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Dr. Michael Blume referiert: Antisemitismus und Rassismus

Ausmaß und Tabugrenzen verschieben sich

Dr. Michael Blume ist seit 2018 auf Vorschlag der jüdischen Gemeinden in Baden-Württemberg der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung. Er nahm gerne die Einladung zu der GEW-Veranstaltung des Kreises Stuttgart mit dem Titel "Antisemitismus in Deutschland mit besonderem Blick auf den Bildungsbereich" an. Zu seinen Aufgaben gehört u.a. die Beratung und Ansprechpartner zu sein für jüdische Gruppen, Kirchen und Moscheegemeinden, den Landtag, die Kommunen sowie für Bildungseinrichtungen. So ist er oft im Land unterwegs an schulischen Einrichtungen, bei Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen - zuweilen mit Begleitschutz, denn er wurde schon tätlich angegriffen. Auch mit jüdischen Organisationen wie dem "Simon Wiesenthal Center" und die "Jüdische Stimme", die eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn erhoben hat,  muss er sich  auseinandersetzen. Der Zentralrat der Juden in Deutschland nannte diese Vorwürfe gegen ihn  absurd. Dabei betonte Dr. Michael Blume, dass ihm nichts mehr als ein liberales Denken aller Religionen am Herzen liegt.

Bei seinem sehr informativen und kurzweiligen Vortrag skizzierte er, wie sich Antisemitismus als religiöses und soziales Vorurteil gegen Juden und jüdische Einrichtungen sowohl verbal als auch durch physische Handlungen zu einer quasi Weltanschauung ihnen gegenüber entwickelt hat. Mit Hass und Neid wurde den Juden nicht nur wegen ihres vermeintlichen Reichtum begegnet, sondern auch wegen der sehr hohen Wertlegung auf Bildung und Wissen. Bezeichnend für diese Wertlegung ist, dass bereits an die 100 Personen mit jüdischem Glauben einen Nobelpreis erhielten.

In seinem zweiten Tätigkeitsbericht beschreibt Dr. Michael Blume, dass sich Ausmaß und Tabugrenzen verschieben und Antisemitismus sich unverhohlen und öffentlich zeigt. Eine Triebkraft für Antisemitismus sei die Digitalisierung. Soziale Netzwerke und Künstliche Intelligenz werden eingesetzt, was zur schnellen Verbreitung von Verschwörungstheorien, Bildern, Videos und Deep Fakes (gefälschte, aber realistisch wirkende Inhalte) führt. Diese Entwicklung betrachtet er mit besonderer Besorgnis, weil Kinder und Jugendliche für diese Inhalte empfänglich sind und oft kritiklos und nicht hinterfragend in ihr Weltbild integrieren. Hierbei sieht er die zunehmend wichtige Aufgabe von Bildungseinrichtungen, bei antisemitischen und rassistischen Hinweisen in die Auseinandersetzung und Aufarbeitung zu gehen. Geraten Jugendliche in entsprechende rassistische und/oder antisemitische Kreise und verfestigen sich zunehmend Urteile und Vorurteile, dann wird es schwierig, sie noch für andere Argumente und Ansichten zu öffnen bzw. sie „zurückzuholen“, so Blume.

Silke Müller, Schulleiterin der Waldschule in Hatten, sieht diese Gefahr ebenfalls. In einem Interview in der Stuttgarter Zeitung vom 15.07.2023 spricht sie von einem Haifischbecken, in das die Kinder und Jugendlichen in den sozialen Netzwerken wie Tiktok, Instagram, Telegram, … eintauchen. An ihrer Schule haben sie eine Social-Media-Sprechstunde eingerichtet, um Schüler*innen die Möglichkeit zu geben, über ihre Erlebnisse mit sozialen Medien zu sprechen. Auch die Eltern sollten höchst sensibel sein. Die Eltern kaufen ihren Kindern meistens das Handy und tragen schließlich die Verantwortung für den Umgang damit. Eine unbegrenzte Nutzung sollte es nicht geben, sicher ein Kampf mit den Kindern, der sich letztendlich aber auszahlen würde, so Müller. Ansonsten fürchtet sie, entsprechend dem Titel ihres Buches "Wir verlieren unsere Kinder!", dass die Einflussmöglichkeit auf die Kinder verloren geht.

Dem Vortrag von Dr. Michael Blume folgte eine angeregte Aussprache und Diskussion u.a. zu der Abiturlektüre „Tauben im Gras“, die wegen des N-Wortes hohe Wellen geschlagen hat. Mediale Errungenschaften wie z.B. der Buchdruck oder Radio/Fernsehen hätten immer schon unser Leben stark beeinflusst und folglich gesellschaftliche Veränderungen bewirkt, sagt Dr. Michael Blume. Bleibt zu hoffen, dass die sozialen Medien und KI nicht uneingeschränkt und weitgehend unkontrolliert operieren können und wir unser liberales freiheitlich demokratisches Denken verlieren.

- Erwin Berger -

Melde- und Beratungsstellen zum Thema Antisemitismus

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Meldestelle #Antisemitismus

Betroffenenberatungsstelle OFEK Baden-Württemberg

Erwin Berger bedankt sich bei Dr. Michael Blume für sein Kommen und seinen engagierten Vortrag mit einem kleinen Präsent aus dem Weltladen. Foto: © Erwin Berger