Seit der Änderung des Schulgesetzes 2015 unter der grün-roten Landesregierung stellt die Schulverwaltung für Schüler/innen, die ein sonderpädagogisches Bildungsangebot benötigen, nicht mehr die Pflicht zum Besuch einer Sonderschule fest. Die Schüler/innen haben jetzt das Recht auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot. Die Erziehungsberechtigten haben die Wahlmöglichkeit, ob dieser Anspruch an einer allgemeinen Schule oder an einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) erfüllt werden soll. Für die Kinder und Jugendlichen stehen sonderpädagogische Bildungsangebote in drei Organisationsformen zur Auswahl:
- das inklusive Bildungsangebot an allgemeinen Schulen
- die kooperative Organisationsform mit Klassen eines SBBZ an einer allgemeinen Schule (früher: Außenklassen)
- die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ)
Für die grün-schwarze Landesregierung stehen diese Angebote gleichberechtigt nebeneinander: „Ziel aller Anstrengungen ist es, dass der Zugang zur schulischen Bildung für junge Menschen mit einem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot an allgemeinen Schulen und an einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum bzw. in einer kooperativen Organisationsform gleichermaßen selbstverständlich ist.“ ((Landtagsdrucksache 16/2784 S. 2) Eisenmann betont, dass sich ca. 75 Prozent der Eltern für ein Angebot im SBBZ entscheiden. Die Landesregierung will am Wahlrecht der Eltern zwischen diesen Angeboten festhalten. Und für die Kultusministerin ist klar: „Mit der schulgesetzlichen Verankerung hat die Inklusion erst begonnen.“
Der Bericht macht deutlich, wie viele Schüler/innen seit dem neuen Schulgesetz ein inklusives Angebot wahrnehmen. Im Schuljahr 2016/17 haben von rund 57.290 Schüler/innen mit einem festgestellten Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot bereits rund 7.950 an einer allgemeinen Schule inklusiv gelernt (2015/16: 6.450). Rund 49.340 (2015/16: 49.180) Schüler/innen besuchten ein öffentliches oder privates SBBZ, wobei etwa 3.230 (2015/16: 3.130) von ihnen in kooperativen Organisationsformen (früher Außenklassen) an einer allgemeinen Schule unterrichtet wurden. Insgesamt ist die Zahl der Schüler/innen mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot an den SBBZ und in der Inklusion in den beiden Schuljahren von 53.920 auf 57.285 Schüler/innen gestiegen.
Für das KM gehört zu den vorrangigen Aufgaben, zusätzliche sonderpädagogische Lehrkräfte zu gewinnen. Für den Ausbau der Inklusion geht die Schulverwaltung von einem Mehrbedarf von insgesamt 1.353 Lehrerstellen bis zum Schuljahr 2022/23 aus. Die Landesregierung hat davon bis 2017 560 Stellen geschaffen. Allerdings haben diese Stellen nur zum Anteil die sonderpädagogische Förderung verbessert. Rund die Hälfte der Stellen wurde für den Aufbau eines sonderpädagogischen Dienstes an beruflichen Schulen, die Schulverwaltung, zur Bildung zusätzlicher Klassen an den allgemeinen Schulen und weitere Bereiche verwendet.
Das Land hat seit 2013 die Studienanfängerkapazitäten an den Pädagogischen Hochschulen deutlich erhöht. Allerdings wurden diese Studienplätze von anderen Lehramtsstudiengängen abgezogen. Für Haupt- und Werkrealschullehrer/innen wird ab dem Wintersemester 2018/19 ein modifiziertes Aufbaustudium angeboten. Auf diese Weise können bis 2023 insgesamt 400 Haupt- und Werkrealschullehrer für den Einsatz an SBBZ und in der Inklusion qualifiziert werden. Alle Maßnahmen wirken sich sehr langsam aus.
Die SBBZ und die dortigen Schulleitungen sollen die Schulverwaltung und die allgemeinen Schulen wieder stärker bei der Förderung der Schüler/innen mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot unterstützen. „Im Sinne einer institutionenbezogenen Zusammenarbeit sollen die Schulleitungen der allgemeinen Schulen und der jeweils zugehörigen SBBZ gemeinsam die Ausgestaltung inklusiver Bildungsangebote und kooperativer Organisationsformen sowie die Fallsteuerung verantworten.“ (Bericht S. 13). Dafür müssen die Schulleitungen auch die erforderliche Ausstattung bekommen.
Als weitere Herausforderung nennt der Bericht die verstärkte Umsetzung der Gruppeninklusion. Die von den Eltern häufig gewünschte Einzelinklusion sei aus organisatorischen wie pädagogischen Gründen oft weder möglich noch sinnvoll.
Das KM kündigt an, Regelungen zum Ganztagesangebot für inklusive Schüler/innen, zum sonderpädagogischen Dienst, zu kooperativen Organisationsformen, zur umgekehrten Inklusion (an SBBZ werden Schüler/innen ohne BA aufgenommen) und zur Arbeit der Arbeitsstellen Kooperation vorzulegen. Und die Landesregierung will einen Entwurf für eine Rechtsverordnung zur regionalen Schulentwicklung im Bereich der sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren erarbeiten. Dabei bleibt es für die Landesregierung unstrittig, dass die Eltern weiterhin eine Wahlmöglichkeit zwischen der allgemeinen Schule und dem SBBZ als Lernort haben und dass das jeweilige Bildungsangebot für ihr Kind auch erreichbar sein muss.