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Arbeitszeiterfassung

Vor allem Teilzeit-Lehrkräfte sollten ihre Arbeitszeiten dokumentieren

Lehrkräfte wissen zwar, wie viele Unterrichtsstunden sie halten müssen, wie viel Arbeitszeit sie darüber hinaus aufwenden, ist meist nur eine gefühlte Größe. Wer seine Arbeitszeiten erfasst, weiß auch das genau und kann im besten Fall gegensteuern.

Foto: Shutterstock/GEW

Seit Frühjahr letzten Jahres habe ich einen neuen Job. Ein Job ohne Urlaub, ohne Gehalt und ohne Feierabend. Richtig, ich bin Mutter geworden und aktuell in Elternzeit. Was das bedeutet, erfahre ich seit einiger Zeit. Gerade schreibe ich diesen Text nach einem anstrengenden Tag mit einem kränkelnden Kind. Ich bin müde. Letzte Nacht wurde ich achtmal vom hustenden und weinenden Baby geweckt. Erholsamer Schlaf ist das nicht. Wenn ich nun daran denke, nach so einer Nacht wieder fit in der Schule stehen zu müssen, wird mir ganz anders.

Aber genug gejammert – es gibt schließlich auch gute Nachrichten. Wir haben tatsächlich einen der raren Kita-Plätze bekommen. Mein Sohn wird in der Betriebs-Kita des Arbeitgebers meines Partners betreut. Ab Frühjahr 2025 gehöre dann auch ich zur Gruppe der Teilzeit-Lehrkräfte. Ich starte als Sonderpädagogin in Teilzeit mit 16 Deputatsstunden. Und nein, es ist kein Zufall, dass die Teilzeitquote bei Lehrkräften so hoch ist. Im Schuljahr 2023 /20 24 hatten an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen nur noch 41,3 Prozent der Lehrkräfte einen vollen Lehrauftrag. Warum? Ganz einfach: Der Frauenanteil im Lehrkräfteberuf ist besonders hoch. An den öffentlichen allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg betrug im Schuljahr 2023 / 2024 der Frauenanteil 75,0 Prozent. Meistens sind es immer noch die Mütter, die aus pragmatischen, finanziellen oder organisatorischen Gründen die Care-Arbeit übernehmen und bereit sind, ihre Karriere zugunsten von Familienaufgaben zurückzuschrauben. Darauf hat das Statistische Bundesamt in einer Untersuchung Anfang letzten Jahres hingewiesen.

Was Teilzeit bedeutet

Ich habe mich mit einigen Kolleginnen aus der Jungen GEW ausgetauscht. Dabei ist uns aufgefallen: Obwohl die Arbeitszeit formell reduziert wird, verringert sich die Arbeit nicht im gleichen Maße. Eine durch Deputatskürzung erreichte größere Flexibilität führt zusammen mit einer Arbeit in einem System, das notorisch unterversorgt ist, dazu, dass mehr Aufgaben übernommen werden. Oft übernehmen Teilzeit-Lehrkräfte Klassenleitungen mit allen damit verbundenen Aufgaben wie Elterngesprächen, Elternabenden und Zeugnis-Schreiben. Sie übernehmen Prüfungskorrekturen wie ihre Vollzeit-Kolleg*innen, fahren mit ins Landschulheim und nehmen an Besprechungen teil. Lediglich die Unterrichtsstunden werden reduziert – und natürlich das Gehalt. So sind es gerade die Teilzeit-Lehrkräfte, die gemessen an ihrer reduzierten Stundenzahl unverhältnismäßig viel für ihr Geld leisten müssen. Die GEW Niedersachsen hat in einer Studie 2016 zur Arbeitszeit herausgefunden, dass die strukturelle Mehrbelastung von Teilzeitkräften teilweise bei über vier Stunden liegt.

Erschwerend hinzu kommen die starren Stundenpläne im Lehrberuf. Ein Arzttermin für die Kinder am Vormittag? Schwierig. Mal zehn Minuten später kommen, weil das Kind länger brauchte, um sich an der Kita-Tür von der Mama zu lösen? Ganz schlecht. Das klappt natürlich besser, wenn man einen Beruf mit flexibler Gleitzeit hat.

Wenn wir über Teilzeitarbeit sprechen, müssen wir allerdings auch bedenken, was sie für das Kollegium bedeutet. Je mehr Teilzeitarbeitskräfte in einer Schule arbeiten, desto schlechter werden die Stundenpläne, Unterrichtsausfälle nehmen zu und die Absprachen werden schwieriger. Der Frust ist enorm.

Einfach länger zuhause zu bleiben, ist aber häufig aufgrund der finanziellen Situation nicht möglich. Ein Gehalt reicht heute nicht mehr aus, um eine Familie zu ernähren, besonders in Gegenden mit hohen Wohnkosten. Es gibt also den Balanceakt zwischen Familie, Beruf und dem finanziellen Druck. Frust auf beiden Seiten lässt erahnen, dass es einen richtigen Weg kaum gibt.

Wie viel Arbeitszeit steckt hinter den Depuatstunden?

Viele Lehrerinnen wissen zwar, wie viele Deputatsstunden sie aufgrund ihrer reduzierten Arbeitszeit leisten müssen, aber nur wenige sind sich der tatsächlichen Wochenarbeitszeit bewusst. Die wöchentliche Arbeitszeit lässt sich aber berechnen. Dabei kommt es darauf an, ob auch in den Ferien gearbeitet wird oder man in den Ferien komplett „schulfrei“ haben möchte, also auch keine Vor- oder Nachbereitung macht. Anker für meine Berechnung ist dabei die vorgeschriebene Arbeitszeit für Beamt*innen von 41 Stunden bei 30 Tagen Urlaub und natürlich freien Wochenenden und Feiertagen. Auf das Jahr hochgerechnet kommt man so auf eine Jahresarbeitszeit von rund 1.800 Stunden. Das Vollzeitdeputat für Lehrer*innen am SBBZ beträgt 26 Stunden, das der 41-Stunden-Woche entspricht. Oder anders formuliert: Unser Dienstherr geht davon aus, dass aufgrund der vielen Arbeiten rund um den Unterricht bei 26 Deputatsstunden die vorgeschriebene Jahresarbeitszeit erfüllt wird.

Was bedeutet das nun konkret für meine Situation? Würde ich in den Ferien 30 Tage Urlaub machen und an den anderen Tagen in den Ferien arbeiten und ebenfalls an Feiertagen und Wochenenden nicht arbeiten, dann würden meine 16  Deputatsstunden einer Wochenarbeitszeit von 25 Stunden und 12 Minuten entsprechen. Wenn ich mir die Ferien komplett arbeitsfrei halten möchte, müsste ich in den Schulwochen eine Arbeitszeit von 30 Stunden und 9 Minuten ableisten.

Sollte sich – über die konkrete Messung der Arbeitszeit – herausstellen, dass mehr Arbeitsstunden geleistet werden, als vorgesehen und bezahlt, muss überlegt werden, wie diese reduziert werden können. Hier stößt man schnell auf die Begrifflichkeit der teilbaren und unteilbaren Aufgaben. Außer der Teilnahmepflicht an Konferenzen und der Pflicht zur Fortbildung sowie zum Einholen von Informationen sind alle weiteren Aufgaben theoretisch als teilbar anzusehen. So ist es durchaus denkbar, eine Klassenleitung auf mehrere Kolleg*innen zu verteilen und damit auch Elterngespräche und Zeugnisschreiben. Dafür können und sollten auch die Schulleitung, die Beauftragte für Chancengleichheit oder der Personalrat ins Boot geholt werden. Manchmal können auch strukturelle Veränderungen nötig sein: Muss es beispielsweise wirklich eine Weihnachtsfeier und ein Sommerfest für die Eltern geben? Muss jede Jahrgangsstufe ins Landschulheim fahren? Manchmal kann auch die Lehrkraft durch verändertes Vorbereitungsverhalten Arbeitszeit einsparen. Muss das Arbeitsblatt wirklich selbst erstellt werden, oder gibt es bereits gute fertige Materialien? Wo kann ich durch ritualisierte, gleichbleibende Formate Vorbereitungszeit einsparen? Hier lassen sich oft individuelle Lösungen finden.

Arbeitszeit erfassen

In diesem Zusammenhang wird die präzise Arbeitszeiterfassung für Teilzeit-Lehrkräfte entscheidend. Es ist wichtig, dass gerade Teilzeit-Lehrkräfte wissen, wie viele Stunden sie jede Woche arbeiten müssen und die tatsächlichen Arbeitsstunden auch festhalten. Nur durch eine transparente Erfassung können wir sicherstellen, dass unsere tatsächliche Arbeitszeit auch anerkannt wird. Eine genaue Dokumentation hilft, die Diskrepanz zwischen dem formalen Arbeitsaufwand und der tatsächlichen Arbeitsbelastung sichtbar zu machen, um die Forderung nach einer gerechteren Anerkennung unserer Arbeit zu untermauern. Warum sollten Eltern in Teilzeit zusätzlich zur meist unbezahlten Care-Arbeit auch noch unbezahlte Erwerbsarbeit leisten?

Kontakt
Martin Schommer
Referent für Tarif-, Beamten- und Sozialpolitik
Telefon:  0711 21030-12