Die schulpsychologischen Beratungsstellen sind für alle da, wenn es in der Schule nicht rund läuft: Für Lehrkräfte, Schulleitungen, Schülerinnen und Schüler und Eltern. Das Land hat zwar neue Stellen für die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen geschaffen, gleichzeitig aber ihre Verwaltungsstellen abgebaut. Nina Großmann, Vorsitzende des Landesverbands Schulpsychologie Baden-Württemberg schildert die Folgen.
Was sind Ihre Kernaufgaben als Schulpsychologin? Wie profitieren Schulen von Ihrer Tätigkeit?
Nina Großmann: Wir unterstützen Schülerinnen und Schüler bei Lernschwierigkeiten, bei Konzentrationsstörungen oder bei Schulängsten und Verhaltensauffälligkeiten. Auch Lehrkräfte und Schulleitungen profitieren von Supervision und Coaching oder von Fortbildungen zum Beispiel zum Umgang mit psychisch erkrankten Schülerinnen und Schülern.
Dazu kommen Kriseneinsätze an Schulen, die Koordination des besonderen Beratungsverfahrens für den Übertritt an die weiterführende Schule sowie für die Hochbegabtenklassen und die Aus- und Fortbildung von Beratungslehrkräften. Auch kommen immer neue Themen und Aufgabenfelder dazu. Aktuelle Beispiele sind unser Einsatz bei Fortbildungen zum Umgang mit Geflüchteten, die Unterstützung von Schulen bei extremistischen Einflüssen oder die neue Initiative des Kultusministeriums für ein Schutzkonzept an Schulen gegen sexuellen Missbrauch.
Zahlen belegen, wie groß die Probleme an Schulen sein können. Nach Erhebungen des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) zeigen von 600 Schülerinnen und Schülern einer normalen Schule 120 psychische Auffälligkeiten, 30 bis 180 wurden Opfer von Mobbing, 90 bis 300 wurden Opfer von Cybermobbing, zehn Jungen und 20 Mädchen der 9. Klasse fügten sich Selbstverletzungen zu, 18 bis 60 leiden an einer Depression, 30 lernen mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS), weitere 30 mit Dyskalkulie.
Auch bei Lehrkräften ist der Beratungsbedarf groß. Von 35 Lehrkräften dieser Beispielsschule leiden elf an Erschöpfung, Burnout oder psychischen Erkrankungen, sechs sind sich sicher, dass sie aus gesundheitlichen Gründen die Altersgrenze nicht erreichen, vier denken daran, ihren Beruf aufzugeben und 23 geben eine hohe Arbeitszufriedenheit an.
„Bei uns fällt sehr viel Verwaltungsarbeit an und es ist eine Ressourcenverschwendung, wenn Schulpsychologinnen und Schulpsychologen ihre Arbeitszeit in Verwaltung stecken statt in die Beratung mit Menschen.“ (Nina Großmann, Vorsitzende des Landesverbands Schulpsychologie BW)
Sie kämpfen in Ihrem Berufsverband zurzeit vor allem um mehr Verwaltungsstellen. Steckt viel Verwaltungsarbeit hinter Ihren Aufgaben?
Großmann: Ja, reichlich. Jede Einzelfallanfrage wird dokumentiert und muss im Jahresbericht erfasst werden. Bei 600 bis 800 Fällen im Jahr kommt da viel zusammen. Zu den Fallbesprechungsgruppen, Supervisionen oder Coachings werden die Lehrkräfte offiziell eingeladen. Die Veranstaltungen müssen bei Lehrkräftefortbildung Online (LFB-Online) beantragt werden, Teilnehmerlisten müssen angelegt, geführt und weitergemeldet werden.
Viel Verwaltungszeit wird für die Organisation, Einteilung, Ausbildung und Fortbildung der Beratungslehrkräfte im jeweiligen Stadt- oder Landkreis benötigt. Hier sind Schulen auf die Informationen und Versorgung durch die Beratungsstellen angewiesen. Aber auch jährlich wiederkehrende Verfahren wie die Hochbegabtenauswahl oder das Besondere Beratungsverfahren und anlassbezogene Beratungslehrerauswahl und -ausbildung fordern die Verwaltung stark.
Und nicht zuletzt: Ein besetztes Telefon mit einer kompetenten Verwaltungskraft, die die Hilfesysteme im Landkreis kennt und Klienten im Erstkontakt freundlich annehmen kann, lässt Ratsuchende, die in Not sind, nicht allein. Uns bleibt oft nichts anderes übrig, als den Anrufbeantworter einzuschalten.