Lehrkräftemangel
Kreative Ideen sind gefragt
Das Land tut zu wenig. Weitere Qualifizierungsangebote für Menschen ohne Lehramtsausbildung seien überfällig, sagt GEW-Landesvorsitzende Monika Stein – und verweist auf ein GEW-Konzept, das dem Kultusministerium seit über fünf Jahren vorliegt.
Die Bildungsgewerkschaft GEW bietet Kultusministerin Theresa Schopper weiterhin die Zusammenarbeit an, um mit kreativen Ideen auf den Lehrkräftemangel zu antworten. Für Seiteneinsteiger*innen in den Schulen müssten die Qualifizierungsprogramme ausgebaut werden.
„Weitere Qualifizierungsangebote für Menschen ohne Lehramtsausbildung sind überfällig. Wir sind an den Schulen auf diese Menschen angewiesen, da es die Landesregierung nicht geschafft hat, genug Lehrer*innen auszubilden. Aber wir dürfen die Qualität des Unterrichts nicht vergessen, das sind wir den Schüler*innen schuldig. Deshalb brauchen Quereinsteiger*innen berufsbegleitend und von Anfang an hochwertige und intensive Fortbildungen. Mit einer Schnellbleiche ist es nicht getan. Die Landesregierung tut seit Jahren zu wenig für die notwendigen Qualifizierungsangebote. Dabei hat die GEW seit über fünf Jahren ein Konzept für kurz-, mittel- und langfristige Angebote für Menschen ohne volle Lehramtsausbildung vorgelegt“, sagte Monika Stein, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg, in Freiburg.
Die Zahlen der Bertelsmann-Stiftung, nach der 2021 in Baden-Württemberg fast sechs Prozent der Jugendlichen die Schule ohne Abschluss verlassen haben, überraschen die GEW-Landeschefin nicht. „An erster Stelle steht hier die jahrelange Vernachlässigung der Grundschulen in unserem Land. Hier werden die Weichen für die weitere Bildungslaufbahn gestellt. Warum sind die baden-württembergischen Grundschulen beim Verhältnis Schüler*innen zu Lehrkräften bundesweit auf dem letzten Platz und warum sind sie die einzige Schulart in unserem Land, die keine einzige Stunde für zusätzliche Förderung bekommt“, sagte die GEW-Landesvorsitzende.
Altersermäßigung erhöhen und mehr Lehrkräfte gewinnen
Die GEW begrüßt, dass Kultusministerin Theresa Schopper nicht auf die „Schnapsidee“ verfällt, über verpflichtende Mehrarbeit für Lehrkräfte zu diskutieren.
„Es ist eine Legende, dass die Teilzeitquote an den Schulen höher sei als in anderen Berufen, in denen überwiegend Frauen arbeiten. Wer daran etwas ändern will, muss dafür sorgen, dass es mehr Kita-Plätze gibt und die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern sich verändert. Warum denken wir nicht über Stipendien für Lehramtsstudierende nach, die bereit sind, in Regionen mit Lehrkräftemangel zu unterrichten? Und wenn es für Landärzt*innen kostenlose Bauplätze in bestimmten Kommunen gibt, warum auch nicht für Pädagog*innen?“, fragte Stein.
Die GEW schlägt unter anderem auch neue Studienplätze im Aufbaustudium Sonderpädagogik vor und eine Erhöhung der Altersermäßigung, damit mehr Pädagog*innen bis zum Ruhestand weiter unterrichten können.
Teilzeit bei Pädagog*innen als Chance begreifen
Die GEW geht davon aus, dass die Teilzeitquote bei Lehrkräften weiter steigen wird und deshalb mehr Personen für die zu besetzenden Lehrkräftestellen ausgebildet werden müssen.
„Wer die Teilzeitarbeit kritisiert, kennt die Situation auf dem Arbeitsmarkt, gerade bei Pädagog*innen nicht. Lehrkräfte arbeiten Teilzeit, weil sie sonst Familie und Beruf nicht vereinbaren könnten und viele wählen Teilzeit, weil sie bei einem vollen Unterrichtsauftrag nicht mehr in der Lage wären, guten Unterricht zu gestalten. Immer mehr junge Menschen wählen gezielt Berufe, in denen Teilzeitarbeit möglich ist. Die Landesregierung sollte darüber nicht jammern, sondern sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren, um auch in Zukunft genug junge Menschen für den Platz am Lehrer*innenpult zu finden. Entsprechend muss auch dies endlich bei der Anzahl der Studienplätze berücksichtigt werden“, sagte Stein.
Bis 2025 fehlen in Baden-Württemberg zwischen 16.000 und 27.000 Lehrkräfte
Die Lehrkräftebedarfsprognose für die Schulen im Südwesten von Oktober 2022 prognostiziert einen langfristigen großen Lehrkräftemangel an den 4.500 Schulen im Land.
Der Bildungswissenschaftler Klaus Klemm geht von mindestens 16.000 fehlenden Lehrkräften bis zum Jahr 2035 aus. Wenn Ziele wie mehr Stellen für Grundschulen und die Inklusion sowie Schulen in herausfordernden sozialen Lagen erreicht werden sollen, steige die Lücke auf 27.000. Insgesamt müssen bis 2035 für den Ersatz ausscheidender Pädagog*innen und aufgrund der steigenden Schüler*innenzahlen 64.800 Stellen neu besetzt werden, es werden bis dahin voraussichtlich aber nur gut 48.000 Lehrkräfte ihr Studium und Referendariat beenden. Allein für die drängendsten Maßnahmen einer im Bundesdurchschnitt liegenden Ausstattung der Grundschulen, der Inklusion und für Schulen in herausfordernden Lagen werden weitere 10.400 Lehrkräfte benötigt.
#BesterJobDerWelt – GEW auf der didacta
Die GEW will, dass der Beruf Lehrer*in weiter attraktiv bleibt und erwartet von Landesregierung und Schulträgern mehr Investitionen.
Auf der didacta wirbt sie mit dem Slogan „#BesterJobDerWelt“ und berät angehende Pädagog*innen über das Referendariat und den Berufseinstieg.