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Berufliche Schule

Von der Wirtschaft lernen

Das Kaufmännische Schulzentrum Böblingen ist seit 1992 Uta Berners Arbeitsplatz. Die Schulleiterin hat viele Ideen, wie die Schule für die Kolleg*innen attraktiver werden und was sich für die Schüler*innen verbessern könnte.

Kaufmännisches Schulzentrum Böblingen: Uta Berner (links), Schulleiterin, und Hans Maziol (rechts), Personalrat
Kaufmännisches Schulzentrum Böblingen: Uta Berner (links), Schulleiterin, und Hans Maziol (rechts), Personalrat (Foto: Andrea Toll)

Seit 1992 arbeitet Uta Berner am Kaufmännischen Schulzentrum Böblingen. Zuerst als Referendarin und Lehrerin, dann als Abteilungsleiterin und seit zehn Jahren als Leiterin. „Die Schule liegt mir sehr am Herzen und ich möchte sie mitgestalten. Für mich ist es ein toller Job. Trotzdem muss ich gut auf mich aufpassen und einen Ausgleich zu meiner Arbeit schaffen“, erzählt Berner gut gelaunt.

Als Arbeitgeber attraktiver werden

Der wachsende Berg an Aufgaben und Verwaltungstätigkeiten nimmt viel Zeit in Anspruch – Zeit, die ihr an anderen Stellen fehlt. Sie wünscht sich weniger Bürokratie und mehr Flexibilität von der Schulverwaltung. „Was Letzteres anbelangt, sollten wir von der Wirtschaft lernen“, erklärt die Schulleiterin. Schule fällt heute als Arbeitgeber oft durchs Raster, weil Jobs in der Wirtschaft flexibler und attraktiver sind. Dahingegen hat das Land die Stundenzahl für Referendar*innen erhöht, Teilzeit erschwert und die Abstände der Sabbatjahre gestreckt. „Das führt bei vielen Kolleg*innen zu Unmut und macht uns als Schule nicht anziehender. Ein Großteil der jungen Menschen will keinen Vollzeitjob mehr“, weiß Hans Maziol, Personalrat am Kaufmännischen Schulzentrum und außerdem Mitglied im Bezirkspersonalrat Berufliche Schulen am Regierungspräsidium Stuttgart und GEW-Landesschatzmeister.

Zwar spürt Berner den Fachkräftemangel, aber „es brennt noch nicht lichterloh“, wie sie es formuliert. Zum einen sei das der guten Lage der Schule geschuldet. Böblingen liegt nur 20 Kilometer von Stuttgart entfernt und zählt zum Speckgürtel der Landeshauptstadt, was viele Kolleg*innen als Pluspunkt werten. Zum anderen hat schon vor Jahren ein Generationswechsel am Kaufmännischen Schulzentrum stattgefunden, und das Kollegium mit 115 Lehrer*innen ist verhältnismäßig jung. Sie arbeiten in den einzelnen Abteilungen in Teams eng zusammen. „Das Einzelkämpfertum gibt es nur noch wenig“, zeigt sich Berner zufrieden.

Demokratiebildung ist wichtig

Ein brennendes Thema am Schulzentrum ist die Demokratiebildung. Viele Lehrer*innen engagieren sich dafür, was die Schulleiterin nicht nur unterstützt, sondern als Pflicht ansieht. „Als ,Schule ohne Rassismus‘ sind wir hier sehr aktiv. Wir haben einen erzieherischen Auftrag, und es ist unsere Aufgabe, Werte zu vermitteln. Als letzte Instanz vor dem Berufsleben haben wir die Chance dazu“, unterstreicht sie.

So haben sie vor Kurzem eine Bildungspartnerschaft mit dem Haus der Geschichte in Stuttgart auf den Weg gebracht. „Endlich fragt mal eine berufliche Schule an“, sei die positive Reaktion vom politisch-historischen Landesmuseum gewesen, führt Berner weiter aus. Zusammen haben sie einiges vor: Projekte an der Schule genauso wie Exkursionen nach Stuttgart. „Die Kolleg*innen brennen dafür und legen sich ins Zeug – nicht nur bei diesem Thema, sondern sie übernehmen auch viele andere Aufgaben extra, zum Beispiel beim Tag der offenen Tür. Leider wird ihr Engagement nicht durch Anrechnungsstunden wertgeschätzt“, ergänzt Maziol, und Berner nickt zustimmend.

Bereichsegoismen als Bremsklotz

Ein mutiger Schritt wäre für Berner, wenn Möglichkeiten für Kinderbetreuung geschaffen würden. „Dadurch könnten wir die Kolleg*innen mit Kindern enorm entlasten und zudem den frühen Wiedereinstieg nach der Geburt eines Kindes ermöglichen, was dazu beitragen würde, dem Lehrerkräftemangel entgegenzuwirken“, ist sie überzeugt. „Auch da hinken wir hinter der Wirtschaft hinterher“, bedauert sie und kommt gleich auf den nächsten Punkt, der in ihren Augen schnell an allen Schulen umgesetzt werden sollte: die Schulverwaltungsassistenz.

Seit 2006 läuft das Projekt immer noch als Modell, obwohl es erfolgreich umgesetzt wird, zum Beispiel am Bildungszentrum Weissacher Tal. „Es wäre eine große Erleichterung, wenn ich jemanden hätte, der die vielen Verwaltungsaufgaben übernehmen würde“, betont Berner. Dann könne sie sich auf ihre originären Aufgaben wie die Schulentwicklung konzentrieren. Auch die Fortsetzung des Projekts „Rückenwind“ und die Einführung einer einheitlichen Lernplattform für alle Schulen würde sie begrüßen.

Verändertes Schüler*innenklientel

Eine weitere Herausforderungen ist die sich stark verändernde Schülerschaft. Das Kaufmännische Schulzentrum, das Wirtschaftsgymnasium, Wirtschaftsschule, Kaufmännische Berufsschule sowie Kaufmännische Berufskollegs unter einem Dach vereint, hat schon seit jeher ein heterogenes Schüler*innenklientel. „Durch die Geflüchteten stehen wir heute vor ganz anderen Herausforderungen“, gibt Berner zu verstehen. Die Anzahl geflüchteter Schüler*innen hat kontinuierlich zugenommen und steigt weiterhin an.

Gute Erfahrungen macht das Schulzentrum mit dem einjährigen Bildungsgang Ausbildungsvorbereitung dual (AV dual), den es 2021 eingeführt hat. Er richtet sich an nicht volljährige Jugendliche mit oder ohne Hauptschulabschluss, die Unterstützung benötigen beim Übergang von der Schule in eine Ausbildung. „Wir konnten namhafte Paten gewinnen, wie Stefan Wolf, den Vorsitzenden des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, das Autohaus Weeber, Paul Nemeth, den jahrelangen Landtagsabgeordneten sowie einen ehemaligen Schüler mit Migrationshintergrund, der heute Jura studiert. Zudem haben wir AV dual offiziell und feierlich eingeführt. Dadurch hat es ein positives Image erhalten, und die Schüler*innen sind stolz, in diesem Bildungsgang zu sein“, berichtet die Schulleiterin.

Vier Lerngruppen im AV dual gibt es am Schulzentrum. Die Schüler*innen werden durch niveaudifferenzierten Unterricht individuell gefördert und von AVdual-Begleiter*innen unterstützt, beispielsweise bei der Suche nach Praktika. Denn Ziel ist, dass möglichst alle Schüler*innen den Hauptschulabschluss erwerben oder verbessern und einen Ausbildungsplatz finden. „Die zusätzlichen Lehrerstunden, die uns bei der Einführung des Bildungsgangs zur Verfügung standen, werden sukzessive gekürzt. Dabei bräuchten wir diese dringend, um den Jugendlichen entsprechend zur Seite stehen zu können. An motivierten Lehrkräften mangelt es nicht“, sagt Berner mit Nachdruck.

Mitgestaltung der Schulzukunft

Mit der Zusammenarbeit mit dem Landkreis Böblingen als Schulträger sind Berner und Maziol zufrieden. Von ihm fühlen sie sich geschätzt und gut versorgt. Zurzeit arbeiten sie gemeinsam an der Idee für einen Bildungscampus für das Kaufmännische Schulzentrum und die Mildred-Scheel-Schule. Die Hauswirtschaftliche Schule liegt nicht weit entfernt vom Schulzentrum. Deswegen bietet es sich an, Gebäude zusammen zu nutzen, zum Beispiel den Eingangsbereich. Hier könnten die Agentur für Arbeit und die IHK, eine Gesundheitsberatung, das Büro für Sozialarbeiter*innen und die Bibliothek einen zentralen Platz bekommen. „Das wird noch Jahre dauern, bis das Realität wird. Aber wir arbeiten daran, und in unseren Augen ist das ein innovativer Ansatz, die Schüler*innen beider Schulen näher zusammenzubringen“, bekräftigt Berner. Sanierungsbedarf besteht allemal: Das Schulzentrum wurde in den 50er-Jahren gebaut.

Über der Tür in der Mensa steht in großen Lettern das Leitbild des Schulzentrums „Lernen und Leben in Vielfalt und Wertschätzung“. „Das ist heute noch genauso aktuell wie 2007, als es dort aufgemalt wurde“, versichert Berner, bevor sie ihren Lieblingsplatz an der Schule zeigt: die große Terrasse vor der Mensa, wo sich Schüler*innen und Lehrer*innen zur Mittagszeit tummeln. Dafür muss es allerdings noch ein paar Grad wärmer werden.

Kontakt
Maria Jeggle
Redakteurin b&w
Telefon:  0711 21030-36