Flüchtlingsrat und GEW kritisieren Vorgehen
Abschiebungen aus Schulen sofort stoppen
Ende Juni ist in Emmendingen eine Jugendliche aus einer Schule heraus abgeschoben worden. Schulen und andere Bildungsräume müssten geschützte Orte sein, an denen sich alle sicher fühlen, sagte GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz.
In Baden-Württemberg ist eine Jugendliche aus einer Schule heraus abgeschoben worden. Am 27. Juni ist die 15-jährige Fatima A. von Polizisten aus ihrem Klassenzimmer in einer Beruflichen Schule in Emmendingen abgeholt und zusammen mit ihrer Mutter nach Nordmazedonien abgeschoben worden.
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg verurteilen diese Abschiebungsaktion und fordern die Landesregierung auf, keine Abschiebungen aus Schulen und anderen Bildungseinrichtungen durchzuführen.
Fatima berichtete nach ihrer Abschiebung, dass sie geweint habe, als sie aus dem Klassenzimmer geführt wurde, ihr die Polizei das Handy abgenommen habe und dass ihr erst am Flughafen erlaubt wurde zu telefonieren. Außerdem habe sie nur die Sachen mitnehmen dürfen, die sie in der Schule dabei hatte. Es sei ihr nicht erlaubt gewesen, nochmal in ihre Wohnung zu gehen und Kleidung oder persönliche Dinge zu holen.
„Schulen und andere Bildungsräume müssen geschützte Orte sein, an denen sich Kinder und Jugendliche sicher fühlen. Lehrkräfte und andere Mitarbeiter in den Schulen dürfen nicht als Abschiebehelfer missbraucht werden. Abschiebungen aus Bildungseinrichtungen sind nicht nur für die Betroffenen traumatisch, sondern auch für das ganze Umfeld. Das sieht man auch in diesem Fall. Hinzu kommt, dass die Abschiebung wenige Wochen vor Ende des Schuljahres erfolgte. Im Interesse des Kindeswohls sollten Schülerinnen und Schüler zumindest die Möglichkeit haben, das Schuljahr zu beenden. Das Gesetz sieht die Möglichkeit der Erteilung einer Duldung für solche Fälle vor“, sagte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz in Stuttgart.
Im Sommer 2017 hatten Flüchtlingsrat und GEW einen Leitfaden für Lehrkräfte (PDF) herausgegeben, in denen es um das Thema „Abschiebungen aus Schulen“ geht. Daraufhin wurde seitens des Innenministeriums versucht, einen Skandal zu inszenieren. Der damalige Staatssekretär Martin Jäger behauptete, man würde Beamte zum Rechtsbruch anstiften. Die Nachfrage, welche Passage im Leitfaden diesen Tatbestand erfülle, blieb unbeantwortet. „Diesen haltlosen Vorwurf weisen wir entschieden zurück. Wir möchten Schulpersonal informieren und aufklären über Handlungsoptionen, damit sie ihrer Verantwortung auch gegenüber von Abschiebung bedrohten Schülerinnen und Schülern gerecht werden können. Der Anstoß, dies zu tun, kam von Lehrerinnen und Lehrern und Schulleiterinnen und Schulleitern, die sich mit dem Wunsch nach Informationen an die GEW gewandt haben“, sagte Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.
Der Staatssekretär schrieb damals auch: „In Baden-Württemberg werden – entgegen dem Eindruck, den Ihre Handlungsanleitung erweckt – Abschiebungen nicht in einer Art und Weise durchgeführt, dass Kinder durch die Polizei aus dem Unterricht heraus abgeholt und abgeschoben werden.“
Das Beispiel aus Emmendingen zeigt, dass dies leere Versprechungen der grün-schwarzen Landesregierung waren. Deshalb werden GEW und Flüchtlingsrat den Handlungsleitfaden für Schulpersonal weiter den Schulen anbieten.
Abschiebung auch in Mannheim
Bereits im vergangenen Dezember wurden in Mannheim Kinder einer albanischen Familie aus einer Schule und einer Kindertagesstätte abgeholt und abgeschoben. Bezugnehmend auf diesen Fall hatte sich die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz an das Innenministerium gewandt. Der damals zuständige Staatssekretär Julian Würtenberger versuchte in seinem Antwortschreiben, die Schuld auf die Eltern der Kinder zu schieben, da sie nicht „selbständig ausgereist“ seien.
„Vor dem Hintergrund, dass die Familie einen Härtefallantrag gestellt hatte, und nicht über dessen Ablehnung informiert worden war, kann diese Äußerung nur als absolut zynisch gesehen werden. Gerade angesichts der Tatsache, dass beide Eltern berufstätig waren, wäre es durchaus möglich gewesen, dass sie bereit gewesen wären, auszureisen und mit einem Arbeitsvisum legal wieder einzureisen. Diese Perspektive ist aufgrund der Abschiebung verbaut. Durch dieses Verhalten verstößt die Landesregierung gegen ihre eigenen Abschieberichtlinien, denen zufolge die Möglichkeit zur selbständigen Ausreise Vorrang vor Abschiebungen haben soll“, betonte McGinley.
Der Flüchtlingsrat und die GEW fordern die Landesregierung auf, ihre eigenen Leitlinien einzuhalten und rechtzeitig über die Ablehnung von Härtefallanträgen zu informieren, bevor es zu einer Abschiebung kommt. Sie setzen sich auch für eine sofortige Beendigung von Abschiebungen aus Bildungseinrichtungen ein. „Wir möchten uns nicht mit dem lapidaren Hinweis, man würde mit den Abschiebungen nur geltendes Recht durchsetzen, abspeisen lassen. Es gibt Alternativen zu dieser unwürdigen und kinderfeindlichen Praxis, auch im Rahmen des geltenden Rechts. Sie müssen nur politisch gewollt sein. Die Landesregierung ist aufgerufen, sich hier klar zu positionieren, anstatt sich hinter selbst konstruierten Sachzwängen zu verschanzen“, sagte Seán McGinley.