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Warum Grundschullehrer/innen mehr verdienen sollten

An den Grundschulen wird die Grundlage für eine gelungene Bildungskarriere gelegt. Allerdings unter schwierigen Bedingungen: Die Schulart und die dort beschäftigten Lehrkräfte werden massiv benachteiligt. Es ist dabei kein Zufall, dass es an den Grundschule den größten Frauenanteil und die meisten Teilzeitbeschäftigten gibt.

foto: iStock

Politiker/innen betonen regelmäßig, wie wichtig die Arbeit der Grundschullehrkräfte ist: Ihnen kommt bei der Beratung der Eltern, bei der Kooperation im vorschulischen Bereich ebenso wie bei der Kooperation mit den weiterführenden Schulen und hinsichtlich der individuellen Bildungsbiographie jedes einzelnen Kindes eine besondere Bedeutung zu. Die Basis für Chancengleichheit und Leistungsfähigkeit im Schulsystem wird in der Grundschule gelegt. Im Gegensatz zu den Sonntagsreden führen die Schulart und die dort beschäftigten Lehrkräfte und Schulleitungen ein Schattendasein in der Bildungspolitik des Landes.
Die GEW tritt dieser Benachteiligung entschieden entgegen. Auch die Kolleg/innen an den Grundschulen sollten selbstbewusst und hörbar eine höhere Besoldung und eine bessere Ausstattung für sich einfordern.

Ausgaben an Grundschulen niedriger als an anderen Schularten

Für ein Schulkind wurden in Deutschland 2013 durchschnittlich 6.300 Euro im Jahr ausgegeben. An Grundschulen waren es nur 5.600 Euro. An einem Gymnasium oder an einer Integrierten Gesamtschule kostet die Beschulung bis zu 7.200 Euro pro Kopf. Die Ausgaben in Deutschland für die Ausbildung an Grundschulen sind auch im OECD-Vergleich niedrig. Die GEW fordert eine deutliche Erhöhung der Ausgaben im Grundschulbereich. Nur so kann die Qualität der Arbeit an den Grundschulen, vor allem auch in Hinblick auf den Ausbau des Ganztages, der Integration von Flüchtlingskindern und die nötigen Ressourcen für die Inklusion verbessert werden.
Bildungsforscher/innen mahnen seit Jahren an, Deutschland solle mehr Geld in Ausbildung der Jüngsten an Kindergärten und Schulen investieren. In frühen Jahren ist es noch möglich, Ungleichheiten aufgrund sozialer Herkunft und Bildungsstand der Eltern auszugleichen. Baden-Württemberg macht hier keine Ausnahme.

Die Grundschule hat als einzige Schulart keine Poolstunden in der Pflichtstundenzuweisung. Diese Stunden werden für Förderkonzepte oder für kulturelle und sportliche Angebote dringend benötigt. Zwar hat das Land 180 Deputate für zusätzliche Förderstunden bereitgestellt – das ist aber nur ein kleiner Anfang.  Die GEW fordert die Zuweisung von 10 zusätzlichen Poolstunden in den Pflichtbereich, damit diese Stunden, so wie an allen anderen Schularten auch, verlässlich geplant werden können.

Lehrkräfte werden benachteiligt, Frauen damit diskriminiert

Die Landesregierung benachteiligt Grundschullehrkräfte in der Lehrerbildung und in der Besoldung. Es besteht eine große Kluft zwischen den Ansprüchen, die an die Lehrkräfte gestellt werden, und den Mitteln, die für sie bereitgestellt werden.
In Baden Württemberg wurde mit der Reform der Lehrerausbildung im vergangenen Jahr die Grundlage geschaffen, dass die Politik rechtfertigen kann, Grundschullehrkräfte auch künftig nur nach A12 zu besolden: Sie studieren mit 8 Semestern zwei Semester weniger als alle anderen wissenschaftlichen Lehrkräfte.
Der Versuch, die geringere Bezahlung von Grundschullehrkräften über eine Benachteiligung in der Ausbildung zu zementieren, ist eine kurzsichtige Strategie, die sich nicht als tragfähig erweisen wird. Die GEW setzt sich dafür ein, die Gleichwertigkeit der Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern an allen Schularten anzuerkennen.

Im Auftrag der GEW hat die Juristin Prof. Dr. Eva Kocher gemeinsam mit Ihren Kolleginnen Dr. Stefanie Porsche und Dr. Johanna Wenckebach 2016 das Gutachten „Mittelbare Geschlechtsdiskriminierung bei der Besoldung von Grundschullehrkräften nach A12“ veröffentlicht. Es zeigt, dass die geringere Besoldung von Grundschullehrkräften Frauen mittelbar diskriminiert, da der Anteil von Frauen in dieser Schulart bei über 90 Prozent liegt, während an Gymnasien im Durchschnitt nur 60 Prozent Frauen tätig sind und die Arbeit an Gymnasien und Grundschulen zwar nicht gleich, aber gleichwertig ist.

Eine indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn scheinbar neutrale Vorschriften,  Kriterien oder Verfahren sich auf eine bestimmte Personengruppe benachteiligend auswirken. Frauen sind überproportional von der ungleichen Eingruppierung und Bezahlung an Grundschulen betroffen. Im Gutachten werden auch die Begründungen der unterschiedlichen Besoldung beurteilt. Grundschullehrkräfte studieren wie alle wissenschaftlichen Lehrkräfte an Universitäten bzw. Pädagogischen Hochschulen. Der Ausbildungsunterschied ist in den Anforderungen nicht so signifikant, dass er eine Benachteiligung der Grundschullehrkräfte bei der Besoldung rechtfertigt.
Die Ausbildung von Grundschullehrkräften ist laut dem Gutachten zwar anders, aber nicht geringerwertig.
Was die Anforderungen im Beruf betrifft, stellte das Gutachten heraus, dass die psychosozialen Belastungen bei Grundschullehrkräften größer sind als an weiterführenden Schulen. Lehrer/innen an Grundschulen sind persönlicher und unmittelbarer mit den Problemen der Kinder und ihrer Familien konfrontiert.

Die Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen haben viele Argumente, um bessere Arbeitsbedingungen, ein geringeres Deputat und eine höhere Besoldung einzufordern. Sie sind z.B. mit dem Ausbau zu Ganztagesschulen und bei der Umsetzung inklusiver Bildungsangebote stärker als andere Schularten belastet. Die unzureichende Ausstattung mit zeitlichen und personellen Ressourcen führt dazu, dass Kolleg/innen sich überfordert und überlastet fühlen.
Die Diskriminierung der überwiegend weiblichen Belegschaft an den Grundschulen ist ein besonders deutliches Beispiel dafür, wie durch Abwertung Gleichwertiges zu Minderwertigem wird. Es ist an der Zeit, die Wertschätzung für die Grundschullehrkräfte nicht nur in Sonntagreden auszudrücken.