Tarifrunde TVöD 2023
Warnstreiks gehen weiter
Rund 600 Beschäftigte haben in Pforzheim und Rottenburg die Warnstreikwoche eingeleitet, nachdem die Arbeitgeber*innen vergangene Woche ein Angebot vorgelegt hatten, das die Gewerkschaften nicht akzeptieren konnten.
Gut 300 Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst der Stadt Pforzheim haben sich an dem von Verdi und GEW ausgerufenen Warnstreik beteiligt. Es ist der erste Warnstreiktag nachdem die Arbeitgeber*innen letzten Donnerstag ein Angebot vorgelegt haben, das die GEW als „lächerlich“ bezeichnet. In Baden-Württemberg wurde außerdem in Rottenburg gestreikt. Insgesamt waren rund 600 Beschäftigte beteiligt.
„Das Angebot der Arbeitgeber*innen läuft auf eine reale Gehaltskürzung hinaus. Die angebotene Erhöhung um drei Prozent erst ab Oktober 2023, dann um weitere zwei Prozent ab Juni 2024 und bis Ende März 2025 keine weiter Steigerung ist auch angesichts des dramatischen Fachkräftemangels lächerlich. Bei der Inflation, die immer noch über acht Prozent liegt, würde das einen massiven realen Gehaltsverlust bringen. Die Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2.500 Euro helfen nur vorübergehend, verpuffen aber letztlich“, sagte GEW-Landesvorsitzende Monika Stein zum Beginn der Warnstreikwoche.
„Die Beschäftigten werden sich das nicht bieten lassen. Das war heute wieder deutlich zu spüren. Sauer sind sie auch darüber, dass die Altersteilzeitregelungen nicht verlängert werden sollen. Wir setzen jetzt auf Streiks in dieser und in den nächsten Wochen bis zur dritten Verhandlungsrunde. Der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) wird und muss klar werden, dass sie deutlich nachlegen müssen. Erzieher*innen und auch alle anderen Berufsgruppen im öffentlichen Dienst brauchen mehr und verdienen mehr. Wie eine Gehaltskürzung die Berufe im öffentlichen Dienst attraktiver machen sollen, kann sicher niemand erklären. Allein in den Kitas in Baden-Württemberg fehlen bis 2025 40.000 Erzieher*innen, um den notwendigen Kita-Ausbau voranzubringen“, mahnte Stein.
In dieser Woche haben die Gewerkschaften in Baden-Württemberg zu weiteren Streiks aufgerufen. Unter anderem wird morgen, am 28. Februar, in Tübingen, Böblingen, Baden-Baden, Rastatt und im Landkreis Rems-Murr gestreikt. Am Mittwoch gibt es in Esslingen und Mannheim einen Azubi-Streiktag. Gestreikt wird dann auch in der Ortenau. Am Freitag wir unter anderem in Karlsruhe gestreikt.
In der Tarifrunde für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes beim Bund und den Kommunen fordern die Gewerkschaften monatlich 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Für Auszubildende und Praktikant*innen sowie dual Studierende wollen sie monatlich 200 Euro mehr durchsetzen. Außerdem soll tariflich geregelt werden, dass Auszubildende nach der Ausbildung unbefristet übernommen werden. Weil die Tarifverträge zur Altersteilzeit mit Bund und VKA am 31. Dezember 2022 ausgelaufen sind, wollen die Gewerkschaften auch die tariflichen Regelungen zur Altersteilzeit verlängern.
Bisher fanden zwei Verhandlungsrunden am 24. Januar und am 22. und 23. Februar statt. Die dritte Verhandlungsrunde ist für den 27. bis 29. März 2023 terminiert. Die Verhandlungen finden in Potsdam statt. Verdi leitet dort die Verhandlungen für die Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
Tarifrunde betrifft auch Beschäftigte bei freien und kirchlichen Trägern
Die Gewerkschaften verhandeln bundesweit für rund 2,5 Millionen Beschäftigte. Im Organisationsbereich der GEW wird für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst verhandelt, beispielsweise für Erzieher*innen sowie Sozialarbeiter*innen.
In Baden-Württemberg arbeiten 236.000 Tarifbeschäftigte bei den Kommunen. Darunter sind viele pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen, in der Schulkindbetreuung, der Sozialarbeit und der Behindertenhilfe. Alleine in der frühkindlichen Bildung arbeiten rund 45.000 Beschäftigte direkt in kommunalen Einrichtungen.
Die Tarifrunde reicht weit über die Kommunen hinaus. Sie betrifft auch viele Beschäftigte bei den freien und kirchlichen Trägern. Sie haben in Baden-Württemberg eine große Bedeutung, weil sie den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) direkt anwenden oder sich ihre Gehälter und Arbeitsbedingungen zumindest indirekt am TVöD orientieren. So arbeiten allein in den Kitas von kirchlichen und freien Trägern knapp 60.000 Beschäftigte. Darüber hinaus sind direkt oder indirekt in Baden-Württemberg weitere 32.000 Beschäftigte in sozialen Diensten und Einrichtungen von den Verhandlungen betroffen.
Bedarf an Erzieher*innen steigt weiter
Es geht in der Tarifrunde um einen Ausgleich zur Bewältigung der Inflation, aber auch darum, den öffentlichen Dienst zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen und mit einem guten Gehaltsabschluss einen Beitrag gegen den Fachkräftemangel zu leisten. Laut einer Prognose der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2021 fehlen alleine für eine kindgerechte Personalausstattung bei gleichzeitigem Kitaplatzausbau bis 2030 bundesweit mehr als 230.000 Erzieher*innen.
So steigt auch der Bedarf an Erzieher*innen in Baden-Württemberg weiter. Die aktuellen Ausbildungszahlen reichen nur, um den Ersatzbedarf bis 2025 zu decken, aber nicht, um das zusätzliche Personal für den dringend notwendigen weiteren Ausbau des Kita-Angebots zu gewinnen. Bis 2025 werden 40.000 Erzieher*innen fehlen, schätzt auch der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS).