Die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Petra Kilian kommentierte den Verhandlungsauftakt entsprechend: „Die Arbeitgeber ignorieren einfach die Leistung der Kolleg*innen während der Corona-Pandemie in den Kindertagestätten, den kommunalen Kliniken und im kommunalen Nahverkehr und vielen anderen öffentlichen Einrichtungen. Viele haben in den letzten Monaten ihre eigene Gesundheit riskiert und erwarten mit Recht Wertschätzung, die sich im Geldbeutel bemerkbar macht. Wir müssen in den nächsten Wochen dagegenhalten und klar machen, dass das nicht mit uns zu machen ist.“
Streiks trotz Corona möglich
Die Umstände waren für eine Tarifrunde denkbar ungünstig. Da die Pandemie noch mal an Fahrt aufgenommen hatte, musste bei allen Aktionen und Streikmaßnahmen der Gesundheitsschutz der Teilnehmenden im Vordergrund stehen. Ende August sind die Gewerkschaften mit ihren Forderungen in die Öffentlichkeit gegangen. In den Verhandlungsrunden erinnerten die Gewerkschaften die Arbeitgeber nicht nur an die unverzichtbare und herausragende Leistung der Beschäftigten, sondern machten auch und auf die positive volkswirtschaftliche Wirkung einer guten Lohnerhöhung gerade in einer Wirtschaftskrise aufmerksam.
In der ersten Verhandlungsrunde in Potsdam am 1. September haben die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ihre Forderungen und Erwartungen vorgestellt. Sie fordern für die Beschäftigten beim Bund und den Kommunen eine Gehaltssteigerung von 4,8 Prozent, mindestens aber 150 Euro bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Auszubildenden und Praktikant*innen sollen monatlich 100 Euro mehr bekommen. Außerdem sollen die Ausbildungsbedingungen der Studierenden in praxisintegrierten dualen Studiengängen erstmals tariflich geregelt werden.
Neben diesen Forderungen haben die Gewerkschaften weitere Erwartungen formuliert. So soll die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der kommunalen Beschäftigten in den ostdeutschen Bundesländern von 40 Stunden auf das West-Niveau von 39 Stunden pro Woche angeglichen werden. Angestrebt werden in den Verhandlungen zusätzliche freie Tage und die Verlängerung und Verbesserung der Altersteilzeit. Für die Auszubildenden soll die Übernahmeregelung fortgeführt und die volle Übernahme der Fahrkosten in Höhe des monatlichen ÖPNV-Tickets vereinbart werden.
Vom Arbeitgeber Bund fordern die Gewerkschaften, das Verhandlungsergebnis zeit- und wirkungsgleich auf die Bundesbeamt*innen, Bundesrichter*innen und Soldat*innen zu übertragen. Die Landesbeamt*innen, auch die tarifbeschäftigten Lehrkräfte, sind von der Tarifrunde nicht betroffen.
#BildungistMehrWert
Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen sind am 1. September gestartet. Jetzt wird sich zeigen, was die Beschäftigen im öffentlichen Dienst den Arbeitgebern wert sind. Die Tarifkommissionen der Gewerkschaften haben im Juni beschlossen, die Entgelttabellen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) Bund und Kommunen zum 31. August zu kündigen. Aufgrund der Corona-Pandemie hatten die Gewerkschaften Anfang Juni den Arbeitgebern vorgeschlagen, zunächst nur einen zeitlich begrenzten Abschluss zu vereinbaren und die eigentliche Tarifrunde auf das nächste Frühjahr zu verschieben. Diesen Vorschlag hat die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) am 16. Juni abgelehnt.
Wie wertvoll die Arbeit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist, hat die Pandemie gezeigt. „Gemeinsam mit ihren Kolleg*innen in der Pflege und den Gesundheitsämtern und vielen anderen verdienen auch die Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen mehr als nur Applaus. In der Notbetreuung und jetzt besonders bei der Rückkehr zum Regelbetrieb in den Kindertagesstätten sorgen die Kolleg*innen dafür, dass die Kinder gut aufgehoben sind und ihre Eltern wieder arbeiten können. Einen Sparkurs in der Tarifrunde darf es deshalb nicht geben“, stellte Kilian klar. Die Arbeitgeber scheinen dies noch nicht verstanden zu haben, wenn sie immer wieder betonen, dass sie keine Spielräume für Lohnerhöhungen sehen.
Bundesweit betrifft die Tarifrunde mehr als 2,3 Millionen Beschäftigte bei Bund und Kommunen. In Baden-Württemberg sind 213.290 Tarifbeschäftigte bei den Kommunen beschäftigt. In den circa 9.000 Kindertagesstätten in Baden-Württemberg arbeiten insgesamt über 100.000 Kolleg*innen, davon mehr als 85.000 als pädagogische Fachkräfte. Die anderen Kita-Beschäftigten arbeiten als freigestellte Leitung, im Verwaltungsdienst und in der Hauswirtschaft. Allerdings wird der TVöD nur für weniger als die Hälfte der Beschäftigten direkt angewendet, da fast 60 Prozent der Kindertageseinrichtungen von freien und kirchlichen Trägern betrieben werden. Das Ergebnis der Tarifrunde wird in der Regel aber von den Kirchen und anderen freien Trägern von Kindertagesstätten und Jugendhilfeeinrichtungen übernommen.