„Seit dem Jahr 2000 sind die Tariflöhne in Deutschland um 44,8 Prozent gestiegen, im öffentlichen Dienst nur um 40,6 Prozent. Warum wundern sich die Kommunen über der Fachkräftemangel? Ich kann das Gejammer mancher Bürgermeister nicht ernst nehmen, wenn sie sich nicht am Verhandlungstisch für ein deutliches Gehaltsplus einsetzen“, sagte Doro Moritz, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg, in Stuttgart.
Die Bildungsgewerkschaft zieht eine positive Bilanz der Warnstreiks in dieser Woche in Baden-Württemberg. 12.000 Beschäftigte aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes, darunter auch viele Erzieher/innen und Sozialarbeiter/innen, beteiligen sich heute am Warnstreik in vielen Städten und Gemeinden. „Jetzt sind die Arbeitgeber am Zug. Ohne eine satte Lohnsteigerung wird es in der nächsten Woche in Potsdam keine Einigung geben“, sagte Moritz.
Heute wurde unter anderem in Stuttgart und den umliegenden Landkreisen Ludwigsburg, Rems-Murr und Böblingen sowie in Ulm, Aalen und den Landkreisen Esslingen und Göppingen gestreikt.
Die GEW fordert gemeinsam mit ver.di und den anderen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes sechs Prozent, mindestens jedoch 200 Euro mehr Gehalt für die Beschäftigten der Kommunen und des Bundes. In der zweiten Verhandlungsrunde hatten die Arbeitgeber anders als in den vorrangegangen Tarifrunden kein Angebot vorgelegt. Die Verhandlungen werden am 15. und 16. April in Potsdam fortgesetzt.
Mehr als 80.000 pädagogische Fachkräfte sind betroffen
In Baden-Württemberg gibt es 8.792 Kindertageseinrichtungen, in denen 100.644 Personen beschäftigt sind, davon knapp 85.710 als pädagogische Fachkräfte, die 424.464 Kinder betreuen und fördern (Statistisches Landesamt, Stand 2017). Die anderen Beschäftigten arbeiten als freigestellte Leitung, im Verwaltungsdienst und in der Hauswirtschaft.
42 Prozent der Kitas haben öffentliche Träger. Bei den Beschäftigten der freien Träger hat die Caritas mit 36 Prozent gefolgt von der Diakonie mit 30 Prozent den größten Anteil.
Das Ergebnis der Tarifrunde gilt direkt zwar nur für die Beschäftigten bei den Kommunen, wird in der Regel aber von den Kirchen und anderen freien Träger von Kindertagesstätten und Jugendhilfeeinrichtungen übernommen.
Milliardeneinnahmen ermöglichen Gehaltsplus
Das Geld für eine ordentliche Gehaltssteigerung ist da. Die Kommunen haben im letzten Jahr deutschlandweit mehr Einnahmen als Ausgaben verzeichnet. Und die Steuereinnahmen sprudeln weiter.
In der Novemberschätzung des Arbeitskreises Steuerschätzung des Bundesfinanzministeriums wurden die Steuereinnahmen der Kommunen für 2017 gegenüber der Schätzung vom Mai um 1,8 Milliarden Euro nach oben korrigiert. Das macht im Ergebnis für 2017 ein Plus von 6,7 Prozent. Für die nächsten drei Jahre wurde die Prognose um weitere zwölf Milliarden Euro angehoben. Laut Statistischem Bundesamt erzielten die Kommunen im Jahr 2017 einen Finanzüberschuss von 10,7 Milliarden Euro.
Bedarf an Erzieher/innen steigt weiter
Laut einer Prognose aus dem Jahr 2017 sind 2030 rund 816.000 Stellen im öffentlichen Dienst unbesetzt. Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2016 zufolge fehlen derzeit mindestens 110.000 Vollzeitstellen – bei der Kinderbetreuung, in den Finanzverwaltungen, bei der Polizei und im Schulbereich.
Bei den Kitas in Baden-Württemberg steigt der Bedarf an Erzieher/innen weiter. Die aktuellen Ausbildungszahlen reichen nur, um den Ersatzbedarf bis 2025 zu decken, aber nicht um das zusätzliche Personal für den dringend notwendigen weiteren Ausbau des Kita-Angebots zu gewinnen.