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Staatsverschuldung

Vermögensabgabe zur Finanzierung der Coronakosten?

Die Corona-Krise verursacht für die Jahre 2020 und 2021 Kosten in Höhe von geschätzt 1,5 Billionen Euro. Das hat eine stark steigende Staatsverschuldung zur Folge, die den zukünftigen finanziellen Handlungsspielraum einengt. Wer soll das bezahlen?

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Ungleiche Verteilung

Das Bundesfinanzministerium schätzt, dass sich aus der Corona-Krise für die Jahre 2020 und 2021 gigantische 1,5 Billionen Euro Gesamtkosten ergeben. Folge ist unter anderem eine stark steigende Staatsverschuldung, die den zukünftigen finanziellen Handlungsspielraum einengt. Da stellt sich auch für die GEW die Frage, wer das bezahlen soll.

Grundsätzlich ist Staatsverschuldung volkswirtschaftlich nicht schädlich, im Gegenteil. Wird das geliehene Geld in Zukunftsprojekte investiert – Beispiele hierfür sind höhere Ausgaben in Bildung und Jugendhilfe –, wird oftmals inklusive Zinsen ein Vielfaches an Rendite erwirtschaftet. Hinzu kommt, dass sich der Staat derzeit Geld zu Negativzinsen leihen kann, er verdient also faktisch am Schuldenmachen. Die aktuellen schuldenfinanzierten Krisenausgaben fließen jedoch vorrangig nicht in Zukunftsinvestitionen, sondern dienen in erster Linie und oftmals notwendigerweise dazu, den wirtschaftlichen Absturz zu begrenzen und die sozialen Folgen der Pandemie zu mildern. Die Staatsverschuldung steigt also, ohne dass über Investitionen im gleichen Umfang zusätzliche Werte entstehen.

Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund von aktuell zwei zentralen Herausforderungen bedenklich:

Erstens: In den letzten Jahrzehnten wurden große Vermögen und Einkommen steuerrechtlich privilegiert. Die daraus resultierenden Einnahmeverluste der öffentlichen Hand dienten dazu, eine massive Sparpolitik zu rechtfertigen. Die Ergeb­nisse waren – neben einer Zunahme sozialer Ungleichheit – zu geringe öffentliche Investitionen und ein weiterer ­Verfall der öffentlichen Infrastruktur und ein Mangel an öffentlichen Dienstleistungen und Gütern. Gerade jetzt in der Pandemie wird dies im Bildungs- und Gesundheits­system mehr als deutlich. Laut­ ­Städte- und Gemeindebund beläuft sich der Investitions­rückstand nur in Städten und Gemeinden auf 159 Milliarden Euro, im Bildungsbereich sind es 50 Milliarden Euro.

Zweitens: Unsere Gesellschaft steht angesichts der Erderhitzung vor enormen Herausforderungen. Jetzt muss mit einer wirkungsvollen und nachhaltigen sozial-ökologischen Transformation begonnen werden. Der hierzu notwendige Investitionsbedarf wird weltweit auf über 100 Billionen Euro bis 2050 geschätzt, der deutsche Anteil dürfte sich ebenfalls im Billionenbereich bewegen.

Um neben der Coronakrise auch diese beiden Herausforderungen bewältigen zu können, muss über Finanzierungsmöglichkeiten jenseits von Kreditfinanzierung nachgedacht werden. In letzter Zeit wurde daher wieder vermehrt die Forderung nach einer Vermögensab­gabe erhoben. Diese Forderung ist nicht gegen den so genannten „Mittelstand“ gerichtet, wie reflexartig unterstellt wird. Vielmehr sollen große Vermögen, die vielfach leistungslos zum Beispiel durch Erbschaften, Dividendenzahlungen oder durch Leerverkäufe an ­Aktienmärkten erworben wurden, in angemessener Weise an der Finanzierung der Krisenkosten beteiligt werden. Zumal sich in einer neueren Studie des DIW herausgestellt hat, dass die Vermögen weitaus stärker konzentriert sind als bisher angenommen: Die oberen zehn Prozent besitzen demnach gut zwei Drittel des gesamten individuellen Nettovermögens. Das reichste Prozent der Bevölkerung vereint rund 35 Prozent des Vermögens auf sich. Ob kleine und mittlere Unternehmen und Vermögen zur Finanzierung herangezogen werden oder nicht, hängt nicht von der grundsätzlichen Entscheidung für oder gegen eine Vermögensabgabe ab, sondern von deren Ausgestaltung. Sparmaßnahmen werden dagegen gerade diejenigen Bevölkerungs- und Beschäftigtengruppen belasten, die jetzt als systemrelevant hoch gelobt werden. Dazu gehören unter anderem sozialpädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte.

Die GEW muss also ein Interesse daran haben, dass die Diskussion über Instrumente zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben nicht auf die Zeit nach der Pandemie verschoben wird. Allzu schnell sind die Weichen in die falsche Richtung gestellt. Dafür werden hinter den Kulissen beispielsweise die ca. 1.500 Lobbyisten der Finanzindustrie in Berlin mit ihrem mindestens 200 Millionen Euro umfassenden Jahresetat sorgen. Die Gewerkschaften müssen sich hier auch im Interesse ihrer Mitglieder auf ihre klassische Rolle als Gegenmacht besinnen.