Arbeitszeiterfassung
Lehrkräfte wollen Transparenz
GEW-Landesvorsitzende Monika Stein fordert vom Land, dass es eine Arbeitszeiterfassung für alle Lehrkräfte gibt. Die Erfassung werde zeigen, wie es tatsächlich um die Lehrkräfte- und Unterrichtsversorgung steht, so Stein.
Die Bildungsgewerkschaft GEW kritisiert die Haltung der Landesregierung, die bei der Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte auf der Bremse steht.
„Arbeitgeber*innen in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes erfassen schon lange die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten. Und jenseits der Lehrer*innen dokumentieren alle anderen Beschäftigten im Schuldienst, in der Schulverwaltung und im Kultusministerium ihre Arbeitszeit. Es wird Zeit, dass es eine Arbeitszeiterfassung für alle 130.000 Lehrkräfte in Baden-Württemberg gibt. Offenbar hat die Landesregierung kein Interesse, dass ihr Versagen bei der Unterrichtsversorgung deutlich wird, wenn die Lehrer*innen dokumentieren können, dass sie sei Jahren jonglieren und mehr arbeiten, weil an Schulen bereits zum Schuljahresbeginn nicht alle Stellen besetzt sind und den knapp 2.000 Stellen in der Vertretungsreserve gut 7.000 dauerhafte Ausfälle gegenüberstehen. Diese Unterrichtsversorgung auf Pump macht krank und führt zu weiteren Ausfällen“, sagte Monika Stein, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg, in Freiburg.
In einer Antwort auf eine Anfrage der SPD-Landtagsabgeordneten Katrin Steinhülb-Joss und Stefan Fulst-Blei hatte das Kultusministerium ausgeführt, dass es erst auf die durch die Rechtsprechung des EuGH und des BAG notwendige Änderung des Arbeitszeitgesetzes warten möchte. In Baden-Württemberg haben verbeamtete Lehrkräfte eine wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden und 30 Urlaubstage. Studien zur Lehrkräftearbeitszeit wie zuletzt in Niedersachsen zeigen, dass auch unter Berücksichtigung der geringeren Belastung von Lehrer*innen in der unterrichtsfreien Zeit der Schulferien die pädagogischen Profis länger arbeiten.
„Die Rechtsprechung zur Arbeitszeiterfassung muss umgesetzt werden, auch bei uns Lehrkräften. Zum Schutz der Beschäftigten und damit endlich die Überstunden nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden. Über die letzten Jahre ist die Arbeitsbelastung aufgrund neuer Aufgaben stetig gewachsen, was natürlich zu einer Zunahme der Arbeitszeit geführt hat“, sagte Farina Semler, stellvertretende GEW-Landesvorsitzende und Arbeitszeitexpertin der Bildungsgewerkschaft.
Rechtsprechung von EuGH und BAG
Bereits 2019 hatte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden, dass die Staaten der Europäischen Union die Arbeitgeber*innen verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmer*innen geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Dadurch soll die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten garantiert werden (EuGH 14. Mai 2019 – C55/18).
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diese Entscheidung 2022 untermauert und entschieden, dass Arbeitgeber*innen verpflichtet sind, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer*innen zu erfassen (BAG, Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21). Überdies stellte das BAG klar, dass die Einführung solcher Systeme der Mitbestimmung der betrieblichen Interessenvertretungen unterliegt.
Lehrkräftearbeitszeit ist nicht nur das Deputat
Die Arbeitszeit von Lehrkräften wird durch das Deputat, die zu haltenden Unterrichtsstunden definiert. Dies ist nach Schularten unterschiedlich und reicht von 31 Wochenstunden bei Technischen und Fachlehrkräften über 28 Wochenstunden an den Grundschulen bis zu 25 an den Beruflichen Schulen und Gymnasien.
„Eine Arbeitszeiterfassung würde auch deutlich machen, dass zur Arbeit von Lehrer*innen auch der Elternabend, der Besuch bei Arbeitgeber*innen im Rahmen der Berufsorientierung, die Kooperation mit Jugendämtern für die Schüler*innen, zahlreiche Gutachten für Fördermaßnahmen, die fünftägige Klassenfahrt, eine E-Mail einer Schülerin abends um 21 Uhr, der Anruf eines Vaters am Sonntagabend und vieles mehr zählt“, sagte Stein.