu machen.

d) Altersteilzeit und Antragsruhestand

Schwerbehinderte Beschäftigte haben auch die Möglichkeit eine Altersteilzeit zu beantragen. Hierfür stehen das Blockmodell oder das Teilzeitmodell zur Wahl. Vor einer Beantragung sollte sich der/
die Beschäftigte unbedingt von der Bezirksvertrauensperson beraten lassen. Bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand von schwerbehinderten Beamten auf Antrag wurden die Antragsaltersgrenze
sowie die abschlagsfreie Altersgrenze angehoben. Ab dem Geburtsjahrgang Geburtsjahrgang 1969 liegt die Antragsaltersgrenze bei 62 Jahren und die Altersgrenze für die Bemessung des  Versorgungsabschlags bei 65 Jahren. Auch hier sollte man sich vor einer Beantragung von der Schwerbehindertenvertretung unbedingt beraten lassen, weil die Möglichkeiten der Zurruhesetzung
vom Geburtsdatum abhängig sind. Sobald man die individuellen Möglichkeiten der Zurruhesetzung weiß, gibt das LBV auf Antrag Auskunft über die zu erwartenden Pensionsansprüche.Auch die GEW berechnet die Pensionsansprüche, sofern man Mitglied ist.

Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

Des Weiteren muss die Schulleitung auf die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (SBV) achten: (§178 Abs. 2 SGB IX) In allen Angelegenheiten, die schwerbehinderte / gleichgestellte Menschen
(als Einzelperson oder Gruppe) betreffen ist die SBV unverzüglich zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Dazu gehören z.B. geplante Versetzungen/ Abordnungen. Da Menschen mit Behinderungen oft größere Schwierigkeiten haben sich auf eine neue Situation einzustellen, sollen sie gegen ihren Willen nicht versetzt werden. Ihrem Wunsch auf Versetzung soll möglichst entsprochen werden. Wird zu Vorstellungsgesprächen (SchwbVwV-P.3.3.) eingeladen, z.B. bei den schulscharfen Stellenausschreibungen, dann ist für Schulleitungen zu beachten, dass schwerbehinderte und  gleichgestellte Menschen eingeladen werden müssen. Eine Einladung ist nur dann entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. (§165 Abs.1 bis 4 SGB IX)

Folgendes Vorgehen ist bei Bewerbungen z.B. bei schulbezogenen Stellenausschreibungen zu beachten: 

Bewerbungen von schwerbehinderten / gleichgestellten Personen: örtliche SBV und PR sind unmittelbar nach Eingang der Unterlagen aller Bewerber/ innen zu unterrichten (§164 Abs.1 Satz 4 SGB IX) 
Die SBV hat das Recht auf Einsichtnahme in die entscheidungsrelevanten Teile aller Bewerbungsunterlagen sowie auf Teilnahme an allen Vorstellungsgesprächen (auch der nicht behinderten
Bewerber/innen) (§178 Absatz 2 Satz 3 SGB IX) Die Beteiligung der SBV am Vorstellungsgespräch entfällt, wenn die schwerbehinderte oder gleichgestellte Lehrkraft es ausdrücklich ablehnt. Die formale Beteiligung bleibt jedoch erhalten (§164 Abs.1 Satz 10 SGB IX) Die Beteiligung der SBV sollte im Sinne der betroffenen schwerbehinderten/ gleichgestellten Bewerberinnen und Bewerbern unbedingt eingehalten werden, ansonsten liegt ein Verfahrensfehler vor. Im Falle der Nichtbeteiligung der SBV ist die Entscheidung auszusetzen, Beteiligung innerhalb von sieben Tagen nachholen (§178 Abs.2 S.2 SGB
IX) Da hier eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, kann ein Bußgeldverfahren (§238 Abs.1 P.8 SGB IX) eingeleitet werden. Schwerbehinderte Lehrkräfte, die ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung
im Stellenbesetzungsverfahren nicht berücksichtigt wurden, haben Anspruch auf finanzielle Entschädigung (Verwaltungsgerichtshof BW vom 10.09.2013 Az.: 4S 547/12)

Schwerbehinderung und Datenschutz

Bezüglich des Datenschutzes ist zu beachten, dass Gesundheitsdaten zu den „besonderen Kategorien personenbezogener Daten“ gehören, die man auch als „sensible“ Daten bezeichnet und die einen  besonderen Schutz  genießen. Nach Art. 9 Abs. 1 EU- DSGVO ist ihre Erhebung und Verarbeitung vom Grundsatz her generell untersagt. Deshalb muss der Bescheid des Versorgungsamtes über die  Schwerbehinderung, in dem auch die für die Schwerbehinderung maßgebenden Krankheiten aufgeführt sind, der Schulleitung nicht Ursachen oder Gründen der Behinderung oder Erkrankung gefragt werden
Des Weiteren darf die Schulleitung auch nicht das Kollegium über den GdB von KollegInnen informieren. Bei Unklarheiten hilft die zuständige Schwerbehindertenvertretung gerne weiter und berät auch Schulleitungen. Detaillierte Informationen finden Sie auch unter der Rubrik Themen&Materialien auf der Internetseite der drei schulischen Hauptschwerbehindertenvertretungen beim Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg: http://schwerbehindertenvertretung-schule-bw.de 

Abschließend ist zu erwähnen, dass schwerbehinderte/behinderte Lehrkräfte und pädagogische Assistent*innen  aufgrund ihres GdB (Grad der Behinderung) keine Vergünstigungen bekommen, sondern alle zu ergreifenden Maßnahmen sind Nachteilsausgleiche, die überhaupt Teilhabe erst ermöglichen.

Ihre Aufgaben als Schulleitung:

  • Die Schwerbehindertenvertretung wird in allen Angelegenheiten, die schwerbehinderte / gleichgestellte Menschen (als Einzelperson oder Gruppe) betreffen unverzüglich unterrichtet und vor einer Entscheidung angehört.
  • Weiterleitung einer Kopie des Schwerbehindertenausweises/ Bescheid, aus dem der GdB hervor geht, ans SSA bzw. RP
  • Eintragung des GdB ins ASV-BW 
  • Gewährung des pauschalen Nachteilsausgleichs (Stundenermäßigung), ggf. rückwirkend
  • Befreiung von Mehrarbeit
  • Angebot des Teilhabegesprächs (mind.1x/Jahr vor der Planung des neuen Schuljahres)
  • Schwerbehindertenvertretung auf Wunsch der Lehrkraft zum Teilhabegespräch einladen
  • Änderung der Vereinbarungen aus dem Teilhabegespräch nur nach Rücksprache mit der Lehrkraft und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung
  • Schulscharfe Bewerbungen: schwerbehinderte /gleichgestellte Lehrkraft wird auf jeden Fall eingeladen, wenn die Bewerbungsvoraussetzungen erfüllt sind.
  • Die Schwerbehindertenvertretung wird zu allen Gesprächen einladen, wenn die Bewerbung einer schwerbehinderten/ gleichgestellten Lehrkraft vorliegt, Ihr wird Einsicht in alle  Bewerbungsunterlagen gewährt, das erstellte Ranking vorgelegt und die Schwerbehindertenvertretung hierzu angehört.
  • Lehnt die Lehrkraft eine Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung am Vorstellungsgespräch ab, bleibt dennoch das formale Beteiligungsrecht dieser erhalten: das Ranking ist ihr vorzulegen.
  • Beurteilung: zuvor sich kundig machen über die behinderungsbedingten Auswirkungen auf Leistung, Befähigung und Einsatzmöglichkeit

Christina Schmaltz,
Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten und gleichgestellten Lehrkräftefür den Bereich GHWRGS beim KM

Ulrike Haß-Scheuble,
stellv. Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten und gleichgestellten Lehrkräfte für den Bereich GHWRGS beim KM