Zum Anwendungsbereich des Code of Conduct „gehören beispielsweise Lernortkooperationen, Begegnungen mit der Berufspraxis, Förderungen der fachlichen und überfachlichen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften, berufliche Orientierung, ökonomische und sozioökonomische Bildung, MINT-Förderung und der Übergang in Ausbildung, Studium und Beruf.“
Interessensorganisationen der Arbeitgeber und der Wirtschaft haben in den vergangenen Jahren ganz massiv versucht, Einfluss auf die Schule zu nehmen. Dies reicht von Führungsfortbildungen für Schulleitungen über die Ausarbeitung eines Leitfades für Qualitätsentwicklung an Schulen, die Organisation von autonomer Schule bis hin zur Einflussnahme auf Unterrichtsinhalte mit Unterrichtsmaterialien. Ein besonders dreistes Bespiel leistete sich vor kurzem die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, die die Bundeszentrale für politische Bildung aufforderte, einen Sammelband zur sozioökonomischen Bildung „in dieser Form nicht weiter zu vertreiben“, weil dieser „ideologische“ und „voreingenommene Anschuldigungen“ hinsichtlich der Öffnung von Schulen für Unternehmen und des zunehmenden Lobbyismus an Schulen enthalte. Aus Sicht der GEW ist es deshalb dringend notwendig, den Einfluss von Wirtschaft auf die Schule zu regulieren und vor allem zu begrenzen!
Ob dies allerdings mit dem Code of Conduct gelingt bzw. ob dies überhaupt das Ziel war, ist mehr als fraglich. Der Gesetzgeber, das Land, hätte eine Begrenzung des Einflusses der Wirtschaft im öffentlichen Schulwesen ohne Problem auch mit entsprechenden rechtlichen Regelungen erreicht. Der Code of Conduct hat jedoch die Vertreter/innen der Wirtschaft zu gleichberechtigten Verhandlungspartnern gegenüber den demokratisch gewählten Organen des Landes gemacht. Es spricht schon Bände, wenn das Kultusministerium erklärt: „Die Unterzeichner des Code of Conduct erkennen die landesrechtlichen Vorgaben an.“ Dürfen Vertreter/innen der Wirtschaft jetzt mit der Landesregierung verhandeln, ob sie rechtliche Regelungen einhalten?
Der Text selbst hält unter anderem fest: „Die Zusammenarbeit zwischen Schule, Wirtschaft, Arbeitswelt und außerschulischen Bildungspartnern ist ein wichtiger Bestandteil der Bildung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg. […] Eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Schulen mit Wirtschaft, Arbeitswelt und außerschulischen Bildungspartnern kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.“ Hier geht es in keiner Weise mehr um eine Begrenzung oder Regulierung des Einflusses der Wirtschaft – sondern um das genaue Gegenteil.
Bemerkenswert ist auch, dass das Kultusministerium selbst einen Bezug zum neuen Fach Wirtschaft herstellt: „Insbesondere bei der Einführung des neuen Fachs Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung legen wir von Beginn an großen Wert darauf, dass die Inhalte ausgewogen und multiperspektivisch dargestellt werden. Mit dem Code of Conduct verpflichten sich nun alle Bildungspartner ausdrücklich zu Transparenz, Neu-tralität und Ausgewogenheit.“
Bislang war es im Schulbereich üblich, dass die Inhalte eines Faches durch die entsprechenden Bildungspläne des KM definiert werden und dass dabei selbstverständlich das Überwältigungsverbot und das Kontroversitätsgebot gelten. Jetzt wird diesem Bildungsplan offensichtlich ein Verhaltenskodex übergestülpt, der den Inhalten des Faches Wirtschaft quasi übergeordnet ist und damit sowohl die Einführung des Faches als auch dessen Inhalte legitimiert. Die Landesvereinigung der Arbeitgeber forderte denn auch gleich, dass nach der Unterzeichnung des Konsenses die unberechtigte Kritik am Schulfach Wirtschaft eingestellt werden müsse.
Für die GEW ist der Code of Conduct kein Mittel, um den Einfluss der Wirtschaft bzw. von Lobbyisten an den Schulen einzudämmen oder zu regulieren. Der einzige Lichtblick sind die Handlungshilfen, die dem Code beigefügt sind. Hier werden Kriterien definiert, anhand derer Lehrkräfte und Schulen Angebote überprüfen können. Ob und welche Wirksamkeit diese in der schulischen Praxis entfalten werden, wird man abwarten müssen.
Verhaltenskodex schützt Schulen nicht
Kultusminister Stoch hat mit Arbeitgebern, Sozialpartnern, Kammern und Arbeitnehmern einen Verhaltenskodex (Code of Conduct) unterzeichnet, der die „Zusammenarbeit zwischen Schule, Wirtschaft, Arbeitswelt und außerschulischen Bildungspartnern“ regeln soll. Die GEW will den Einfluss der Wirtschaft auf Schule begrenzen.