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Stimmt das?

Wer eine Psychotherapie macht, kann nicht mehr verbeamtet werden

Kann eine Psychotherapie eine Verbeamtung verhindern? Diese Frage stellen Lehramtsstudierende so oder so ähnlich immer wieder. Dahinter steckt der Konflikt: Soll ich meine Verbeamtung riskieren oder meine Gesundheit?

Foto: GEW/Shutterstock

In der Landtagsdrucksache (17 / 5735) vom November 2023 geht es auch um die Frage, ob eine Psychotherapie einer Verbeamtung im Wege stehen kann. Die ehemalige Wissenschaftsministerin, Theresia Bauer (Grüne), richtete die offizielle Anfrage ans Kultusministerium. Ein einfaches Ja oder Nein gibt es nicht. Klar ist, es sind Einzelfallentscheidungen, die erst nach der Einstellungsuntersuchung kurz vor der Ernennung ins Beamtenverhältnis gefällt werden. Die Studierenden suchen aber eine Antwort dann, wenn sie psychologische Unterstützung benötigen und eine Therapie erwägen.

Gut zu wissen ist: Es geht bei der Entscheidung, ob jemand aus gesundheitlichen Gründen nicht verbeamtet werden kann, um eine Prognose über die gesundheitliche Entwicklung. Nicht die aktuelle Krankheit ist entscheidend, sondern, ob die Krankheit dazu führen kann, dass die Person während ihrer Dienstzeit oft ausfällt und vorzeitig in Ruhestand gehen muss. Wobei sich der Prognosemaßstab zugunsten der Bewerber*innen für den Beamtenstatus verbessert hat. 2013 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Bewerber*innen nur dann gesundheitlich als Beamt*innen nicht geeignet sind, wenn ihre vorzeitige Pensionierung vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze überwiegend wahrscheinlich ist. Hierfür müssen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Davor galt: Die gesundheitliche Eignung fehlt bereits dann, wenn die Möglichkeit häufiger Erkrankungen oder der Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit vor dem Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Das Urteil hat übrigens die GEW in Niedersachsen erstritten.

Das Gericht hat die Entscheidung unter anderem so begründet: Da sich der Prognosezeitraum über Jahrzehnte erstrecke und die medizinischen Prognosen sehr komplex seien, seien die Entscheidungen mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Somit dürften die Anforderungen an den Nachweis der gesundheitlichen Eignung nicht überspannt werden.

„Wenn Studierende meinen, eine Therapie tut ihnen gut, dann sollen sie eine Therapie machen.“ (Dr. med. Stefan Conradi-Neumärker)

Eine psychotherapeutische Behandlung steht folglich einer Verbeamtung nicht grundsätzlich entgegen. Die Prognose über die gesundheitliche Eignung kann allerdings nur die zuständige Ärztin oder der zuständige Arzt stellen, die oder der die Einstellungsuntersuchung vornimmt.

Und was sagen Ärzt*innen dazu? Dr. med. Stefan Conradi-Neumärker untersucht beim Medizinischen Dienst in Stuttgart Anwärter*innen vor der Verbeamtung. Seine Botschaft an Bewerber*innen, die sich Sorgen machen, lautet: „Entspannt euch.“ Er findet es gut, wenn sich Menschen um ihre seelische Gesundheit kümmern. „Wenn jemand eine Therapie wegen Probleme in einer Beziehung macht, ist das garantiert kein Grund für eine schlechte Prognose“, nennt er als Beispiel und betont: „Wir Ärzte brauchen harte medizinische Kriterien. Ein reiner Verdacht erlaubt uns keinen negativen Befund.“ Er rät: „Wenn Studierende meinen, eine Therapie tut ihnen gut, dann sollen sie eine Therapie machen.“ Wobei Conradi-Neumärker nur für Stuttgart sprechen kann. „Ich will nicht ausschließen, dass Kolleg*innen noch nach alten Kriterien urteilen“, schränkt er ein. Die Fachärztin Dr. med. Irena Zerwou fragt sich, woher die Angst kommt, dass eine Psychotherapie der Verbeamtung schaden könnte. Ihrer Erfahrung nach, entspricht das selten den Fakten. Joaquin Fernandez, Assistenzarzt, vermutet, dass psychischen Erkrankungen immer noch ein Stigma anhängt. Alle drei Ärzte vom Medizinischen Dienst in Stuttgart raten zur Gelassenheit.

Keine gute Idee ist, wenn Bewerber*innen eine Behandlung verschweigen. Es hilft auch nicht, die Behandlung selbst zu bezahlen, in der Hoffnung, dass sie nirgends aktenkundig wird. In der Landtagsdrucksache wird ausgeführt: „Gegenüber der untersuchenden Ärztin oder dem untersuchenden Arzt sind Vorerkrankungen bzw. Behandlungen anzugeben. Wird hier eine Psychotherapie wahrheitsgemäß angegeben, wird von der Ärztin oder dem Arzt bei der medizinischen Prognose mit einbezogen, ob eine ausreichende psychische Stabilität für den Lehrerberuf bei der Bewerberin oder dem Bewerber vorhanden ist. Sollte dies nicht der Fall sein, stünde also nicht die Psychotherapie, sondern allenfalls eine der Psychotherapie zugrundeliegende psychische Erkrankung der Verbeamtung entgegen.“ Einfacher gesagt: Nicht die Therapie ist ein Hindernis, sondern die Erkrankung. Das spricht dafür, eine Behandlung vorzuziehen und nicht eine Erkrankung zu riskieren.

Kontakt
Maria Jeggle
Redakteurin b&w
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