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Antidiskriminierungsstelle

Was tun bei Diskriminierung am Arbeitsplatz?

Der Diskriminierungsschutz am Arbeitsplatz ist ein gesetzlicher Anspruch seit Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 2006. Leider ist für viele Beschäftigte weiterhin nicht klar, an wen sie sich wenden können.

Foto: Shutterstock / GEW

Nicht selten wenden sich Beschäftigte im öffentlichen Dienst in ihrer Not an die Beauftragten für Chancengleichheit (BfCen) beziehungsweise Gleichstellungsbeauftragten im kommunalen Bereich. Die BfCen sind auf der Grundlage des Chancengleichheitsgesetzes (ChancenG) zuständig für die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Beseitigung bestehender sowie die Verhinderung künftiger Diskriminierungen wegen des Geschlechts oder des Familienstandes. Zu den Zielsetzungen des ChancenG gehört darüber hinaus auch die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für Frauen und Männer.

Für die BfCen an Schulen organisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) jährlich eine Tagung. Am 25. Oktober dieses Jahres nahmen 175 Frauen an der ersten Online-Tagung der GEW Baden-Württemberg für BfCen im Schulbereich teil (landesweit gibt es circa 800 BfCen in diesem Feld). 25 Teilnehmende haben am Nachmittag die Möglichkeit genutzt, in die Antidiskriminierungberatung im Land Baden-Württemberg eingeführt zu werden, damit sie hilfesuchende Kolleg*innen kompetent weiter verweisen können.

Die Auswahl der Workshopthemen reichte insgesamt von Themen wie Neu im Amt als BfC, Verfahren zur Funktionsstellenbesetzung, Zusammenarbeit mit der Schul- beziehungsweise Dienststellenleitung, Zusammenarbeit mit dem Personalrat bis hin zur erfolgreichen Erstberatung bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und zur Einführung in das Thema Diskriminierung bei Trans- und Intersexualtität.

Wir haben die Referentin des Workshops „Welche Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten haben Betroffene von Diskriminierung am Arbeitsplatz in Baden-Württemberg?“, die Leiterin der Landesantidiskriminierungsstelle Baden-Württemberg Dr. Nina Guérin, gebeten, die Antidiskriminierungsarbeit im Land zusammenzufassen.

Antidiskriminierungsstelle des Landes Baden-Württemberg

Im November 2018 wurde die Antidiskriminierungsstelle des Landes Baden-Württemberg (LADS) im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration neu eingerichtet. Ziel der Antidiskriminierungsstrategie des Landes ist es, in Baden-Württemberg und darüber hinaus ein Klima zu schaffen, in dem Diskriminierungen erkannt und sanktioniert werden und Betroffene uneingeschränkten Rückhalt genießen – in ihrem Privat- und Berufsleben wie auch in der Öffentlichkeit.

Das baden-württembergische Partizipations- und Integrationsgesetz sieht die Bekämpfung von Diskriminierung, Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und die Ergreifung entsprechender Maßnahmen als Aufgaben des Landes vor. Die LADS erarbeitet Strategien zur Prävention und Bekämpfung jeglicher Form von Diskriminierung. Dies umfasst sowohl Maßnahmen, die innerhalb der Landesverwaltung wirken, als auch Maßnahmen, die Diskriminierungen in der gesamten Gesellschaft entgegenwirken. Zu den Aufgaben der LADS gehört beispielsweise auch die Erarbeitung des im aktuellen Koalitionsvertrages festgehaltenen Landesantidiskriminierungsgesetzes für Baden-Württemberg sowie eines Landesaktionsplans gegen Rassismus und Diskriminierung.

Antidiskriminierung ist ein Querschnittsthema, dass viele verschiedene Bereiche tangiert und in allen Teilen der Gesellschaft eine Rolle spielen sollte. Eine der Aufgaben der LADS besteht vor diesem Hintergrund darin, zivilgesellschaftliche und staatliche Akteur*innen in Baden-Württemberg zu vernetzen, die im Bereich Antidiskriminierung, beispielsweise gegen Rassismus, Ableismus oder Sexismus, engagiert sind. Die LADS unterstützt Betroffene von Diskriminierung. Ziel ist es, gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen ein flächendeckendes, unabhängig vom Wohnort leicht zu erreichendes Beratungsangebot für alle Menschen in Baden-Württemberg zu schaffen, die eine Diskriminierung erfahren oder beobachtet haben.

Beratungsstellen gegen Diskriminierung in Baden-Württemberg

Die LADS ist Erst-Anlaufstelle für alle Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Im weiteren Verlauf verweist sie an Beratungsstellen gegen Diskriminierung. Aktuell existieren neun lokale Beratungsstellen gegen Diskriminierung. Diese sind in Esslingen, Freiburg, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Konstanz, Stuttgart, Mannheim sowie in Tübingen/Reutlingen angesiedelt. Das Beratungsangebot liegt dabei jeweils in zivilgesellschaftlicher Trägerschaft. Die Finanzierung erfolgt gemeinsam durch das Land und die jeweilige Kommune. Darüber hinaus fördert das Land Baden-Württemberg auch eine überregionale Beratungsstelle für Betroffene aus Regionen, in denen noch keine Beratungsstelle angesiedelt ist.

Um das Angebot der Beratungsstellen gegen Diskriminierung speziell im ländlichen Raum bekannt zu machen, fördert das Land darüber hinaus sogenannte Beratungssatelliten. Diese sind bislang in den Landkreisen Lörrach, Freudenstadt und Göppingen angesiedelt. Die Beratungssatelliten führen selbst keine Antidiskriminierungsberatung durch, sondern sensibilisieren vor Ort für Diskriminierungen und verweisen gezielt an die Beratungsstellen gegen Diskriminierung weiter.

Die Beratungsstellen gegen Diskriminierung unterstützen alle Menschen, die Diskriminierung erfahren, einen geeigneten Umgang mit Diskriminierung zu finden. Die Beratungsstellen informieren, beraten und begleiten alle Menschen, die beispielsweise aufgrund von rassistischen Zuschreibungen, der Herkunft, der Religion, des sozialen Status, der Behinderung, des Geschlechts, der geschlechtlichen Identität, der sexuellen Orientierung oder des Lebensalters von Diskriminierung betroffen sind.

Betroffene wenden sich wegen unterschiedlicher Diskriminierungsgründe an die LADS sowie an die Beratungsstellen gegen Diskriminierung. Ein Schwerpunkt der Anfragen bezieht sich dabei auf die Beratung in Fällen von rassistischer Diskriminierung sowie bei Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen. Diese Fälle machen jeweils rund ein Drittel aller Beratungsanfragen aus. Die geschilderten Fälle beziehen sich dabei auf alle Lebensbereiche. Es werden unter anderem insbesondere ­ Diskriminierungen in Ladengeschäften und gastronomischen Betrieben, am Arbeitsplatz und bei Bewerbungsverfahren, im Bildungsbereich (zum Beispiel in Schulen oder Hochschulen), bei der Wohnungssuche sowie im Umgang mit Behörden und staatlichen Stellen, darunter auch im Umgang mit der Polizei, gemeldet.

Die Berater*innen der Beratungsstellen gegen Diskriminierung beraten vertraulich und auf Wunsch anonymisiert. Die Berater*innen hören Betroffenen von Diskriminierung zu, geben ihnen allgemeine rechtliche Informationen zum Diskriminierungsschutz und erarbeiten gemeinsam mit diesen Handlungsstrategien, um sich gegen Diskriminierung zu wehren. Je nachdem, welche Punkte den Personen, die in einer Beratungsstelle gegen Diskriminierung Rat suchen, wichtig sind, unterstützen die Berater*innen unter anderem auch bei der Kontaktaufnahme zu den relevanten Stellen, begleiten die Betroffenen zu Vermittlungsgesprächen oder vermitteln juristischen Beistand, damit Betroffene von Diskriminierung ihre Rechte geltend machen können.

Schutz von Betroffenen von Diskriminierung in Baden-Württemberg

Seit 2006 gibt es in Deutschland ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das Gesetz konkretisiert das im Artikel 3 des Grundgesetzes verankerte Diskriminierungsverbot und erleichtert es Betroffenen von Diskriminierung, sich effektiv gegen diese wehren zu können. Das AGG setzt die Vorgaben von verschiedenen EU-Richtlinien in nationales Recht um. Das AGG gilt zwar bundesweit, aber nur für den Bereich der Beschäftigung und des Zivilrechtsverkehrs. Bislang gibt es keine entsprechende Regelung bei öffentlich-rechtlichem Handeln, so zum Beispiel in Bezug auf den Bildungsbereich. Die Aufstellung eines Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) zielt darauf, bestehende Lücken im Diskriminierungsschutz zu schließen.

Bereits ohne AGG und LADG sind alle staatlichen Behörden an die verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbote (zum Beispiel Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz) und darüber hinaus an den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Absatz 1 GG gebunden. Ein LADG kann daher, wie auch das AGG, sicherstellen, dass dieser unter anderem im Grundgesetz verankerte Diskriminierungsschutz in der Praxis tatsächlich umgesetzt und eingefordert werden kann.

Kontakt
Manuela Reichle
Referentin für Hochschule und Forschung; für Frauen-, Geschlechter- und Gleichstellungspolitik; gewerkschaftliche Bildung
Telefon:  0711 21030-24