Landesdelegiertenversammlung (LDV) 2022
Zeit für Bildung
Am 22. und 23. September trafen sich rund 250 Delegierte der GEW in Sindelfingen, um auf der LDV unter dem Motto „Zeit für Bildung!“ über 117 Anträge zur Bildungs- und Gewerkschaftspolitik der nächsten Jahre in Baden-Württemberg zu beraten.
Im Glaspalast in Sindelfingen standen zwei Tage lang Anträge im Mittelpunkt. Die GEW-Delegierten aus allen Teilen Baden-Württembergs diskutierten und entschieden über Konzepte für die Digitalisierung in Bildungseinrichtungen, für bessere Qualität in Kitas, Schulen, Hochschulen und der Weiterbildung oder für gute und gelingende Ganztagsangebote. Auf der Themenliste standen außerdem Vorschläge für die nächsten Tarifrunden im TVöD und TV-L, Qualifizierungsprogramme für Quereinsteiger*innen an Kitas und Schulen sowie bessere Anerkennungsbedingungen für migrierte Lehrkräfte. Auch über Friedens- und Demokratiebildung gab es einen engagierten Austausch.
Die LDV war die Fortsetzung der Online-Versammlung 2020, bei der viele Leitungspositionen neu gewählt wurden.
Kultusministerin bei der GEW: Vom Ziel Bildungsgerechtigkeit weit entfernt
„Im Ziel sind wir uns einig“, sagte Kultusministerin Theresa Schopper in ihrer Rede vor den Delegierten, „der Bildungserfolg darf nicht von Herkunft abhängen. Für einen guten Zusammenhalt in der Gesellschaft, müssen wir dieses Versprechen einhalten.“ Schopper räumte ein, dass das Ziel der Bildungsgerechtigkeit noch lange nicht erreicht sei. Das habe auch Corona gezeigt. Sie will sich dafür einsetzen, dass die fachlichen, aber vor allem die sozial-emotionalen Schäden der Pandemiezeit behoben werden. Sie wirbt dafür, dass Schulen über das Programm „Rückenwind“ zusätzliches Personal einsetzen und Schüler*innen fördern.
Auch im kommenden Landeshaushalt stehe die Bildungsgerechtigkeit im Fokus. Daher werde jetzt ein Sozialindex erprobt.
„Was dahintersteckt, ist mir wichtig. Es gehe nicht darum, Schulen in Stuttgart auf dem Killesberg etwas wegzunehmen und die Stunden in den Hallschlag zu tragen, sondern die Ressourcen sozial gerecht zu steuern“, erklärte die Kultusministerin.
Allzu viel Hoffnung für einen großen Wunschzettel will sie nicht aufkommen lassen. Die Steuerschätzungen mache sie vorsichtig.
Widerspruch erntete Schopper von der Grundschullehrerin Christine Gengenbach aus Lörrach: „Ich sehe nicht, dass Sie kämpfen. Sie müssen Ihren Kabinettskolleg*innen deutlicher sagen, was in der Ausstattung der Grundschulen schiefläuft.“ „Es tut mir leid, wenn ich keinen kämpferischen Eindruck hinterlasse“, antwortete die Ministerin, „die lautesten Marktplatz-Brüller sind nicht immer die erfolgreichsten. Sie haben mich voll an ihrer Seite.“ Sie erinnerte daran, dass jeder 4. Euro des Landeshaushalts in Bildung fließe. Sie hofft, dass im Landeshaushalt 500 zusätzliche Stellen für wachsende Schüler*innenzahlen geschaffen werden. Außerdem möchte das Kultusministerium 200 Stellen für Pädagogische Assistent*innen schaffen. Auch die 1.165 Stellen für die Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen sollen noch einmal verlängert werden.
Monika Stein begrüßte die Ankündigungen der Ministerin. Sie machte aber auch deutlich, dass diese Stellen nicht ausreichen um die Probleme an den Schulen zu lösen. Die Landesregierung müsse mehr tun, um allen Kindern und Jugendliche gute Bildungschancen zu ermöglichen.
Was für Schopper nicht geht: Schularten gegeneinander auszuspielen. Das betonte sie, weil sich der Philologenverband nach den VERA8-Ergebnissen sehr abfällig über das Leistungsniveau der Gemeinschaftsschulen geäußert hatte. „Das geht so nicht. Wir müssen uns in allen Schularten um die Heterogenität der Schüler*innen kümmern, aber nirgendwo sind die Schüler*innen so homogen zusammengesetzt wie im Gymnasium. Es gibt Hausaufgaben an allen Schularten.“ Monika Stein freute sich über die klare Haltung der Ministerin und wünschte sich von ihr dazu auch klare Aussagen in der Öffentlichkeit. Für die GEW gelte sowieso, dass sich Schularten nicht gegeneinander ausspielen lassen. „Das ist Teil unserer solidarischen Grundhaltung.“
Die Ministerin äußerte sich insgesamt wertschätzend. Sie bedankte sich unter anderem für das Engagement der Lehrkräfte und Erzieher*innen, wenn es um die Aufnahme der geflüchteten Kinder und Jugendlichen nicht nur aus der Ukraine geht. Die Gruppengrößen in Kitas sollen nicht „per se verlängert“ werden. „Mir ist bewusst, dass Erzieher*innen sonst zwei Häuser weiterziehen“, spielte sie auf den guten Arbeitsmarkt der Erzieher*innen an.
Schopper benannte viele Problemfelder: Mangelnde digitale Ausstattung, fehlendes Personal oder fehlende Qualifizierung von Quer- und Seiteneinsteiger*innen. Sie benennt allerdings wenig konkrete Veränderungen. Neben dem Modellversuch zur sozialindexbasierten Ressourcenzuweisung nannte sie den Modellversuch zu multiprofessionellen Teams in den Grundschulen und den Modellversuch zu alternativen Formen der Leistungsbewertung in den Grundschulen. Ernsthafte Verbesserungen sind für die GEW damit aber nicht in Sicht.
Die GEW-Chefin skizzierte in ihrer Antwort auf Schoppers Rede noch einmal, was auch die ganze LDV umtreibt: Die Grundschulen brauchen bessere Unterstützung, die Fachlehrkräfte bessere Aufstiegschancen, Lehrkräfte im VABO sollten dauerhaft eingestellt werden und Teilzeitkräfte können nicht beliebig aufstocken. Auch die weiterführenden Schulen brauchen bessere Bedingungen für ihre Arbeit. „Die Kraftreserven der Kolleg*innen in den Bildungseinrichtungen sind erschöpft. Wir wären eine schlechte Gewerkschaft, wenn wir nicht laut sagen würden: Die Arbeitsbedingungen müssen sich verbessern!“
GEW unterstützt Aktionen der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“
„Das Verhalten von Pädagog*innen ist sehr bedeutsam für die Stimmung in den Schulen. Wir rufen die Beschäftigten in den Schulen und allen Bildungseinrichtungen dazu auf, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu beteiligen. Wir sind dankbar, dass sich Jugendliche und junge Erwachsene für die Zukunft unseres Landes engagieren“, sagte Stein.
Auch die Bundesvorsitzende der GEW, Maike Finnern, sprach zu den Delegierten. Sie beschrieb die bundesweite gute Wirkung, die der baden-württembergische Protest gegen die Sommerferienarbeitslosigkeit befristeter Lehrkräfte hatte. „Ein Ende dieser Praxis wird sich überall durchsetzen. So ein Verhalten kann man nicht durchhalten“, prognostizierte sie. Finnern erwartet auch, dass die unsägliche Befristung vieler 100.000 Beschäftigter in Hochschulen beendet wird. Sie betonte: „Das können wir so nicht länger hinnehmen.“ Baden-Württemberg müsse auch nachziehen, und allen Lehrkräfte A13/E13 zu bezahlen. Nachdem Bayern und Nordrhein-Westfalen in A13/E13 für alle wissenschaftlichen Lehrkräfte eingestiegen seien, werde sich Baden-Württemberg nicht länger verweigern können. Auch Kultusministerin Schopper war klar „Wir müssen hier unsere Hausaufgaben erledigen.“ Konkret wurde sie bei der Frage A13/E13 für alle Lehrkräfte aber auch nicht.
Zu Klima, Energiepreisen, Mobilitätswende und Transformation der Industrie sprach Kai Burmeister, DGB-Vorsitzender in Baden-Württemberg. Er sagte: „Gerechtigkeit und die Verteilungsfrage brennt uns allen unter den Nägeln. Dass es gerecht zugeht in diesem Land, dafür sind ganz wesentlich die Gewerkschaften da!“
Die nächste LDV findet 2025 statt. Mit all den Beschlüssen, die die GEW in zwei Tagen erarbeitet hat, ist die Bildungsgewerkschaft bis dahin gut gerüstet.