Podiumsdiskussion zur Landtagswahl 2016
- Vom Sitzenbleiben und Entscheidungsspielen -
Was passiert, wenn gewerkschaftlich engagierte Lehrer*innen zu einer Podiumsdiskussion einladen? Sie findet natürlich im neuen DGB-Haus in Freiburg statt und es wird methodisch experimentiert.
Bildungspolitik, so die Prophezeiung aller Politikwissenschaftler, sollte eigentlich das Wahlkampfthema 2016 werden. Es kam aber laut Wulf Rüskamp, der die Diskussion moderierte, bis dato kaum im Wahlkampf vor. Im ersten Teil der Fragerunde ging es deshalb zunächst um Schulstruktur. Zunächst wurde das brisante Thema Gemeinschaftsschule beleuchtet, das bis heute so heftig diskutiert wird, dass mancher Angst hatte, dass diese Schulart der Regierungskoalition das Genick brechen würde. In diesem Zusammenhang wurde auch der sogenannte Schulfrieden angerissen.
Die GMS, so die CDU werde vor allem von Eltern nicht akzeptiert und führe dazu, dass gerade die schwachen SuS Probleme hätten. Eine interessante Argumentation, wenn man bedenkt, dass die CDU vor Einführung der GMS genau umgekehrt argumentierte und besorgt war, dass gerade die leistungsstarken SuS verloren gehen könnten. Die FDP wolle an den GMS nicht rühren, sehe es aber problematisch, dass sie sich vor allem in Orten etabliere, in denen sonst eine Standortschließung drohe.
LINKE, Grüne und SPD waren sich relativ einig, dass die GMS richtig sei, allerdings gingen die Meinungen bei der gymnasialen Oberstufe auseinander. Grün und Rot setzen auf Freiwilligkeit bei der Beantragung von GMS und bezeichnen das Gymnasium als festen Pfeiler im Zwei-Säulen-Modell. Die LINKE sieht genau das als Problem und spricht deshalb von einem Konstruktionsfehler.
Weiterhein wurden die Themen „neues Realschulkonzept“ und Verbindlichkeit von Ganztagsschulen diskutiert. Einig waren sich alle, dass die Realschule gestärkt werden müsse. Beim Thema GTS war der neuralgische Punkt die Verbindlichkeit. Überraschend an dieser Stelle die Position des FDP-Kandidaten Buttkereit, der als Geschäftsführer einer Privatschule den Ganztag verbindlich sieht, denn nur so könne eine pädagogisch sinnvolle Rhythmisierung stattfinden.
Aufgelockert wurde die „frontale“ Diskussionsrunde durch ein Ja-Nein-Spiel, dass die Kandidaten*innen der Parteien bewegen sollte eindeutig Position zu beziehen. Das Spiel kam so gut an, dass sogar einige Gäste gerne mit gemacht hätten. Schnell und eindeutig abgearbeitet werden sollten hier die Frage nach der Richtigkeit der Einführung des Faches Wirtschaft oder die Frage nach einem neuen Lehrerarbeitszeitmodell. Ebenso fiel hier die Frage nach der Grundschulempfehlung: soll sie wieder eingeführt werden oder nicht? Ein Ergebnis dieses Spiels soll hier aber nun explizit genannt werden: bei der Einführung des Ethikunterrichts ab Klasse 1 standen alle Parteien eindeutig auf der JA-Seite, was den Kreisvorsitzenden der GEW Peter Fels sehr positiv überrascht haben mag und hoffentlich als Hausaufgabe für die nächste Legislaturperiode erledigt wird.
Der zweite Diskussionsblock wurde mit einem Statement der GEW zum Thema Grundschule und Vorschulpädagogik eingeleitet. Susanne Gallery, Kreisvorsitzende des Kreises Freiburg forderte, dass für GS endlich Geld in die Hand genommen werde und die GS, die letztlich eine Schule für alle sei und schon lange am innovativsten arbeiten würden. Es müsse deshalb auch darüber nachgedacht werden, dass GS-Lehrer*innen nicht aus der A13-Besoldung ausgeschlossen werden dürften und sie damit auch Aufstiegsperspektiven bekommen würden. Dies gelte auch für WRS-Lehrer*innen, die wenn sie langjährige Berufserfahrung hätten, schlechter bezahlt würden, als Berufsanfänger*innen, die nach der neuen Studienordnung studiert hätten. An dieser Stelle gaben die Vertreterinnen des Landtags Sitzmann und Rolland sogar zu, dass die Grundschule bei all den Neuerungen, die auf den Weg gebracht wurden, zu wenig im Fokus gewesen seien und nun in den Blick genommen werden müssten.
Nach dem zweiten Frageblock kamen auch die Besucher*innen zu Wort, die bis dahin geduldig zugehört haben. Das Thema Inklusion und die Zukunft der SBBZ (vormals Sonderschule, jetzt Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren) wurden hier leider nur gestreift. Außerdem wurden auch ein Werbeverbot der Bundeswehr und die Finanzierung der Friedenserziehung in der Schule gefordert und um Stellungnahme gebeten.
Am Ende der Diskussion durften die Gäste nach zweieinhalbstündiger Meinungsbildung pur schon einmal „Probewählen“. Bei dieser Abstimmung überraschte das Ergebnis: die Linke gewann mit 34%, je 21% fielen auf Grüne und SPD, die CDU bekam 19% und die FDP war mit 4% auf dem letzten Platz.
Eine Anmerkung zum Schluss sei noch genannt: Dr. Schüle echauffierte sich darüber, dass es seit Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung eine Vervierfachung der Sitzenbleiberquote an den Realschulen und am Gymnasien zu beobachten sei und warum sich dazu niemand von der GEW empöre. Gegenfrage an die CDU: Ist es nicht so, dass diese Quote auf null sinkt, wenn diese beiden Schulen ihre Schüler*innen nicht mehr abschulen können, weil es bald keine Werkrealschulen mehr geben wird? Und könnte man dann nicht einfach das Sitzenbleiben ganz abschaffen?
Text: Andrea Wagner
Bild: Annette Zimmermann und Peter Fels
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