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Schuljahr 2022/2023

Noch mehr Unterrichtsausfall ab dem 12. September

Fast alle Schularten starten mit zu wenig Lehrkräften in das neue Schuljahr – das zeigen die neuesten Zahlen zur Lehrereinstellung, die der GEW vorliegen. Landesvorsitzende Monika Stein erwartet von der Landesregierung, sofort zu reagieren.

Monika Stein
Monika Stein (Foto: © Carsten Böhnke)

Bereits am ersten Schultag am 12. September müssen sich Schüler*innen und ihre Eltern auf Unterrichtsausfall einstellen. Fast alle Schularten werden im nächsten Schuljahr 2022/2023 zu wenig Lehrkräfte haben, um den Pflichtunterricht sicherzustellen. Die Bildungsgewerkschaft GEW erwartet kurz- und mittelfristige Maßnahmen von der Landesregierung.

„Es ist für die 130.000 Lehrkräfte an den 4.500 Schulen frustrierend, dass sie auch im nächsten Schuljahr jonglieren müssen, um den Pflichtunterricht einigermaßen sicherzustellen. Besonders ärgerlich ist es, dass diese Situation im Unterschied zu Krisen wie die Pandemie und der Krieg in der Ukraine vorhersehbar war. Hätte die Landesregierung von 2012 bis 2015 die vorliegenden Zahlen des Statisches Landesamtes ernst genommen und sofort ausreichend Studienplätze geschaffen, könnten jetzt zum Schuljahresbeginn am 12. September alle Stellen besetzt werden. Wir erwarten, dass die grün-schwarze Landesregierung endlich den Ernst der Lage in Kitas und Schulen begreift und mit den notwendigen Investitionen im nächsten Landeshaushalt reagiert“, sagte Monika Stein, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg, in Stuttgart.

Besonders an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) und in der Inklusion fehlen immer mehr Lehrer*innen. Die GEW sieht hier sogar einen Verstoß gegen die Landesverfassung: „Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung.“ An den SBBZ und in der Inklusion könnten die Schüler*innen mit Behinderung dieses Recht nicht voll einlösen.

Auch viele Berufliche Schulen, Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I starten ins neue Schuljahr mit zu wenig Personal. Die Gymnasien sind die einzige Schulart, in der bis auf bestimmte Mangelfächer fast alle Stellen besetzt werden konnten. In den nächsten Wochen laufen noch Nachbesetzungsverfahren, doch bereits jetzt ist absehbar, dass über alle Schularten mehrere hundert Stellen unbesetzt bleiben.

Die ständige Vertretungsreserve mit 1.945 Stellen sei bei 5.000 bis 7.000 dauerhaften Ausfällen so klein, dass bereits am ersten Schultag alle eingeplant seien. Da kaum weitere Personen auf dem Arbeitsmarkt sind, die kurzfristig für Vertretungen gewonnen werden können, bedeute jeder weitere Ausfall, dass Klassen zusammengelegt werden müssen oder Unterricht ausfällt.

Ländlicher Raum und Stuttgart sind Mangelregionen

Für insgesamt rund 591 Stellen für Sonderpädagog*innen gab es nur 401 Bewerbungen. Auch bei den sonderpädagogischen Fachlehrkräften konnten für 137 freie Stellen nur 13 Angebote gemacht werden. Bereits im laufenden Schuljahr waren an den SBBZ zwölf Prozent der Stellen nicht besetzt, die Quote wird sich noch erhöhen.

Bei den Grundschulen gab es 1.205 Bewerbungen für 1.267 Stellen. Für Haupt- und Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen bewarben sich 1.030 Personen für 1.099 freie Stellen. An den beruflichen Schulen konnten zwar einige Gymnasiallehrkräfte eingestellt werden, das Unterrichtsdefizit ist aber seit Jahren groß.

Viele der Bewerber*innen bewerben sich nicht landesweit, sondern nur in ihren Wunschregionen. Bei der Lehrer*inneneinstellung gibt es große regionale Unterschiede. Für Schulen in der sogenannten „Rheinschiene“ gibt es meist genügend Bewerber*innen. In vielen ländlichen Regionen gibt es aber kaum Interessent*innen für einen Platz am Lehrer*innenpult. Genauso schwierig ist die Lage in der Landeshauptstadt Stuttgart. Offenbar schrecken die hohen Preise auf dem Wohnungsmarkt angehende Pädagog*innen ab. Die GEW setzt sich dafür ein, durch zusätzliche Anreize für mehr Bewerbungen in Mangelregionen zu sorgen.

„Wenn ein Autohersteller ein neues Modell einführt, baut er neue Fabriken und stellt tausende Menschen ein. Wenn die Schüler*innenzahlen steigen und neue Projekte wie der Ganztagsausbau anstehen, will die Landesregierung immer wieder vorhandene Ressourcen umlenken, statt mutig zu investieren. Jede Person, die den Alltag in den Klassenzimmern kennt, weiß, dass dies nicht funktionieren wird. Zum Nulltarif wird es in den 4.500 Schulen in Baden-Württemberg keinen weiteren Ganztagsausbau, keine Inklusion und keine bessere Qualität geben. Wer an der Bildung spart, bekommt auch keine Zinsen“, sagte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein.

Die GEW setzt sich für ein Gesamtkonzept gegen den Fachkräftemangel und neue Investitionen ein. Sie schlägt kurzfristig unter anderem vor, durch eine Erhöhung der Altersermäßigung zu erreichen, dass Lehrkräfte länger arbeiten können. Mit Qualifizierungsprogrammen soll der Quereinstieg besser möglich werden. Befristet eingestellte Lehrkräfte bräuchten mindestens Einstellungszusagen für das nächste Schuljahr, um sie nicht zu verlieren.

Kontakt
Matthias Schneider
Landesgeschäftsführer, Pressesprecher
Telefon:  0711 21030-14
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