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Corona-Pandemie

So kann es nicht weitergehen

Unausgereifte Regelungen der Politik: Immer wieder müssen die Schulen ihre Konzepte und Pläne verwerfen. Die GEW erwartet, dass die Landesregierung jetzt die Weichen für die Zeit bis zu den Sommerferien und für das nächste Schuljahr stellt.

Foto: Pixabay / CC0

Bei den Gesprächen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann wurden die pädagogischen Profis zwar gehört, aber zufrieden können sie nicht sein. Die GEW plädiert für einen Wechselunterricht ab Inzidenz 50, Fernunterricht ab 100 und eine funktionierende Teststrategie, die die Schulen nicht alleine lässt. Auch eine ausreichende Vorbereitungszeit ist nötig. Von allem kann keine Rede sein.

Erste Informationen, wie der Schulbetrieb nach den Osterferien weiterlaufen soll, gab das Kultusministerium am Gründonnerstag bekannt. Mehr Details folgten in den Ferien. Davor führte Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum ersten Mal seit der Coronakrise Spitzengespräche mit Vertreter*innen von Lehrkräften, Schüler*innen und Eltern. Die GEW-Landeschefin Monika Stein sagte nach dem ersten Gespräch: „Nach dem monatelangen Streit in der Landesregierung über die Corona-Strategie haben wir jetzt den Eindruck, dass die Meinung der pädagogischen Expertinnen und Experten wieder gefragt ist. Gut ist auch, dass der Landesschülerbeirat und der Landeselternbeirat mit am Tisch sitzen. Wir hoffen jetzt auf die Zusagen von Winfried Kretschmann, dass Öffnungen nur stattfinden, wenn eine klare Teststrategie und gute Sicherheitsmaßnahmen garantiert sind.“ Kultusministerin Susanne Eisenmann äußerte sich seit ihrer Wahlniederlage kaum mehr. Das Staatsministerium übernahm das Ruder. Die GEW rechnete vor den Ferien damit, dass aufgrund steigender Inzidenzen bestehende Öffnungen nach den Osterferien wieder zurückgenommen werden müssen.

So kam es auch. Die erste Woche nach den Osterferien fand kein Präsenzunterricht mehr statt. Für alle Schulen war Fernunterricht angesagt. Schul- beziehungsweise Wechselbetrieb hatten ausschließlich die Abschlussklassen und die SBBZ und Schulkindergärten mit den Förderschwerpunkten geistige sowie körperliche und motorische Entwicklung. Notbetreuung für die Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 bis 7 wurde eingerichtet. Die Woche sollte für die Landesregierung eine „epidemiologische Pause“ sein und auch dazu dienen, Erfahrungen mit Schnelltests an Schulen zu sammeln. Verpflichtend waren sie noch nicht.

Ab dem 19. April ist Wechselunterricht für alle Schulen geplant. Allerdings darf am Präsenzunterricht und der Notbetreuung in Landkreisen mit einer Inzidenz über 100 nur teilnehmen, wer vorher zweimal wöchentlich negativ getestet wurde. Als wären die Schulen nicht ohnehin schon am Limit, schreibt das Kultusministerium zehn Werktage bevor die Regelung gültig wird: „Um ein möglichst niederschwelliges Angebot zu machen, sollen die Tests in der Regel an der Schule durchgeführt und von schulischem Personal angeleitet und beaufsichtigt werden.“ Spätestens hier wird es für die Schulen anstrengend bis unzumutbar. Die Regelungen sind teilweise hochgradig detailliert, zum Beispiel steht da, mit welchen Tüten Mülleimer bestückt werden müssen. Immerhin bekommen die Schulen rund 550 Euro für die Einrichtung der Räume und notwendige Schutzausrüstung. Wenn es dagegen wirklich schwierig wird, werden die Vorschriften wachsweich: „Bitte stellen Sie sicher, dass insbesondere der Umgang mit positiven Testergebnissen pädagogisch begleitet wird.“ Grundschulen und SBBZ können die Tests auch in die Verantwortung der Eltern geben. Von einer Testpflicht kann man dabei allerdings nicht sprechen.

Die Organisation und die Verantwortung für die Selbsttestung der Schüler*innen werden auf die Schulen abgewälzt. Das kostet die Schulen viel Zeit, die der ohnehin halbierten Unterrichtszeit vor Ort verloren geht. Wenn Schulen Glück haben, finden sie mit Hilfe der Schulträger externe Unterstützung, die ihnen die schulfremde Arbeit abnimmt. Erste Anlaufstelle könnten auch die zahlreichen kommunalen Teststationen sein. Das Land stellt den Grundschulen und den SBBZ Geld zur Verfügung, mit denen das Personal bezahlt werden soll. Allerdings kommt man mit rund acht Euro für je elf Tests nicht weit.

Das Sozialministerium ist dafür zuständig, dass die Schulen genug Tests bekommen. Zweifel sind angebracht, dass alles reibungslos klappt. Die Tests reichen – wenn es gut läuft – für zwei Tests pro Woche. Die GEW und der Landeselternbeirat haben tägliche verpflichtende Tests gefordert. Insgesamt will das Land 45 Millionen Schnelltests für die Schule beschaffen.

Täglich darf der Präsenzunterricht nicht wechseln

Beim Spitzengespräch mit Kretschmann waren sich die Vertreter*innen der Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräften weitgehend einig, dass es Wechselunterricht nur geben kann, wenn die Zahl der Neuinfektionen zwischen 50 und 100 auf 100.000 Einwohner in einer Woche liegt. Liegt die Inzidenz drüber, müssten die Schulen geschlossen und Fernunterricht angeboten werden. Dies entspricht den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und auch die GEW mahnt seit langem, diese Werte zu beachten.

Jetzt heißt es im Schreiben des Kultusministeriums, Wechselunterricht sei vorgeschrieben „wenn es das Infektionsgeschehen zulässt“. Ab Inzidenz 100 gilt die Testpflicht und die Gesundheitsämter müssen bei vermehrten Infektionen prüfen, ob einzelne Schulen geschlossen werden. Ab Inzidenz 200 können die Gesundheitsämter prüfen, ob im Landkreis die Schulen geschlossen werden. Für die GEW ist allerdings fraglich, ob die Gesundheitsämter diese Arbeit leisten können. Ein täglicher Wechsel der Gruppen ist nicht mehr erlaubt, weil hierfür die Testkapazitäten fehlen. Schulen, die bereits Konzepte und Erfahrungen mit täglichem Wechsel haben, müssen den Mangel ausbaden und wieder einmal umplanen.

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Es ist für Schulen nichts Neues, dass sie mit unausgereiften Regelungen im Regen stehen und ihre Konzepte und Pläne verwerfen müssen. Eine Schulleiterin aus Karlsruhe hat sich mit einer Überlastungsanzeige ans Kultusministerium gewandt. Darin beschreibt sie unter anderem, welcher Aufwand für ihre Schule dahinter steckt, wenn die Verantwortlichen in Politik und Ministerien ihre Entscheidungen laufend ändern, Zuständigkeiten nicht klären oder an die Schulen delegieren. Ein unerträgliches Hin und Her gab es beispielsweise kurz vor der Landtagswahl. Als die Klassen 5 und 6 wieder Präsenzunterricht erhalten sollten, wechselten die Abstandsregeln kurz hintereinander mehrmals. Die Schulleiterin beschrieb, was das für ihr Gymnasium bedeutete (stark gekürzt):

„Am Donnerstag, 4. März teilte das Kultusministerium (KM) mit, dass die Klassen 5 und 6 ab dem 15. März wieder Präsenzunterricht bekommen sollen. Wieso kein Wechselunterricht? Darauf hatten wir uns eingestellt. Auf Rückfragen von Eltern und Lehrkräften, wie die Teststrategie aussehe, lautete: Keine Tests für Schüler*innen verfügbar. Unklar waren die Abstandsregeln. Einen Tag später kam eine Mail aus dem KM, die jeder anders verstand. Die Abstandsregeln waren noch schwammiger formuliert.

Am Montag begannen wir mit der Planung in der Schule. In der Auseinandersetzung mit der AL-Runde, Beteiligung des Örtlichen Personalrats (ÖPR) und der Beauftragten für Chancengleichheit (BfC) und Rücksprache mit Netzwerkern einigten wir uns so: Zwei Zimmer pro Klasse, Lehrkraft wechselt zwischen den Räumen, patrouillierende Sport- und Religionslehrkräfte beruhigen die Bedenken wegen der Aufsichtspflicht. Die Planung wirkte sich auf den Unterricht in den anderen Klassen aus. Lehrkräfte in Präsenz sollten von der Schule aus andere Klassen fernunterrichten. Allerdings sind die Geräte und das WLAN der Schule schlechter als die Ausstattung der Lehrkräfte zu Hause. Um die Mittagszeit kam eine Mail vom Regierungspräsidium (RP): Keine Abstände im Unterricht. Planung von gerade also doch für die Katz?“

Die GEW protestierte zur gleichen Zeit gegen das fehlende Abstandsgebot und plädierte für Wechselunterricht. Ohne Teststrategie und gute Sicherheitsmaßnahmen sei der Gesundheitsschutz nicht garantiert. Am 11. März entschied die Politik trotzdem: Es gilt kein förmliches Abstandsgebot. Allerdings sollen die Schulen dafür sorgen, dass die Kinder von Montag an – wenn möglich – beim Präsenzunterricht den coronabedingten Abstand von eineinhalb Metern einhalten. Eisenmann hatte erklärt, die Schulen sollten – wenn möglich – größere Räume nutzen oder die Klassen auf zwei Unterrichtsräume aufteilen. Ministerialdirektor Michael Föll schrieb an die Schulen, es sei auch möglich, den Unterricht aus dem einen Klassenzimmer in ein anderes zu übertragen.

Die Karlsruher Schulleiterin schrieb dazu: „Wir holen also die Kinder aus dem guten Fernunterricht an die Schule, um dort die Hälfte wieder aus der Ferne zu beschulen – allerdings deutlich schlechter. An unserer Schule begannen neue Diskussionen. Sollen wir 30 Kinder in einen Raum stecken, damit wir sie besser unterrichten können oder lieber dem Gesundheitsschutz Vorrang einräumen? Letztlich entschieden wir: Wir halten Abstände in zwei Räumen und machen Tests zum Selbstdurchführen zumindest einmal zu Beginn. Dafür gaben wir 3.500 Euro aus. Anschließend folgte wieder eine detaillierte Raumplanung. K2 möglichst isolieren, da die Woche drauf Kommunikationsprüfungen sind und Quarantänefälle alles durcheinanderbringen würden. Fachräume mussten als Klassenzimmer genutzt werden. Die Lehrkräfte hüpften zwischen den Räumen. Wir stellten Überlegungen an zur Einteilung des Schulhofs und der Fahrradständer, zu Pausen, zur Aufsicht in den Randzeiten, zu Nachmittagsunterricht, zur -betreuung, zur Mensa – aber alles nur bis Ostern! Warum wird die Basis nicht gefragt? Seit Mai 2020 fragen alle Kolleg*innen: ‚Warum holen wir die Abschlussklassen an die Schule und nicht die Klassen 5 und 6? Die Großen kommen super mit dem Fernunterricht klar, die Kleinen tun sich schwer.‘ Tausendfach ist uns das auf Twitter oder an anderer Stelle rückgemeldet worden.“

Die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein sagt: „Ein Hick-Hack dieser Art darf es nicht länger geben. Die GEW erwartet, dass die Landesregierung die Weichen für die Zeit bis zu den Sommerferien und für das nächste Schuljahr stellt. Ob Fernunterricht, Wechselunterricht oder hoffentlich bald wieder Präsenzunterricht für alle Kinder und Jugendlichen: Alles funktioniert nur mit mehr Personal.“

Kontakt
Maria Jeggle
Redakteurin b&w
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