Erfahrungsbericht Fachberater
„Was machst du eigentlich genau?“
Anfang 2019 wurde das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) gegründet. Daraus ist eine große Behörde entstanden, in die viele Lehrkräfte abgeordnet werden, und die dort sehr unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Henry Mayer berichtet.
Es gibt eine Frage, die immer wieder auftaucht, in verschiedenen Fassungen: „Was machst du eigentlich genau?“ Eine Frage, die zeigt, wie unbekannt das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) lange war und die Arbeit als Fachberater zum Teil noch ist.
„Sag mal, machst du eigentlich alles, um nicht mehr unterrichten zu müssen?“ Diese Frage eines Kollegen war eine der ersten Reaktionen, die ich auf meine neue Funktion bekam. Ich unterrichte doch, dachte ich, klärte ihn auf und ging mich wundernd in meine Klasse. Ende 2017 wurde ich zum Fachberater ernannt, damals noch für das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe. Als „besonderer Schulaufsichtsbeamter“ wurde ich Teil der Schulaufsicht und habe damit neben meinem Deputat verschiedene Aufgaben, hauptsächlich Fortbildungen in meinen Fächern Deutsch und GGK (Geschichte und Gemeinschaftskunde) zu planen und durchzuführen.
Mit der Gründung des ZSL gingen die Aufgaben der Lehrkräftefortbildung vom RP ans ZSL über. Seither arbeite ich als Fachberater Unterrichtsentwicklung (FBU) für die ZSL-Regionalstelle Karlsruhe, koordiniere die Fortbildungsplanung im Regionalen Fachteam Deutsch und bin ab und an mit Aufgaben der Fachberater Aufsicht für Lehrproben und Prüfungskolloquien im Einsatz. Außerdem bin ich Mitglied weiterer Fach- und Expertenteams.
Fünf Deputatsstunden FBU-Arbeit werden dabei mindestens erwartet, wir dokumentieren in Excel. Daneben unterrichte ich 15 Wochenstunden in der Berufsschule und im Beruflichen Gymnasium. Ein fester Tag in der Woche ist mein ZSL-Tag, oft muss noch ein Tag dran glauben.
„Sag mal, du bist doch am Seminar, oder?“, fragt mich ein anderer Kollege, als ich am Kopierer stehe. Er ist überrascht, als ich verneine und sage, dass ich für das ZSL fortbilde. Dass diese Aufgabe mir Freude bereitet und ich es als bereichernd empfinde, mich mit Kolleg*innen über Unterricht und Umsetzung von Bildungsplänen auszutauschen, erzähle ich dann. Die Unwägbarkeiten mit dem Programm LFB-Online, über das Fortbildungen gebucht und vorab von den Leitungen eingepflegt werden, erwähne ich nicht.
Seit kurzem erstellen wir im Regionalen Fachteam eine Schuljahresgesamtplanung und berücksichtigen dabei die von den Schulen eingereichten Wünsche. Das ist toll in der Theorie, die praktische Bedienung von LFB-Online ist schwierig; für alle Beteiligten. Umso besser, dass sich das ZSL auch überfachlichen Themen widmet, die immer mehr nachgefragt werden: So bilde ich rund um den Leitfaden Demokratiebildung und für die Leitperspektive „Bildung für Toleranz und Vielfalt“ fort. Denn Schule soll alle Beteiligten stärker machen und ein Ort sein, wo demokratisch und diskriminierungsfrei gelernt werden kann. Genau das passiert im Idealfall auch auf ZSL-Fortbildungen: Sie sind und sollen ein Ort des Austauschs sein – nicht nur zum Materialsammeln.
Genau so bilde ich gern fort. Ich schätze diesen Austausch, der im Alltag zu kurz kommt und sehe mich als Mittler zwischen meinen Auftraggebern Kultusministerium (KM) sowie ZSL und den Lehrkräften. Dieser dritte Ausbildungsabschnitt einer Lehrkraft – nach Studium und Referendariat – ist für mich genauso wichtig wie die beiden davor. Toll wäre es, wenn es dabei im Kreis der Fachberater*innen mehr Raum für Austausch und Teamarbeit gäbe. Denn oft wird auf den Sitzungen des Regionalen oder Landesfachteams nur über Planungen berichtet und Zeit zum gemeinsamen Arbeiten fehlt. Nicht nur einmal habe ich gedacht, die Zeit von Teamsitzungen wäre besser in die Vorbereitung von gemeinsamen Fortbildungsinhalten geflossen. In Landesfachteams gehen wir inzwischen erste Schritte in Richtung einer gemeinsamen inhaltlichen Konzeption. In Regionalen Fachteams stoße ich das als Koordinator ebenfalls an. Hier sind wir auf die Mitarbeit von Lehrkräften als Fortbildungsreferent*innen angewiesen, um ein breites Angebot für alle Schularten im Beruflichen Schulwesen umsetzen zu können. Da die Vergütung für diese Personen vom KM verantwortet wird, kann das ZSL nichts dafür, dass hier in den letzten Jahren weiter gekürzt wurde; Anrechnungen kommen auch mal Jahre später. Gut für die Teamarbeit ist das nicht. Auch verschiedene Zeitschienen in den Planungen von KM, ZSL-Zentrale und Regionalstelle machen das Arbeiten nicht einfacher.
Mit der Frage„Sag mal, du weißt doch, wie viele Klassenarbeiten man schreiben muss, wenn du am RP bist?!“ passt mich die nächste Person auf dem Gang ab, als ich nach sechs Stunden Unterricht zu einer der digitalen ZSL-Dienstbesprechungen ins Homeoffice eile. Ich muss bei meiner Antwort an meine Fortbildung denken, als ich mit anderen Fachberater*innen auf der Comburg saß und wir unsere neue Rolle reflektierten. „Sie werden oft gefragt werden und Stellung beziehen müssen“, wurde uns gesagt. Und so ist es: Als FBU wird man auch für die Erstellung neuer Bildungspläne, Handreichungen und Prüfungen eingesetzt und ist damit nah dran an aktuellen Entwicklungen und neuen Projekten. Nur bin ich eben nicht am RP.
Wie es am ZSL läuft
Vor allem im Digitalen wurden am ZSL riesige Sprünge gemacht. In den neuen „Landesfachnetzen“ auf Moodle-Basis werden nicht nur Unterrichtsmaterial und Hinweise zu allen Schularten bereitgestellt, es finden auch Online-Videosprechstunden über BigBlueButton (BBB) statt. Niederschwellige „FAQ-Stunden“ geben Orientierung zu Abschlussprüfungen oder zu so unterschiedlichen Fragestellungen wie dem Umgang mit antisemitischen Kommentaren oder digitalen Tools. Das war im Jahr 2017 so undenkbar wie unabsehbar.
Auch sind Fortbildungen nun endlich landesweit für alle Lehrkräfte buchbar – so sieht eine moderne Fortbildungslandschaft aus.
Berufsbild „Fachberater in der Fort- und Ausbildung“ nicht in Sicht
Anderes wurde angedacht, aber nie umgesetzt: Im Jahr 2019 konnten alle FBUs den Wunsch äußern, ob sie zum ZSL gehen oder am RP bleiben wollen. Als man dann ein neues Berufsbild in Aussicht stellte, war mein Weg klar. Denn es sollte zukünftig den „Fachberater in der Fort- und Ausbildung“ geben, so ein Punkt des Qualitätskonzepts, mit dem das ZSL entstand. Zweiter und dritter Ausbildungsabschnitt zusammengedacht, das beeindruckte mich und ich freute mich, beim Entstehen von etwas Neuem dabei zu sein. Die Ernüchterung kam schnell. Jemand sagte mir, es dauere fünf Jahre, bis neue Behörden eingespielt sind und funktionieren. Und dann kam die Pandemie. Jetzt sind fünf Jahre um, und es ruckelt immer noch.
Vom neuen Berufsbild ist nichts mehr zu hören. Eine tiefere Zusammenarbeit mit den Seminaren findet bislang nicht statt. Daran, dass ich einige Zeit für Verwaltungsaufgaben und das Beantworten von Anfragen benötige, habe ich mich gewöhnt. Auch eine mitunter hohe Termindichte ist der Funktionsstelle geschuldet und war erwartbar. Nicht hinnehmbar sind für mich fachfremde Aufgaben („Machen Sie mal Werbung für Ihre Fortbildungen!“) und immer kürzer werdende Fristen der Rückmeldung: Sich als Fortbildner*in innerhalb weniger Tage entscheiden zu sollen, ob man sich für ein neues Projekt meldet, bisweilen ohne Infos zum Umfang, sichert keine Qualität. Immerhin sind die Stellen am ZSL nun fest besetzt, man kennt und schätzt sich und weiß, an wen man sich wenden kann – auch wenn häufig direkt erstmal eine Abwesenheitsnotiz auf die Mail folgt. Schön wäre das neue Berufsbild trotzdem, zumal die „Verwaltungsvorschrift für Fachberater“ zum letzten Mal 2009 überarbeitet wurde. Angebracht wäre es für all die, die als Fachberatende für Grundschulen und Sek I nicht wie FBUs an Gymnasien und Beruflichen Schulen in einer Funktionsstelle arbeiten, die höher besoldet ist.
„Sag bloß, du bist noch bei uns an der Schule?“, ruft mir eine Kollegin hinterher, als ich nach vielen Tagen woanders wieder im Haus bin. Ein ZSL-Tag pro Woche reicht eben oft nicht aus. Ich könnte jetzt erzählen, dass ich die letzten drei Tage eine Fortbildung in Esslingen geleitet und danach für Sitzungen in Stuttgart und Bad Wildbad war. Inzwischen kennt man aber das ZSL und wir lachen, als ich den Kopf schüttele. „Klar bin ich noch hier“, sage ich, dann klopft es und ein Schüler will mich sprechen. Er weiß genau, was meine Aufgabe ist: Ihm nach Krankheit Tipps für die Klassenarbeit geben. Es gibt für FBUs nämlich auch ein Arbeitsleben neben dem ZSL. Und das ist auch gut so.