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Schulleitungen nicht alleinlassen!

In den Konzepten für das Startchancen-Programm ist eine nachhaltige Begleitung der Brennpunktschulen bislang nicht angelegt. Bund und Länder müssten die Schulleiter vor Ort viel stärker mitdenken. Sonst drohen viele Millionen Euro zu versanden.

Bundesländer beim Startchancen-Programm in erster Linie um das Geld. Ziel ist, dass am Ende 4000 Schulen in schwieriger sozialer Lage profitieren. Höchste Zeit, dass sich Bund und Länder – abseits der  Gelddebatte – noch stärker damit auseinanderzusetzen, was eigentlich ein inhaltlich gutes Brennpunktprogramm ausmacht. Ein Aspekt sollte dabei eine besondere Rolle spielen – die Schulentwicklung.
Doch zunächst einige Worte zum Geld: Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat für das Startchancen-Programm immer wieder eine „Bildungsmilliarde“ in Aussicht gestellt, ohne diese klipp  und klar zu versprechen. Trotzdem geht es seit knapp einem Jahr nur darum, wie das Fell des Bären verteilt werden soll, obwohl bis heute keiner genau weiß, mit  wie vielen Milliarden das Programm ausgestattet ist. Denn auch die finanzielle Beteiligung der Länder ist immer noch ungeklärt. 

Fünf Prozent? Peinlich!

Mitte März verkündete die KMK, die  Länder hätten sich beim Startchancen-Programm über die Verteilung der Bundes-Bildungsmilliarde verständigt. Die Kultusminister verkauften die Einigung als revolutionären Paradigmenwechsel. Die Bundesmittel sollen nicht mehr ausschließlich nach dem Königsteiner Schlüssel, sondern wesentlich stärker nach sozialen Kriterien verteilt werden. Fünf Prozent sollen in einen Sozialfonds fließen, der den Bedarf der Kinder und Jugendlichen in den einzelnen  Ländern berücksichtigt. Das sei eine Abkehr von der Gießkanne und der Weg hin zu einer gerechteren bedarfsorientierten Verteilung – so zumindest die Lesart der KMK. Die Frage, warum nicht auch die  anderen 95 Prozent so eingesetzt werden, dass sie gezielt Schülerinnen und Schüler sowie Schulen in sozial benachteiligter Lage erreichen, beantworten die Kultusminister nicht. Offensichtlich haben nicht alle Länder verstanden, worum es in dem Programm wirklich gehen soll. Fünf Prozent? Das ist wirklich peinlich. Die Länder-Einigung ist ein Gradmesser für die Reformbereitschaft im Bildungsföderalismus.Natürlich spielt Geld eine Rolle. Schulen in herausfordernden Lagen brauchen zusätzliche Ressourcen – seien es finanzielle Mittel oder Personal. Im Vordergrund sollte aber das Ringen um ein inhaltlich gutes Programm stehen. Der Koalitionsvertrag sieht drei Säulen vor. Neben Stellen für Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter stellt die Ampel-Koalition ein „Chancenbudget“ sowie eine bessere Ausstattung in Aussicht. 

Es braucht eine klare Vision für die Schulentwicklung 

Erste Überlegungen zeigen, dass die Länder für die Ausstattungssäule das meiste Geld einplanen, dabei ist die Ausstattung absolut nachrangig. Darum sollten sich andere Programme kümmern. Viel wichtiger sind das Personal und das freie Budget. Damit können die Schulen direkt etwas anfangen, solange sie von Fachleuten unterstützt und angeleitet werden. Der Aspekt der Schulentwicklung, der inhaltlichen Begleitung, aber auch der Professionalisierung von Schulleitungen ist für einen zielgerichteten Einsatz der Mittel unabdingbar – ist allerdings bisher im Programm nicht angelegt. Die Erfahrungen aus unserer Zusammenarbeit in Programmen, in denen Schulen im Brennpunkt unterstützt werden – beispielsweise in  Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz – belegen diese Einschätzung. Die Schulen dort erhalten zusätzliche finanzielle Mittel, werden jedoch parallel durch ein Programm begleitet, das die jeweiligen Landesinstitute mit der Unterstützung der Wübben Stiftung Bildung durchführen. Damit zusätzliche Ressourcen im Brennpunkt Wirkung entfalten, braucht es eine klare Vision und ein konkretes Schulentwicklungsvorhaben. Die Schulleitung muss in der Lage sein, diesen Schulentwicklungsprozess zu planen und zu steuern und das Kollegium mitzunehmen.

Moderne Form der Programmsteuerung – im Dialog 

Zwar gibt es in jedem Land Unterstützungsstrukturen für Schulen – häufig bei den Landesinstituten angedockt. Doch diese Angebote sind in der Regel punktuell. Eine längerfristig angelegte, prozessorientierte Begleitung von Schulen mit besonderen Belastungen gibt es selten. Die Verzahnung von Angeboten, die sich an einem Qualitätsentwicklungsprozess an Schulen über einen  längeren Zeitraum orientieren, ist für die meisten Länder Neuland.Genau dieser systemische Ansatz der Schulentwicklung fehlt bislang im Startchancen-Programm – genauso wie konkrete Vorschläge für eine  moderne Steuerung. Dafür müssen Bund und Länder das Rad nicht neu erfinden. In den Programmen der Wübben Stiftung Bildung steht der kollegiale Austausch zwischen den Schulleitungen im Zentrum. Das Besondere ist, dass bei den Treffen auch die Landesverwaltungen immer wieder und kontinuierlich anwesend sind und auch Minister und Staatssekretäre vorbeischauen und zuhören. Dieser Dialog  ermöglicht die Kommunikation in zwei Richtungen – eine moderne Form von Steuerung. Es entsteht ein echter Austausch. In den nächsten Monaten sollten die Länder miteinander über ihre Konzepte streiten und dann gemeinsam mit dem Bund das erfolgversprechendste Modell in die Fläche tragen. Klar ist: Wer sich ernsthaft mit der inhaltlichen Gestaltung des Programms beschäftigt, erkennt schnell, dass der Finanzierungskompromiss der Länder nicht ausreicht. Nur fünf Prozent der Mittel nach sozialen Kriterien aufzuteilen, steht im Widerspruch zu den Zielen des Programms.

Dieser (leicht gekürzte) Beitrag ist zuerst im „Bildung.Table Professional Briefing“ erschienen