GEW informiert
Wie der Schwimmunterricht sicherer wird
Nach dem Tod eines Siebenjährigen im Schwimmunterricht hat das Amtsgericht Konstanz zwei Lehrerinnen zu Bewährungsstrafen und Schmerzensgeld verurteilt. Seither erreichen die GEW viele Anfragen. Die Rechtslage im Überblick.
Im September 2023 ist ein siebenjähriger Junge im Schwimmunterricht ums Leben gekommen. Das Amtsgericht Konstanz hat Ende Februar 2025 die beiden angeklagten Lehrerinnen zu Bewährungsstrafen und Schmerzensgeld verurteilt. Seither erreichen die GEW viele verunsicherte Zuschriften von Lehrkräften und Schulleitungen. Wir klären die Rechtslage.
Passiert ein Unfall mit schwerer Verletzung oder Todesfolge werden grundsätzlich strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Das gilt auch im privaten Bereich. Gegebenenfalls kommt es zu einem Strafbefehl, und wenn dieser nicht akzeptiert wird, zu einem Gerichtsverfahren. So läuft es auch, wenn sich beispielsweise bei einem Kindergeburtstag im Schwimmbad ein Kind schwer verletzt oder als Folge davon sogar stirbt. So auch im Fall der beiden Lehrkräfte in Konstanz. Es gab eine strafrechtliche Ermittlung und nachdem die Lehrkräfte den Strafbefehl nicht akzeptiert hatten, folgte ein Gerichtsverfahren. Allerdings kann bei Beamt*innen im Nachgang noch ein Disziplinarverfahren folgen.
Wer darf Schwimmunterricht erteilen?
Schwimmunterricht erteilen Lehrkräfte, die rettungsfähig sind. Die Lehrkraft muss einen Nachweis über die Rettungsfähigkeit haben.
Die Verantwortung für den Schwimmunterricht tragen die Lehrkräfte. Der Unterricht ist kompetent durchzuführen, dabei sind fachdidaktisch-methodische Gesichtspunkte zu beachten. Ebenso muss der Unterricht präventiv gestaltet sein. Risiken gilt es vorab einzuschätzen und zu vermeiden.
In der Praxis gibt es verschiedene Personen, die den schulischen Schwimmunterricht begleiten und am Unterricht beteiligt sind. Dazu gehören unter anderem pädagogische Assistent*innen, Eltern, FSJler*innen, DLRG-Mitarbeiter*innen. Auch wenn eine Person, die die Lehrkraft begleitet, die Rettungsfähigkeit besitzt, bleibt die Verantwortung bei der Lehrkraft. Sie muss sich im Vorfeld überlegen, ob sie diese Verantwortung überhaupt auf eine andere Person übertragen kann und möchte (Infodienst Schulleitung Nr. 329 vom Juni 2024).
Wer ist rettungsfähig?
Der Begriff rettungsfähig ist definiert: Man muss einen Schüler/eine Schülerin aus einer gesundheits- oder lebensgefährlichen Situation im Wasser befreien können. Lehrkräfte sind grundsätzlich verpflichtet, selbst sicherzustellen, dass sie rettungsfähig sind.
Es hat sich in der Unterrichtspraxis gezeigt, dass die jeweiligen örtlichen Verhältnisse und Rahmenbedingungen eine große Rolle spielen. Von ihnen hängen die Rettungsfähigkeit, die Unterrichtsgestaltung sowie die nötigen Aufsichtspersonen ab. Entscheidend sind die Beschaffenheit des Schwimmbades, zum Beispiel Beckengröße, Wassertiefe, Übergang Nichtschwimmer- zu Schwimmerbereich sowie die Zahl der Schwimmer*innen und Nichtschwimmer*innen in der Gruppe.
Die Sicherheit im Schwimmunterricht im Sinne der Wasserrettung erfordert auch ein bestimmtes Maß an körperlicher Leistungsfähigkeit und spezifische Kenntnisse. Erfüllt sind diese, wenn eine Lehrkraft in dem Schwimmbecken eine verunfallte Person situativ angemessen unter den höchsten Stressbedingungen:
- an jeder Stelle aus jeder Tiefe des Schwimmbeckens an die Wasseroberfläche bringen,
- mit dem Gesicht über Wasser an den Beckenrand transportieren/schleppen,
- über den Beckenrand bergen,
- lebensrettende Sofortmaßnahmen durchführen sowie
- einen Notruf absetzen kann.
Es ist die Eigenverantwortung der Lehrkraft, in angemessenen Abständen zu prüfen, ob sie nach den oben beschriebenen Kriterien noch rettungsfähig ist und sich gegebenenfalls fortbilden zu lassen, wenn dies nicht mehr der Fall sein sollte.
Was ist im Zweifelsfall zu tun?
Sollte eine Lehrkraft Bedenken haben, zum Beispiel wegen der Gruppengröße, Erfüllung der Aufsichtspflicht, Mängeln an der Badestätte oder ihrer eigenen Kompetenz, muss sie nach § 36 Beamtenstatusgesetz ihre Remonstrationspflicht wahrnehmen – diese besagt:
- Absatz 1: Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.
- Absatz 2: Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächsthöhere Vorgesetzte oder den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit; die Bestätigung ist auf Verlangen schriftlich zu erteilen!
Wenn Kolleginnen und Kollegen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit haben, zum Beispiel Nichtschwimmerbereich zu tief, Schwimmbad nicht überall einsehbar, zu viele Nichtschwimmer*innen, remonstrieren sie schriftlich bei ihrer Schulleitung.
Die Schulleitung prüft diese Remonstration und kann den Missstand beheben. Oder sie weist die Lehrkraft schriftlich an, trotzdem Schwimmunterricht zu erteilen. Die Lehrkraft ist dann von ihrer eigenen Verantwortung befreit.
Oder die Schulleitung gibt die Remonstration an die nächsthöhere vorgesetzte Behörde weiter.
Welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es?
Wer nach dem Sportstudium in den Vorbereitungsdienst möchte, muss für den Schwimmunterricht die Rettungsfähigkeit nachweisen. Hierfür benötigen die Personen mindestens die Anforderungen des DLRG-Abzeichens in Silber oder Gold.
Lehrkräfte, die keinen Nachweis haben, müssen vor dem Schwimmunterricht den Nachweis erwerben. Schulleitungen müssen bei der Unterrichtsplanung darauf achten, dass nur Lehrkräfte Schwimmunterricht erteilen dürfen, die auch die entsprechenden Nachweise haben.
Lehrkräfte können den fehlenden Nachweis beim Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg (ZSL) oder an den Regionalstellen erwerben. Die Ausbildung umfasst 24 Unterrichtseinheiten (UE) – zwölf UE zur Rettungsfähigkeit und zwölf UE zu Methodik und Didaktik.
Ähnliche Angebote sind auch bei der Wasserwacht oder der DLRG möglich. Sollten Lehrkräfte „nur“ das DLRG-Rettungsabzeichen in Bronze/Silber besitzen, ist dies möglich, hier müssen aber dann beim Tieftauchen besondere Aspekte berücksichtigt werden.
Aufsichtspflicht bei Schwimmunterricht
Grundsätzlich ist die Lehrkraft, die für den Unterricht eingesetzt ist, verantwortlich. Dies gilt auch für alle anderen Unterrichtsfächer und für außerunterrichtliche Veranstaltungen. Die Lehrkraft ist für die Sicherheit verantwortlich und hat die Aufsichtspflicht. Dabei gibt es zwei Pflichten:
- Obhutspflicht: Durch die Schulpflicht werden die Kinder und Jugendlichen der Aufsichtspflicht der Schule unterstellt. Deshalb muss sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür Sorge tragen, dass die Kinder und Jugendlichen in dieser Zeit vor möglichen Schäden geschützt sind. Aus diesem Grund gibt es auch Aufsichtspläne an jeder Schule, auch für die Pausen. Für den Schwimmunterricht heißt dies zusätzlich, die zuständige Lehrkraft muss schon bei der Planung des Unterrichts das Alter, die geistigen Fähigkeiten, den Charakter, die körperlichen Fähigkeiten der Schüler*innen, die Wassertiefe, die Übersichtlichkeit der Schwimmhalle und die möglichen Konsequenzen beachten. Während des Schwimmunterrichts ist es notwendig, dass die Schwimmgruppe unter einer dauerhaften, vorausschauenden und umsichtigen Beaufsichtigung steht.
- Garantenstellung: Die Lehrkraft hat die Pflicht, bei Unfällen mit Schülerinnen und Schülern unverzüglich Hilfe zu leisten beziehungsweise Hilfsmaßnahmen einzuleiten und weiter für die Aufsicht über die anderen Schüler*innen zu sorgen. Deshalb ist es besonders wichtig, im Vorfeld zu klären, ob das Telefon der Badestätte zugänglich ist, beziehungsweise ob der Empfang des Schulhandys auch gegeben ist, damit bei Unfällen der Rettungsdienst gerufen werden kann.
Unterrichtsorganisation
Hilfreich ist es, wenn die Fachschaft Sport eine Checkliste entwickelt, um jährlich prüfen zu können, ob alle Rahmenbedingungen berücksichtigt sind (Anzahl der Schwimmhilfen, Transportwege, Laufwege, Schwimmzeiten, gemeinsame Regelungen im Schwimmbad, Elternbriefe und so weiter).
Vor Beginn des Schwimmunterricht ist es notwendig, die Eltern über den Schwimmunterricht mit einem Elternbrief zu informieren. Hier sollten neben der Schwimmfähigkeit der Kinder auch die gesundheitlichen Voraussetzungen der Kinder abgefragt werden. Eine gute Vorlage ist der Leitfaden des Kultusministeriums zum Schwimmunterricht der Grundschule.
Ob Kinder schwimmen können, müssen Lehrkräfte auch selbst prüfen und einschätzen. Reines Abfragen mit einem Elternbrief reicht nicht. Dies ist auch wichtig, um die Gruppenzusammensetzung der Schwimmer*innen und Nichtschwimmer*innen zu kennen. Vorab sollte auch eine Gefährdungsanalyse erstellt werden, um Gefahren zu vermeiden.
Auch eine jährliche Einweisung in die Badestätte für die Lehrkräfte, die in diesem Schuljahr Schwimmen unterrichten, ist vorab nützlich. Hierbei kann überprüft werden, ob genügend Schwimmhilfen vorhanden sind, ob das Schwimmbecken jederzeit an allen Stellen bis zum Grund einsehbar ist. Dies kann in Badestätten beispielsweise dann nicht der Fall sein, wenn Sonneneinstrahlung die Sicht zum Grund verhindert.
Sollten Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen am Schwimmunterricht teilnehmen, ist im Vorfeld zu klären, ob Hilfsmittel (Schwimmweste, Schwimmbrille, Ohrenschutz und so weiter) oder Hilfspersonen notwendig sind.
In der ersten Stunde des Schwimmunterrichts erfolgt die Belehrung der Schülerinnen und Schüler. Ältere Schüler*innen können eine Belehrung zusätzlich schriftlich erhalten, die sie unterschreiben müssen.
Während des Schwimmunterrichts ist Schwimmkleidung zu tragen, auch von den Lehrkräften. Die Lehrkraft ist grundsätzlich die erste und letzte Person im Schwimmbad. Sie prüft zu Beginn und am Ende die Vollzähligkeit der Schüler*innen.
Sind Schülerinnen und Schüler im tiefen Wasser, besteht eine besondere Aufsicht. Lehrkräfte sollten sich nicht im Wasser aufhalten. Sollten sie aus pädagogischen Gründen doch einmal ins Wasser gehen, dürfen keine Schüler*innen im Schwimmerbereich sein.
Rechtliche Situation bei einem Unfall während des Schwimmunterrichts
Sollte während des Schwimmunterrichts ein Unfall passieren, ist es wichtig, diesen Unfall innerhalb von drei Tagen bei der UKBW zu melden. Das Formular dafür kann über ASV generiert werden.
GEW-Mitglieder können sich zur Beratung bei ihrer jeweiligen Bezirksgeschäftsstelle melden. GEW-Rechtsschutz erhalten ebenfalls nur GEW-Mitglieder. Die Amtshaftung greift, außer bei Vorsatz und wenn grob fahrlässig gehandelt wurde (Berufshaftpflicht). Schadenersatzansprüche sind zunächst grundsätzlich nicht bei der Lehrkraft, sondern beim Land Baden-Württemberg, vertreten durch das zuständige Regierungspräsidium, geltend zu machen.
Grundsätzliche Informationen
Schwimmen ist Teil des Bildungsplans. Aus diesem Grund ist Schwimmunterricht zu erteilen, wenn die Rahmenbedingungen alle gegeben sind. Eine generelle Weigerung ist deshalb nicht möglich.
Schulleitungen müssen darauf achten, dass Lehrkräfte ausreichend qualifiziert sind. Ansonsten müssen diese nachqualifiziert werden. In dieser Zeit findet dann kein Schwimmunterricht statt.
Fehlen Badestätten oder gibt es Mängel in den Badestätten, muss die Schulleitung in Kontakt mit dem zuständigen Schulträger klären und diese beheben lassen.
Literaturverzeichnis:
- Bestimmungen und Regelungen zum Schwimmunterricht, veröffentlicht im K und U 15-16 – 2020
- KM Leitfaden zum Schwimmunterricht der Grundschule
- KMK Empfehlungen Schwimmunterricht – Beschluss vom 4. Mai 2017
- Schwimmunterricht im GEW-Jahrbuch
- Handreichungen der UKBW:
Sichere Schule – Schwimmunterricht – Niveaustufenkonzept
Sichere Schule – Schwimmunterricht – Schwimmhalle
Sichere Schule – Schwimmunterricht – Lehrkraft und Sicherheit im Schwimmunterricht