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Wie geht Gemeinschaftschule?

Fünf Jahre nach dem Start der neuen Schulform ziehen Friedrich-Ebert-Stiftung und GEW Zwischenbilanz. Den Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe im ganzen Land machte Anfang November ein Fachtag in Stuttgart.

Auf den ersten Blick ist die kurze Geschichte der neuen Schulform ein Erfolg. 304 Gemeinschaftsschulen gibt es heute in Baden-Württemberg. Schülerinnen und Schülern mit ganz unterschiedlichen Begabungen lernen hier gemeinsam. Die Gemeinschaftsschule ist auf dem Weg, sich neben den traditionellen Schulformen zu etablieren. Allerdings sinken an manchen Standorten die Anmeldezahlen. Kritiker sprechen deshalb von einer Krise der Gemeinschaftsschulen. Eltern setzten lieber auf  bekannte Schulformen, anstatt auf das gemeinsame und inklusive Lernen ohne Noten, rhythmisiertem Ganztag und innerer Differenzierung.

Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Fachtag an der Stuttgarter Altenburgschule stimmten dieser Analyse nicht zu. Vielmehr beklagten sie mangelnde öffentliche und politische Unterstützung für die Gemeinschaftsschulen, von denen die meisten aus Haupt- und Werkrealschulen hervorgegangen sind. „Die Argumentation in der Debatte um Gemeinschaftsschulen ist absurd“, sagte etwa die Erziehungswissenschaftlerin Katrin Höhmann von der PH Ludwigsburg. Herausforderungen bei der Gemeinschaftsschule würden immer gleich als Problem der gesamten Schulform gesehen, während Probleme etwa an Gymnasien unabhängig davon diskutiert würden.

Schulart im Aufbau

Die GEW-Vorsitzende Doro Moritz wies darauf hin, dass die Gemeinschaftsschule immer noch „eine Schulart im Aufbau“ sei. Sie betonte die Rolle der Gemeinschaftsschulen für die inklusive Bildung und innovative Lernformen: „Keine andere weiterführende Schule hat vergleichbar anspruchsvolle Aufgaben zu bewältigen. Dafür braucht die Gemeinschaftsschule mehr Unterstützung, eine bessere Bezahlung der Lehrkräfte und mehr Leitungsstellen.“ Ähnlich äußerte sich die Rektorin der Stuttgarter Altenburg-Schule, Katrin Steinhülb-Joos. Die Unterrichtsvorbereitung sei an den Gemeinschaftsschulen viel aufwändiger, schließlich müssten Lehrerinnen und Lehrer drei verschiedene Lernniveaus gestalten.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken bewertete die Arbeit der Gemeinschaftsschulen mit Blick auf Bildungserfolg und soziale Herkunft. Man dürfe Schüler/innen heute nicht mehr sortieren wie einst in der Ständegesellschaft des 19. Jahrhunderts, sagte sie. In kaum einem anderen Land sei der schulische Erfolg eines Kindes so eng an dessen Herkunft gekoppelt wie in Deutschland. Das gemeinsame Lernen könne dem entgegenwirken und für mehr Chancengerechtigkeit sorgen.

Das Fazit des Fachtages: Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg brauchen noch mehr Zeit und politische Unterstützung, um sich weiter zu etablieren. Dazu gehört nach Ansicht vieler Teilnehmer auch, Eltern das Konzept der Gemeinschaftsschulen noch besser zu erklären und die Kommunen als Schulträger und Partner ins Boot zu holen.  Werner Bundschuh, Bürgermeister der Gemeinde Schliengen sagte: „Die Schulen brauchen jetzt vor allem eines: Ruhe. Sie müssen aus dem ideologischen Feld raus und akzeptiert werden.“